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Quelle: rbb|24/Mitya

Der Absacker

Solidarität kannste nicht erzwingen, Genosse. Oder doch?

Der Kabelbrand an der S-Bahn soll auf das Konto von Linksextremisten gehen. Sie wollten damit anscheinend gegen die geplante Räumung der Liebigstraße 34 protestieren. Aber gewinnt man so Unterstützer? Von Haluka Maier-Borst

Ringbahn und Berlin, das ist eine komplizierte Beziehung. Einerseits freut man sich über diese schnelle Verbindung. Ich persönlich außerdem über die Tatsache, dass ich wenigstens auf einer ÖPNV-Linie nicht im Nirvana lande, wenn ich unterwegs einschlafe – sondern nur wieder dort, wo alles begann. Andererseits gehören für jeden Berliner und jede Berlinerin Ärgernisse über die Ringbahn zum Leben wie Bulletten und Schrippen.

1. Was vom Tag bleibt

Dieses Mal traf aber keinen Verkehrsbetrieb die Schuld für das Chaos von heute Morgen. Linksextremisten haben sich zu dem Kabelbrand auf die S-Bahn bekannt, der für Störungen im Zugverkehr sorgte. Das Motiv: Aufmerksam machen auf die Räumung der Liebigstraße 34.

Dass es zurzeit hochhergeht zwischen autonomer Szene und der Polizei, das kann jeder beobachten, der die letzten Wochen nicht ganz taub durch Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln gelaufen ist. Und dass die Autonomen auf ihre Anliegen aufmerksam machen, ist ihr gutes Recht. Inwiefern aber ein Kabelbrand als politisches Zeichen überzeugen und für Solidarität auch nur irgendwie werben oder diese erzwingen soll, bleibt schleierhaft.

Eine andere Form von Solidarität erbittet derweil die Brandenburger Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher. Sie will vorerst nicht einzelne Berliner Bezirke zu Risikogebieten erklären, so wie es Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz bereits getan haben. Gleichzeitig hofft sie, dass Berlin in Sachen Neuinfektionen bald die Kurve kriegt.

2. Abschalten.

Im letzten Absacker ging es um die Unterschiede, die in einem Bezirk nebeneinander existieren können, Hip Hop und Klassik, wummernde Boxen und Streichorchester. Aber das Spannendste ist und bleibt natürlich, wenn beides zusammenkommt. So wie bei der jungen Violinistin Hannah Solveig Gramß und dem Electronica-Künstler Anomalie [instagram.com].

Wer ich bin

Großstadtchaos statt Alpenpanorama, Brandenburger Seen statt britisches Meer. Haluka Maier-Borst war schon an ein paar Orten und hat immer die falsch-richtige Wahl getroffen. Für Berlin. Jetzt sitzt er im Wedding und gönnt sich hin und wieder einen Absacker mit seinen Kolleginnen und Kollegen – und damit eine kleine Pause von der Nachrichtenlage. Vorerst allerdings nur digital aus dem Homeoffice.

3. Und, wie geht's?

Helmut Krüger hat uns als Reaktion auf die Diskussion über schöne und hässliche Gebäude geschrieben. Er empfand Folgendes bei einem Spaziergang durch Berlin:

Irgendetwas beschlich mich beim zaghaften Blick aus dem Augenwinkel von der rechten Seite aus und ich spürte eine Enge in mir. Ich schaute nun direkt hinüber und erblickte das Bundesfinanzministerium, vorherig das Haus der Ministerien, zu Bauzeiten das Reichsluftfahrtministerium. Für mich war es ganz augenblicklich und ohne alle weitere Überlegung auf der Empfindungsebene ein einschüchternder Bau: Grob in seiner Struktur, die Fenster per Faschen auch noch überaus wuchtig eingeengt. Nichts Offenes, vielmehr verschlossen. Keine Patina, wie sonst bei Altbauten, nichts dergleichen.

Dann gibt es Bauten, die ich abweisend empfinde, weil ich nicht hineinschauen kann. Die im Prinzip durchsichtigen Fenster sind verspiegelt und versperren den Blick nach innen. Wie ein Mensch mit verschränkten Armen, der an meiner Flanke steht oder gar mich nicht durchlässt, sodass ich drumherum gehen muss. Am Potsdamer Platz habe ich dieses Gefühl fast durchgängig.

Geht es Ihnen auch so im erweiterten Kreis des Regierungsviertels? Oder kennen Sie besonders einladende Gebäude in Berlin? Schreiben Sie uns an: absacker@rbb-online.de

4. Ein weites Feld...

Oben schrieb ich darüber, dass sich Solidarität nicht erzwingen lässt. Tatsächlich wurde ich am Samstag aber doch kurz zu einer solidarischen, wenn auch vergeblichen Tat gezwungen. Der Tramfahrer hatte das Kunststück vollbracht, genau so an einer Haltestelle stehen zu bleiben, dass der Stromabnehmer der Tram nur noch Kontakt mit einem nicht leitenden Verbindungsstück der Oberleitung hatte. Die Folge: kein Strom und die sehr hemdsärmelige Aufforderung des Tramfahrers, man möge doch aussteigen und das gute Ding ein bisschen von hinten schieben.

Ein Dutzend Fahrgäste versuchte dann das Ungetüm nach vorne zu schubsen. Keine Chance. Die Anfeuerungsversuche des peinlich berührten Tramfahrers halfen nicht. Und noch weniger die länglichen Erklärungen eines Fahrgasts, der sagte, er habe ja als Ingenieur mal Praktikum bei der BVG gemacht und wisse, was das Problem sei.

Erlöst wurden wir dann aber von weiblicher Kompetenz. Eine andere Tramfahrerin kam mit der nächsten Bahn an die Haltestelle. Kurz löste sie die Bremse unserer hängenden Tram, das Fahrzeug rollte sanft nach hinten statt weiter aussichtlos nach vorne gequält zu werden. Und plötzlich war der Strom wieder da.

Danke für das ungeplante Workout liebe BVG sagt:

Haluka Maier-Borst

Beitrag von Haluka Maier-Borst

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