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Video: Abendschau | 22.12.2016 | Kerstin Breinig | Quelle: dpa/Arne Dedert

Nach Anschlag am Berliner Breitscheidplatz

Anis Amri wird mit Haftbefehl gesucht

Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Verdächtige Anis Amri mit "hoher Wahrscheinlichkeit" der Attentäter vom Breitscheidplatz ist. Innenminister de Maizière bestätigte den Fund seiner Fingerabdrücke im Lkw. Gegen Amri wurde nun Haftbefehl erlassen.

Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass der gesuchte Anis Amri verantwortlich für den Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz ist. Er sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit" der Täter, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Donnerstag in Berlin. So wurden Fingerabdrücke Amris im Führerhaus des Lastwagens gefunden. Man habe außerdem weitere Hinweise gesichert, die das nahelegten, erklärte der Minister.

Die Bundesanwaltschaft hat gegen den Tunesier Haftbefehl erlassen, wie Sprecherin Frauke Köhler am Abend mitteilte. Sie wollte auf weitere Fragen und Spekulationen nicht eingehen. Sie wies aber darauf hin, dass verschiedene Orte in Nordrhein-Westfalen und Berlin, an denen sich Amri aufgehalten haben soll, durchsucht worden seien. Auch ein Reisebus in Heilbronn sei durchsucht worden. Festnahmen habe es keine gegeben.

Desweiteren sagte Köhler, dass Fingerabdrücke außen an der Fahrertür und an der B-Säule - also an der Karosserie - gefunden worden sind. "Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand gehen wir davon aus, dass Anis Amri den Lkw gesteuert hat." Zuvor hatten bereits die Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR berichtet, dass Amris Fingerabdrücke im Lkw sichergestellt wurden.

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Berliner Justiz observierte Verdächtigen ein halbes Jahr

Der nach dem Anschlag gesuchte Anis A. wurde von der Berliner Justiz bis September observiert - danach wurde die Überwachung beendet. Die Suche nach dem Tunesier läuft weiter. Medienberichten zufolge hat er ein langes Vorstrafenregister.

SEK soll Berliner Moschee durchsucht haben

Die Ermittler fahnden derweil mit Hochdruck europaweit nach dem verdächtigen Tunesier. Der 24-Jährige sei "dringend tatverdächtig", schreiben Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt in ihrem öffentlichen Aufruf.

In Berlin Prenzlauer Berg und Kreuzberg fanden am Donnerstag mehrere Durchsuchungen statt. Nach rbb-Informationen wurde auch eine Moschee in Moabit durchsucht. Demnach soll der Verdächtige noch vor wenigen Tagen dort beobachtet worden sein. Die "Berliner Zeitung" berichtete, bei dem Einsatz gegen den Moschee-Verein "Fussilet 33" seien Blendgranaten benutzt und eine Tür aufgesprengt worden. Der Verein wird im jüngsten Bericht des Berliner Verfassungsschutzes als Treffpunkt von Islamisten geführt.

Auch in Nordrhein-Westfalen, unter anderem in einer Flüchtlingsunterkunft in Emmerich im Kreis Kleve, wo Amri zwischenzeitlich gelebt haben und offiziell gemeldet gewesen sein soll, gab es weitere Durchsuchungen.

Der zur Fahndung ausgeschriebene Tunesier ist laut einem Bericht der "New York Times" auch den US-Behörden bekannt. Er soll demnach auf den amerikanischen Flugverbotslisten geführt worden sein. Zudem habe er über den Internetdienst Telegram mindestens einmal mit dem IS direkt Kontakt aufgenommen und sich im Internet über den Bau von Sprengsätzen informiert.

Panne bei Ermittlungen?

Am Mittwoch sollen Fehler und Unstimmigkeiten bei den Ermittlungsbehörden dazu geführt haben, dass Hausdurchsuchungen in Berlin nicht wie geplant stattfinden konnten. Wie der rbb erfuhr, fanden Durchsuchungen in Kreuzberg und Prenzlauer Berg daher erst in den frühen Morgenstunden am Donnerstag statt.

