rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Video: rbb|24 | Quelle: dpa/Carstensen

Personalausfälle erwartet

Wie sich die kritische Infrastruktur auf Omikron vorbereitet

Experten warnen vor starken Personalausfällen durch die Omikron-Variante, was auch die sogenannte kritische Infrastruktur beeinträchtigen könnten. Einer rbb-Umfrage zufolge gibt es umfassende Notfallpläne, Einschränkungen werden aber nicht ausgeschlossen.

Der Expertenrat der Bundesregierung erklärte am Sonntag, es gebe wegen der Omikron-Variante "hohe Risiken" bei Ausfällen für die sogenannte kritische Infrastruktur - also unter anderem für Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst oder Strom- und Wasserversorgung. Der rbb hat die Betriebe, die in Berlin und Brandenburg die kritische Infrastruktur ausmachen, nach Plänen und Prognosen befragt.

Sicherheit

Die Feuerwehr Berlin will im Notfall Löschfahrzeuge außer Dienst stellen, um die Rettungswagen zu besetzen, wie sie dem rbb mitteilte. Einzelne Abteilungen wurden bereits geteilt - außerdem setze man auf ein Impfangebot für alle, auf Tests und Masken.

Auch bei der Polizei Berlin wurden bereits einzelne Abteilungen geteilt und Kohorten gebildet. Wenn auf bestimmten Abschnitten Personal fehlt, werde aus dem Stab nachbesetzt, oder im Extremfall auf die wichtigsten Bereiche zurückgefahren. Impfangebote für alle, Tests und Masken gehören wie bei der Feuerwehr zur Strategie.

Regionalleitstelle Oderland: Ein Sprecher der Stadt Frankfurt (Oder) teilte mit, dass bereits vor drei Wochen der Ausnahmezustand verhängt wurde. Damit können aus der Berufsfeuerwehr Kräfte zum Rettungsdienst abgezogen werden. Die freiwilligen Feuerwehren unterstützten nun die Berufsfeuerwehr noch stärker. "Wir fahren bereits auf der letzten Rille", sagte der Pressesprecher der Stadt Frankfurt (Oder), Uwe Meier. 29 Bundeswehrsoldaten unterstützten im Gesundheitsbereich, 25 davon im Krankenhaus.

Die Regionalleitstelle Brandenburg will notfalls von drei Schichten auf einen Zwei-Schicht-Wechselbetrieb umstellen. Urlaubsschichten und Freischichten wären dann nicht mehr möglich, um auf das gesamte Personal zugreifen zu können. Im Falle vermehrter Infektionen würden feste Kohorten in kleinen Gruppen gebildet, hieß es. Letztlich werde die Lage wie ein großer Einsatz gehandhabt, bei dem die Lage kontinuierlich beurteilt und die Maßnahmen angepasst würden.

Auch die Regionalleitstelle Potsdam versucht durch das Schieben von Schichten und Personal flexibel reagieren zu können. Die Strategien seien abhängig vom Krankenstand: Schon in Stufe 1 fallen Freischichten weg. In der 3. Stufe werde über die Leitstelle hinaus Personal umgeschichtet und der Bestand reduziert.

Vor MPK am Dienstag

RKI empfiehlt "maximale Kontaktbeschränkungen" ab sofort

Vor dem Bund-Länder-Treffen am Nachmittag hat das RKI sofortige maximale Maßnahmen gegen die aufkommende Omikron-Welle gefordert. Darunter: Kontaktbeschränkungen, mehr Tempo beim Impfen und die Reduktion von Reisen.

Verkehr

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) teilten mit, sie setzten alles daran, Berlin zuverlässig mobil zu halten. Bei den Inzidenzen liege das Unternehmen unter dem allgemeinen Durchschnitt. Allerdings: Sollten sich die aktuellen Szenarien bewahrheiten und die Omikron-Variante wirklich zu einer "Wand" an Erkrankungsfällen in der Gesellschaft führen, könnte dies auch die BVG betreffen. Konzepte, das Angebot "koordiniert und ausgewogen um bestimmte Prozente anzupassen", lägen grundsätzlich vor. Die Öffentlichkeit werde dann rechtzeitig informiert.

Deutsche Bahn: Ein Bahnsprecher erklärte, dass die DB die Situation stets im Blick behalte und sich in engmaschigen Abstimmungen mit den Experten befinde.

Die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (ODEG) hat nach eigenen Angaben einen internen Pandemieplan mit einzelnen Stufen. Diese werden je nach Lage aktiviert. Auf die Frage, inwiefern zusätzliche Masken-/3G-Kontrollen geplant sind, hieß es: "Bereits heute führt die ODEG entsprechende Kontrollen mit eigenen Personalen und einem Sicherheitsdienstleister durch."

