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Quelle: dpa/Michael Kappeler

Knapp ein Jahr nach Terroranschlag

Merkel besucht überraschend den Breitscheidplatz

Kurz vor dem Jahrestag des Terroranschlags am 19. Dezember hat Bundeskanzlerin Angela Merkel überraschend den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz besucht. Auch eine Blume legte sie nieder. Hinterbliebene der Opfer hatten sich Anfang Dezember bitter über Merkel beklagt.

Zur Überraschung von Weihnachtsmarkt-Gästen und Standbetreibern hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstagabend den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg besucht.

Vor knapp einem Jahr, am 19. Dezember 2016, war der islamistische Attentäter Anis Amri mit einem Lastwagen auf den Platz gerast und hatte insgesamt zwölf Menschen getötet und rund 70 verletzt. Vier Tage später wurde Amri auf der Flucht in Italien von Polizisten erschossen.

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Kanzlerin spricht mit Passanten und Budenbetreibern

Auf dem Weihnachtsmarkt unterhielt sich die CDU-Chefin mit Passanten, Besuchern und Budenbetreibern. Bei dem nicht angekündigten Besuch informierte sich Merkel auch bei Polizisten. An der Stelle des Anschlags, wo immer wieder Blumen abgelegt und Kerzen angezündet werden, verharrte Merkel zusammen mit dem Chef des Berliner Schaustellerverbandes, Michael Roden, und dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft City, Klaus-Jürgen Meier. Anschließend legten sie jeder eine weiße Rose nieder.

Am Stand "Berliner Weihnachtsterrasse" ließ sich die Kanzlerin einen alkoholfreien Glühwein einschenken. Beim Besitzer des Standes, Axel Kaiser, und seinen Mitarbeitern bedankte sie sich für ihren Einsatz vor einem Jahr. An Kaisers Stand wurden damals leicht verletzte Opfer versorgt. Kaiser berichtete, wie er Polizisten weinen sah. Den Besuch der Kanzlerin bezeichnete er als tolle Geste und Zeichen, dass der Weihnachtsmarkt sicher sei. Bei dem nicht angekündigten Besuch informierte sich Merkel auch bei Polizisten der mobilen Wache. Nach dem Attentat waren auf vielen Weihnachtsmärkten die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden.

Hinterbliebene beklagen mangelnde Anteilnahme

Hinterbliebene des Terroranschlags hatten sich Anfang Dezember über mangelnde Anteilnahme durch die Kanzlerin beklagt. Auch fast ein Jahr nach dem Anschlag habe ihnen die Kanzlerin weder persönlich noch schriftlich kondoliert. "Es ist eine Frage des Respekts, des Anstands und eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass Sie als Regierungschefin im Namen der Bundesregierung unseren Familien gegenüber den Verlust eines Familienangehörigen durch einen terroristischen Akt anerkennen", heißt es in einem offenen Brief, aus dem das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zitierte.

Ebenso warfen die Angehörigen der Bundesregierung Untätigkeit vor. Die Rede war von "mangelhafter Anti-Terror-Arbeit", die alarmierend sei. In einer Zeit, in der die Bedrohung durch Islamisten zugenommen habe, sei versäumt worden, "die Reformierung der wirren behördlichen Strukturen" voranzutreiben.

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Opfer-Beauftragter äußert Verständnis für Kritik

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Opfer des Anschlags, Kurt Beck (SPD), hat Verständnis für die Kritik geäußert. Die Angehörigen hätten ein Treffen mit Merkel erwartet, sagte Beck der Mittwochsausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". So hätten die Betroffenen jedoch das Gefühl, "dass ihr Opfer nicht ausreichend gewürdigt" worden sei.

Merkel wird in der kommenden Woche auch zur zentralen Gedenkveranstaltung erwartet. An dieser nimmt auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teil. Steinmeier wird bei der religionsübergreifenden Andacht am Morgen des 19. Dezember in der Gedächtniskirche direkt am Tatort sprechen. Merkel gehört nicht zu den Rednern.

Nach Aufdeckung von vielen Ermittlungspannen und Behördenversäumnissen scheint inzwischen klar zu sein, dass das Attentat hätte verhindert werden können. Wie jüngste Recherchen des rbb und der Berliner Morgenpost ergaben, soll Amri gezielt für den Anschlag angeworben worden sein.

Sendung: Inforadio, 12.12.2017, 20.40 Uhr

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