Nach rbb-Informationen soll der Attentäter zudem auf der Flucht nicht nur seine Geldbörse mit diversen Dokumenten, sondern auch sein Handy verloren haben. Die Geldbörse habe man aber erst am Dienstag gefunden und nicht, wie mittlerweile einige Theorien nahe legen, direkt am Montag, als die Polizei noch einer anderen Spur nachging. Zunächst wurde nach einer Verfolgung durch einen Zeugen ein 23-jähriger Pakistaner festgenommen, am Dienstag aber wieder mangels Beweisen frei gelassen.

Haftstrafen in Italien und Tunesien

Ins Visier rückte seitdem der Tunesier Anis Amri, dessen Duldungspapiere am Tatort gefunden wurden. Bereits am Mittwochmittag hatte der NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) mitgeteilt, dass der Mann "verschiedenen Sicherheitsbehörden in Deutschland durch Kontakt zu einer radikalislamistischen Szene aufgefallen" war. Internationalen Medienberichten zufolge hat der Verdächtige zudem ein langes Vorstrafenregister. Er soll bereits in Italien und Tunesien zu langen Haftstrafen verurteilt worden sein.

Hintergrund

Ausweis als Visitenkarte?

Der Attentäter hat am Montag seine Ausweispapiere im Führerhaus des Lkw zurückgelassen. Experten gehen davon aus, dass dies möglicherweise passierte, um eine Art Visitenkarte zu hinterlassen. So hatten auch die Attentäter, die die Redaktionräume der Zeitung "Charlie Hebdo" in Paris gestürmt haben, einen Ausweis in einem Auto zurück gelassen. Auch nach den Anschlägen im November in Paris und in Nizza wurden Ausweise von Attentätern gefunden.

In Tunesien verhörten Ermittler nach einem Bericht der Zeitung "Al-Chourouk" die Familie des mutmaßlichen Attentäters in der nordöstlichen Provinz Kairouan, einer Salafisten-Hochburg. Die Familie habe ausgesagt, dass sie keinen steten Kontakt mit Anis Amri hatte, seitdem er das Haus Ende 2010 verlassen habe. Dem Bericht zufolge wurde er in Abwesenheit wegen Raubes zu fünf Jahren Haft verurteilt.

2011 kam er als Flüchtling nach Italien, wie die dortige Nachrichtenagentur Ansa berichtete, und wurde in einem Auffanglager auf Sizilien untergebracht. Weil er Sachbeschädigungen und "diverse Straftaten" beging, kam er demnach in Palermo vier Jahre ins Gefängnis. Nach Informationen der "Welt" wurde er wegen Gewalttaten, Brandstiftung, Körperverletzung und Diebstahls verurteilt. Mithäftlinge hätten ihn als gewalttätig beschrieben.

Im Frühjahr 2015 wurde Amri laut Ansa entlassen, konnte wegen Problemen mit den tunesischen Behörden aber nicht ausgewiesen werden. Er sei dann nach Deutschland weitergereist.

CSU-Politiker fordert längere Abschiebehaft

Hier wurde Anis Amri von der Berliner Justiz von März bis September ebenfalls observiert.

Schon im Sommer habe der abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden sollen, doch fehlten die dafür notwendigen Pass-Ersatzpapiere der tunesischen Behörden. Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer sagte deshalb dem rbb, dass der Fall Anis Amri zeige, wo die Defizite liegen: Das Aufenthaltsrecht und die Sicherheitsgesetze müssten verschärft werden.

Mayer forderte etwa mit Verweis auf den Tatverdächtigen aus Tunesien eine Verlängerung der Abschiebehaft. Die Abschiebehaft kann in Deutschland bislang bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann um höchstens zwölf Monate verlängert werden.

Außerdem müsse Tunesien zum sicheren Herkunftsland ernannt werden, appellierte Mayer an den Bundesrat.

Quelle: rbb

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