Eine Sprecherin des Flughafenbetreibers des größten deutschen Flughafens (Fraport) sagte, man habe zahlreiche Maßnahmen getroffen, um den Betrieb auch bei einer größeren Erkrankungswelle durch die Corona-Variante Omikron sicherzustellen. Auch die Lufthansa und die Deutsche Flugsicherung zeigten sich überzeugt, dass man flexibel auf externe Störungen des Betriebs reagieren könne. Fraport trennt etwa die einzelnen Schichten der betriebsnotwendigen Flughafenfeuerwehr voneinander, damit bei einem Ausbruch nicht die gesamte Mannschaft in Quarantäne muss, erläuterte die Sprecherin.

Bund-Länder-Treffen am Dienstag

Strengere Kontaktbeschränkungen nach Weihnachten geplant

Die Omikron-Variante breitet sich in mehreren europäischen Ländern bereits rasant aus, in Deutschland erwarten Experten eine ähnliche Entwicklung. Bund und Länder planen deshalb laut eines Entwurfs strengere Kontaktbeschränkungen.

Versorgung

Die Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB) hat, nach eigenen Angaben, ihre Vorsichtsmaßnahmen für Leitwarte, Meldestelle und Entstörungsdienst weiter verschärft. So haben Betriebsfremde zu diesen sensiblen Einrichtungen keinen Zutritt mehr. Teilweise könnte das Personal für den Arbeitsweg auf Taxis und Leihwagen sowie separate Parkmöglichkeiten am Arbeitsplatz zurückgreifen. Die Pläne beinhalten auch extreme Szenarien, in denen das in kritischen Bereichen eingesetzte Personal über einen längeren Zeitraum vor Ort verbleiben muss. Die entsprechende Ausstattung (Duschen, Betten, Verpflegung) dazu wird nach Angaben der NBB vorgehalten.


Bei den Berliner Wasserbetrieben kann in der Leitwarte der Drei-Schicht-Betrieb auf zwei Schichten umgestellt werden, damit immer zusätzliches Personal verfügbar ist. Es gibt intern eine Home-Office-Pflicht.

Die Lausitzer Wasser GmbH (LWG) in Cottbus hat sich auf mögliche Mitarbeiter-Ausfälle eingerichtet, sollte es besonders durch die Omikron-Variante zu Einschnitten kommen. LWG-Geschäftsführer Jens Meier-Klodt sagte dem rbb, dass es bei der Wasserwirtschaft "bei den gewerblichen Mitarbeitern und ihre Anlagen" schwierig werden könnte: Das Wasserwerk mit der Wasserförderung, die Wasserversorgung, die Netze, das Kanalnetz, das die Abwässer wieder einsammelt und die Kläranlagen.

In diesen Bereichen habe die LWG zwar entsprechende Bereitschaftsdienste und Mitarbeiter, die die ganzen Prozesse überwachen. Aber alle automatisch arbeitenden Anlagen müssten auch wirklich überwacht werden um zu arbeiten. Die LWG habe vorsorglich Posten doppelt besetzt und Quarantäne-Arbeitsplätze für Mitarbeitende eingerichtet, die in Quarantäne, aber symptomfrei sind.

Der Wasserverband Strausberg-Erkner teilte mit, es seien bereits Schichten entzerrt worden, damit die Beschäftigten weniger Kontakt untereinander haben. Es gebe zum Beispiel feste Zweier-Teams. Die Verwaltung arbeite überwiegend im Home-Office. Im Worst Case würde das Personal als Notmaßnahme in der Leitwarte bleiben und dort versorgt werden. Bisher sei ein solches Szenario aber nicht notwendig gewesen, weil es kaum Ausfälle gab.

Der Märkische Abwasser- und Wasserzweckverband (MAWV) setzt als Schutz vor Corona auf die Hygiene-Regeln sowie umfangreiche mobile Arbeit. Alle in Präsenz arbeitenden Kolleginnen und Kollegen müssten sich täglich vor Arbeitsbeginn testen, also werde quasi eine 2G+ Regelung angewandt. "Somit haben wir die Pandemie-Zeit bisher ohne Infizierungen überstanden."

DNWAB (Dahme-Nuthe Wasser): Das Unternehmen setzt nach eigenen Angaben auf eine strikte Kontaktreduzierung durch Separierung der operativen Teams auf den Anlagen (Reaktivierung weiterer Standorte) und die breite Nutzung von mobilen Arbeiten (Home-Office).

Stadtwerke Brandenburg: Personal, das für die Aufrechterhaltung der Versorgung zuständig ist, wird aus dem regulären Dienst rausgenommen. Der persönliche Kontakt der Kolleginnen und Kollegen untereinander entfalle, hieß es.

