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Video: rbb24 Abendschau | 23.09.2022 | Quelle: IMAGO/YAY Images

Berlin streicht Zuschuss

Nachwuchs-Lehrkräfte stellen ihre Zukunft in Berlin infrage

Weil Berlin wieder verbeamtet, fällt ab 2023 die Zulage für Berufseinsteiger weg. 1.600 Euro wurden bislang gezahlt, um mehr Lehrer anzulocken. Am Samstag wollen viele Betroffene vor dem Roten Rathaus demonstrieren. Denn sie fühlen sich hintergangen. Von Helena Daehler

Anke kommt nach der letzten Stunde in ihrer Grundschule zu einem Café in einem Berliner Park. Sie trägt einen schwarzen Wintermantel, den sie auszieht, bevor sie sich in die Sonne setzt und spricht. Anke ist nicht ihr richtiger Name. Die Angst davor, bei ihrem Arbeitgeber negativ aufzufallen, ist zu groß. "Ich hab einen Job den ich so sehr liebe, dass ich da nicht weg will", betont sie. "Ich gehe jeden Tag mit ganz viel Freude zur Arbeit, und ich möchte hier bleiben - aber es wird mir halt einfach schwer gemacht. Für mich ist es nicht möglich, unter diesen Konditionen hier zu bleiben."

Mit "diesen Konditionen" meint Anke ihr Gehalt. Es ist einer von vielen Gründen, warum sie überhaupt nach Berlin gekommen ist, um Lehrerin zu sein.

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"Das wären 700 Euro weniger als versprochen"

Studiert hat sie fünf Jahre bis zum Master, in einem anderen Land. Dort machte, an ihrer Universität, Berlin Werbung: für den Lehrerinnen-Job in der deutschen Hauptstadt. "Das war ein Schreiben von Berlin mit den Vorteilen, die der Job mitbringen würde, und dem Gehalt, das man bekommen würde, wenn man in Berlin anfängt", erzählt sie. 3.400 Euro netto als Einstiegsgehalt. Das ist das Doppelte von dem, was sie in ihrer Heimatstadt bekommen hätte.

In Berlin muss Anke noch durch ein zwölfmonatiges Referendariat, obwohl sie vollständig ausgebildet ist, doch das nimmt sie hin. Im Januar 2023 wäre sie nun damit fertig - doch beim Geld sieht die Lage anders aus als erwartet. "Ich wäre dann mit meiner Erfahrungsstufe in Stufe 2, bei 2.700 Euro netto. Also 700 Euro weniger auf dem Konto als versprochen", rechnet sie vor.

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"Die tun alles Mögliche, um den Job unattraktiver zu machen"

Das mache sie wütend, sagt Anke, denn ihr gehe es auch um Wertschätzung: "Ich habe fünf Jahre dafür studiert, ich habe einen Masterabschluss und fühle mich gleich qualifiziert wie meine Kolleg:innen. Und die bekommen einfach 700 Euro mehr. Einfach so."

Weil Berlin künftig Lehrkräfte wieder verbeamtet, fällt ab Januar eine bisher gewährte Zulage von 1.600 Euro für neu angestellte Lehrkräfte weg. Martin Klesmann, Sprecher von Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse, begründet die Streichung der Zulage mit dem Systemwechsel Berlins zurück zur Verbeamtung von Lehrkräften. Die Tarifgemeinschaft der Länder habe das höhere Einstiegsgehalt von rund 5.800 Euro für neuangestellte Lehrerinnen und Lehrer nur gewährt, weil Berlin bislang als einziges Bundesland eben nicht verbeamtet hatte. Seit 2009 habe die Hauptstadt die Zulage ausnahmsweise zahlen dürfen, um die Wettbewerbsnachteile gegenüber den anderen Ländern zu kompensieren.

Allerdings: Wer nicht verbeamtet wird, beispielweise aus Gesundheits- oder Altersgründen, oder einfach weiter angestellt arbeiten möchte, guckt in die Röhre.

Anke ist enttäuscht und kann die Entscheidung mit Blick auf die Gesamtsituation der Berliner Schulen nicht nachvollziehen: "Die brauchen jeden einzelnen, der hier als Lehrer arbeiten möchte, und trotzdem tun die alles Mögliche, um den Job noch unattraktiver zu machen." Verbeamtet werden will sie aus mehreren Gründen nicht, unter anderem, weil sie auch damit weniger Geld kriege, als ihr damals versprochen wurde, so ihre Rechnung.

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Manche zieht es in andere Bundesländer

Auch andere Referendarinnen und Referendare hätten ihr in persönlichen Gesprächen gesagt, dass sie es sich jetzt nochmal überlegen würden, ob sie tatsächlich in Berlin bleiben, berichtet Anke. Auch sie selbst weiß das noch nicht. Manche Kolleg:innen, sagt sie, hätten schon gekündigt. Ihr Ziel: andere Bundesländer, in denen die Konditionen besser seien - und Versprechen eingehalten würden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 23. September 2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Helena Daehler

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