rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
Audio: rbb24 Inforadio | 10.09.2022 | Ingvar Jensen | Quelle: dpa/Carsten Koall

Zu spät, zu nachlässig

Experten kritisierten Ermittler in rbb-Affäre

Zwei Monate nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den rbb durchsucht die Generalstaatsanwaltschaft die Räume der Intendanz. Zu spät, sagen Strafrechtsexperten und kritisieren die Arbeit der Berliner Justiz. Von Gabi Probst

Bei den Ermittlungen in der rbb-Affäre hat die Generalstaatsanwalt Berlin nach Ansicht von Rechtsexperten viel zu spät gehandelt. Außerdem hätte die Generalstaatsanwaltschaft (GStA) die Ermittlungen ausweiten müssen, kritisieren sie.

Versäumnisse gibt es nach Ansicht der Experten unter anderem auch bei einem Vorgang, der die Juristische Direktion betrifft. Sie sehen einen Verdacht der Untreue gegen die Juristische Direktorin – hier hätte die Behörde schon längst von sich aus ermitteln müssen, also von Amts wegen.

Vergütung von Führungskräften

ARD-Spitzen wussten seit Jahren von rbb-Bonussystem

Der rbb hat die ARD früh über sein Bonussystem für Führungskräfte informiert. Das geht aus einem internen Schreiben hervor. Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow bestreitet, von den Boni gewusst zu haben. Vom rbb-Rechercheteam

Hintergrund ist der Fall eines freigestellten Managers, den der rbb enthüllt hatte. Bis heute belegt er eine Planstelle in der Juristischen Direktion. Nach rbb-Recherchen erhält er 700.000 Euro bis 2026, obwohl er de facto nicht mehr für den Sender arbeitet. Nicht nur die frühere rbb-Intendantin Patricia Schlesinger, auch die Juristische Direktorin hat ein entsprechendes "Vorruhestands-Angebot" für den damals 57-Jährigen unterschrieben.

Für Martin Heger, Prodekan der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität, besteht hier der Verdacht der Untreue. Nach rbb-Recherchen wurde dem Manager ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt. In diesem Fall, so Heger, würde "der Lohn an den ehemaligen Geschäftsführer 'verschenkt'". Das gelte vor allem dann, wenn die Freistellung über einen - wie hier - sehr langen Zeitraum läuft. "Wer trotz der Möglichkeit des Arbeitnehmers, eine Gegenleistung für das Unternehmen zu erbringen, dauerhaft darauf verzichtet und den Arbeitnehmer aber weiterbezahlt, bewirkt beim Arbeitgeber, also dem rbb, im Regelfall wissentlich einen erheblichen Vermögensschaden."

Dem stimmt auch Uwe Hellmann von der der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam zu. Hier liege eine "Treuepflichtverletzung" durch die ehemalige Intendantin und die Juristische Direktorin nahe, so Hellmann. Für Jürgen Keßler, Professor an der Berliner Hochschule für Wirtschaft, ist dies sogar eine mögliche Untreue "im besonders schweren Fall". "Der Fall ist absurd. Hier hätte schon längst die Staatsanwaltschaft ermitteln müssen, und zwar von Amts wegen", so Keßler.

rbb-Skandal

Die Intendantin und ihr Kontrolleur

Eigentlich sollte Wolf-Dieter Wolf als Verwaltungsratsvorsitzender die Arbeit von Patricia Schlesinger überwachen. Neue Dokumente zeigen, dass ihr Verhältnis so eng war, dass sie sogar zusammen verreisen wollten. Vom rbb-Rechercheteam*

Schleppende Ermittlungen

Aber nicht nur in diesem Punkt gebe es Versäumnisse der Generalstaatsanwaltschaft, kritisieren die Experten. Insgesamt sei die zögerliche Haltung der Ermittler nicht nachvollziehbar.

Bereits im Juni hatte der "Business Insider" erste Vorwürfe veröffentlicht. Die in Brandenburg für Korruption zuständige Staatsanwaltschaft Neuruppin sah wenig später einen Anfangsverdacht. Bei ihr war zudem eine Strafanzeige der brandenburgischen AfD-Fraktion eingegangen. Die Anzeige richtete sich gegen Schlesinger, ihren Ehemann, und den Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf. Die Strafanzeige wurde nach Berlin weitergeleitet, denn die Behörde dort ist zuständig. Der für Wirtschaftsdelikte zuständige Abteilungsleiter der Berliner Staatsanwaltschaft sah allerdings keinen Anfangsverdacht.

Diese Entscheidung sei nicht nachvollziehbar, sagt Hellmann: "Da die Hinweise und Vorwürfe in der Presse so präzise formuliert waren, hätte man hier durchaus einen Anfangsverdacht sehen und Anlass für Ermittlungen haben können. Schon von Amts wegen." Dem stimmt auch Heger zu: "Ich halte es für ein absolutes Unding, wie lax die Staatsanwaltschaft damit umgegangen ist", sagt er. "Spätestens nach der Strafanzeige hätten Ermittlungen eingeleitet und auch prozessuale Maßnahmen stattfinden müssen, wie Durchsuchungen. Durchsuchungen nicht nur, um das Verschwinden von Beweisen zu verhindern, sondern auch im Interesse des Beschuldigten. Ein Staatsanwalt muss auch nach entlastenden Beweisen schauen."

Am 9. August wird bekannt, dass auch Polizeipräsidentin Barbara Slowik bei einem der in Kritik stehenden Abendessen von Schlesinger dabei war. Kurz darauf, zwei Tage später, nimmt die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen auf gegen Schlesinger, ihren Mann und Wolf - nun doch von Amts wegen. Die Vorwürfe bleiben die gleichen. Aus Justizkreisen heißt es allerdings, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft so gesichtswahrend korrigiert werden sollte.

Abserviert für 700.000 Euro

Wie Schlesinger einen Manager kaltstellte

Als Intendantin servierte Patricia Schlesinger gemeinsam mit ihrer Chefjustiziarin beim rbb einen Medienmanager ab. Um ihn loszuwerden, muss der Sender ihm mehr als 700.000 Euro zahlen. Vom rbb-Rechercheteam*

Kooperativ statt konfrontativ

Die Generalstaatsanwaltschaft bat den rbb schriftlich, den Datenbestand der Intendanz und weiterer Abteilungen wie der Juristischen Direktion zu sichern und zur Verfügung zu stellen. Durch dieses Vorgehen steht seither der Verdacht im Raum, dass der rbb den "Datenbestand" selbst vorauswählen darf. Statt zeitnah zu durchsuchen und so Beweise selbst zu sichern, organisierte die Generalstaatsanwaltschaft eine Schaltkonferenz.

Teilnehmende waren Mitarbeiter der Kanzlei Abel und der Juristischen Direktion des rbb. Die Kanzlei Abel ist seit Juli mit einer internen Compliance-Untersuchung vom rbb beauftragt. Während der Schalte soll der beteiligte Staatsanwalt mit der Kanzlei verabredet haben, dass Ergebnisse und Unterlagen von der Kanzlei an die GStA übermittelt werden.

Bonuszahlungen

rbb-Spitze verschweigt wahre Höhe von Top-Gehältern

Der rbb bezahle keine Boni, diese Botschaft verbreitet das Top-Management des Senders seit dem Rücktritt der Intendantin. Interne Dokumente belegen nun, dass diese Darstellung nicht haltbar ist. Vom rbb-Rechercheteam

Dieser Vorgang entspreche nicht seinen Vorstellungen von Strafverfolgung, sagt Rechtsexperte Hellmann. "Diese Tendenz, dass Staatsanwaltschaften erst einmal das Ergebnis einer Compliance-Untersuchung abwarten oder sich komplett auf Anwaltskanzleien verlassen, habe ich in der Vergangenheit häufiger festgestellt. Ich halte das für falsch. Vor allem, wenn, wie in diesem Fall, diese Kanzlei noch vom rbb bezahlt wird. Eine Staatsanwaltschaft sollte sich von allem unabhängig ein Bild machen."

Die Generalstaatsanwaltschaft teilt auf Anfrage mit: "(...) die Fragen zu der Kooperation mit einer Anwaltskanzlei sind Teil eines offenen Ermittlungsverfahrens, weshalb hierzu derzeit keine Angaben gemacht werden."

Sendung: rbb24 Inforadio, 10.09.2022, 10:00 Uhr

Beitrag von Gabi Probst

Artikel im mobilen Angebot lesen