Handel

Laut Handelsverband Berlin-Brandenburg haben Umfragen unter den Mitgliedsunternehmen ergeben, dass die Krankheitsfälle in den ersten Wellen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sogar unter dem Durchschnitt lagen. Daher gehe man davon aus, dass die Mitarbeiter im Einzelhandel durch die vorhandenen Maßnahmen gut geschützt seien. Maske, Begrenzung der Kundenzahl und die Plexiglasscheiben böten Sicherheit, hieß es. Das Verbandspräsidium wollte am Dienstag aber noch einmal zusammenkommen und die aktuelle Lage bewerten.

Gesundheit

Die Kliniken in Berlin und Brandenburg sind bereits durch die vierte Corona-Welle am Limit. Der Klinikkonzern Vivantes geht davon aus, dass bei einer prognostizierten rasanten Verbreitung der Omikron-Virusvariante Anfang des nächsten Jahres auch mehr Mitarbeitende betroffen sein werden, die etwa nach heutigen Vorgaben in Quarantäne gehen müssten.

"Wenn gleichzeitig sehr viele weitere Covid-Patienten stationär aufgenommen werden, ist ein flexibler Einsatz von Pflege-Teams notwendig", sagte ein Sprecher. "Bei personellen Engpässen in einzelnen Bereichen müssten in diesem Fall weitere planbare Operationen verschoben werden." Vivantes sieht sich nach eigenen Angaben in der Lage, einen ausreichenden Vorrat an Material und Medikamenten herzustellen.

Die Charité teilte dem rbb mit: "Die Situation ist weiterhin angespannt. Die Zahl der Patientinnen und Patienten, die an Covid-19 erkrankt sind und auf den Stationen der Charité versorgt werden müssen, ist annähernd gleichbleibend hoch. Seit einigen Wochen sind in diesem Zusammenhang rund 90 Menschen auf den Intensivstationen unseres Hauses zu behandeln. Für unsere Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte ist das ein enormer Kraftakt - und das vor der absehbar kommenden Omikron-Entwicklung.

"Wir bereiten uns auf die nächsten Wochen vor und blicken mit Sorge auf die prognostizierte Zahl von Schwersterkrankten, die das Risiko einer Überlastung der Krankenhäuser, auch unseres Hauses, mit sich bringt", so ein Charité-Sprecher weiter. Mit Blick auf die Aufforderung des Expertenrates, ausreichend Material und Medikamente vorrätig zu haben, hieß es: "Wir haben uns ausreichend bevorratet."

Die vergangenen Pandemie-Monate hätten das Carl-Thiem-Klinikum – dem größten Krankenhaus Südbrandenburgs - einiges gelehrt. Man sei auf Notfälle eingestellt, sagte die Pflegedirektorin Andrea Stewig-Nitschke am Dienstag dem rbb. Dennoch müssten alle Mitglieder der Gesellschaft dazu beitragen, ein noch höhere Patientenaufkommen möglichst zu verhindern. „Es ist nicht nur eine Sache des Klinikums, sondern hier geht’s um alle Menschen." Boosterimpfung sei jetzt sehr wichtig, so Stewig-Nitschke. Wegen der neuen Corona-Variante Omikron rechnet man am CTK mit mehr Patienten in den kommenden Tagen und Wochen.

Bundesweite Infrastruktur

Auch Behörden und Unternehmen der nationalen kritischen Infrastruktur haben damit begonnen, ihre Notfallpläne zu reaktivieren.

"Wir stellen sicher, dass genügend Verstärkungskräfte aus anderen Bereichen zur Verfügung bereitstehen für unser Lagezentrum", sagte eine Sprecherin des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn am Dienstag auf Anfrage. Das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum beim BBK unterstützt bei der bundesweiten Verlegung intensivpflichtiger Covid-19-Patienten, wenn es regionale Engpässe in den Krankenhäusern gibt.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hatte am Montag mitgeteilt, seine Mitgliedsunternehmen "sehen derzeit durch die Omikron-Variante kein erhöhtes Risiko für die Versorgungssicherheit". Die bewährten Notfall- und Pandemiepläne
kämen weiterhin zum Einsatz.

Für den Katastrophenschutz in Friedenszeiten sind in Deutschland allerdings die Länder verantwortlich. Eine bundesweite Übersicht, wie sich die einzelnen Unternehmen und Behörden, die zur kritischen Infrastruktur zählen, auf Krisen und Engpässe vorbereiten, existiert nicht. Allerdings gibt es für einige Bereiche eher allgemein gehaltene gesetzliche Vorgaben, beispielsweise im IT-Sicherheitsgesetz und im Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung.

Sendung: Abenschau, 21.12.2021, 19:38 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen