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Chronologie der Ereignisse in der Rigaer Straße

Räumungen, Proteste, Krawalle

Seit den 90er Jahren sind die Häuser in der Rigaer Straße besetzt. Beinahe ebenso lang kommt es immer wieder zu Krawallen, wenn ein neuer Eigentümer die Wohnungen räumen lassen will. Ein Kompromiss ist nach wie vor nicht in Sicht. Überblick über eine bewegte Geschichte.

Chronologie der Gewalt in der Rigaer Straße

Juni 1990

Autonome Linke besetzen das leerstehende Wohnhaus in der Rigaer Straße 94. Keine Ausnahme zu dieser Zeit: allein in der Rigaer Straße gibt es 12 besetzte Häuser, in ganz Berlin sind es mehr als 500.

1992

Mehrere Häuser im Friedrichshain sind inzwischen von der Polizei geräumt worden - oft verbunden mit gewalttätigen Straßenschlachten. Die Bewohner der Rigaer 94 handeln daraufhin mit der Wohnungsbaugenossenschaft reguläre Mietverträge aus.

1999

Das Haus wird verkauft. Der neue Eigentümer, die Lila GbR, plant Sanierungen und Neubauten. Die Mietverträge werden ein Jahr später fristlos gekündigt. Als sich die Bewohner trotz Klage weigern, auszuziehen, räumt die Polizei mehrfach Teile des Hauses. Meist werden sie kurz danach neu besetzt.

Mai 2002

Der Senat bietet ein Alternativobjekt in der Simplonstraße an, in das die Bewohner der Rigaer 94 umziehen sollen. Der Einigungsvertrag, den sie drei Tage später unterzeichnen, ist allerdings danach umstritten. In Kraft tritt er nicht.

Mai 2003

Ein Hubschrauber kreist über dem Kiez, in den Straßen stehen Wasserwerfer. Mit Unterstützung durch das SEK stürmen Polizisten das Haus durch die Eingangstür und über das Dach. Fünf Wohnungen werden geräumt. Die Bewohner beklagen danach Sachbeschädigungen durch die Polizei und den Eigentümer.

2. Februar 2011

In unmittelbarer Nachbarschaft der Rigaer Straße räumen 2.500 Polizisten ein besetztes Haus in der Liebigstraße 14. Dabei wird das Haus verwüstet und mehr als 60 Polizisten verletzt. Spontan kommt es zu Gegendemonstrationen linker Sympathisanten des Wohnprojekts. Bereits in den Tagen zuvor hatten die Bewohner gegen die Räumung mobil gemacht, bei Krawallen waren 40 Polizisten verletzt worden.

August 2013

Bewohner der Rigaer Straße sollen an einem Angriff auf ein Jobcenter beteiligt gewesen sein. Polizei und SEK führen daher eine Großrazzia in insgesamt acht besetzten Häusern durch. Die Beamten stellen Stacheldraht und Brandsätze sicher.

Ende 2014

Erneut wechselt das Haus den Besitzer. Eigentümer ist jetzt ein Investmentfonds auf den britischen Jungferninseln.

21. März 2015

20 Linksextreme nutzen einen großflächigen Stromausfall in Friedrichshain, um in der Rigaer Straße einen Lidl-Markt zu plündern und Barrikaden anzuzünden. Drei Einsatzwagen der Polizei werden durch Steinwürfe beschädigt, ein Pflasterstein, der die Seitenscheibe eines Streifenwagens durchschlägt, verletzt einen Polizisten an Arm und Auge.

Juli 2015

Bei einer "Langen Woche der Rigaer Straße", veranstaltet durch Linksautonome, kommt es immer wieder zu Gewaltausbrüchen. Bei einem Neubauprojekt werden Baumaterialen angezündet, Unbekannte werfen von Hausdächern Steine auf einen Streifenwagen, Besucher einer linken Kneipe Barhocker auf Polizisten. Die Polizei setzt 500 Polizisten und einen Hubschrauber ein und nimmt 10 Personen fest. Innensenator Henkel sagte im Vorfeld, er sehe der Aktionswoche gelassen entgegen. SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber fordert im Anschluss, eine Sonderermittlungsgruppe "Rigaer Straße" einzurichten.

4. September 2015

Polizisten in einem Streifenwagen werden gegen 2 Uhr nachts in der Rigaer Straße von Autonomen angegriffen, die von Hausdächern rund 30 Pflastersteine auf den Wagen werfen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wirft Innensenator Henkel anschließend Tatenlosigkeit vor, weil die Warnung eines Anwohners, der die Personen auf den Dächern gesehen hatte, nicht an den Streifenwagen weiter geleitet worden sein soll.

14. September 2015

40 Neonazis marschieren in der Rigaer Straße auf und liefern sich Schlägereien mit Autonomen. Flaschen und Steine fliegen, auch mit Holzlatten gehen die Kontrahenten aufeinander los, ein Mann wird verletzt. Die Polizei nimmt 44 Personen fest.

3. Oktober 2015

Auf der Rigaer Straße setzen Autonome ein Toilettenhäuschen, Baumaterial und zwei Papiercontainer in Brand. Die eintreffenden Polizisten werden von den umliegenden Hausdächern mit Steinen und Pyrotechnik beworfen, zwei geparkte Autos werden durch herabgeworfene Gehwegplatten beschädigt. Innensenator Henkel beauftragt den Polizeipräsidenten, die Polizeipräsenz im Kiez zu erhöhen. Kurz darauf erklärt die Polizei die Gegend zu einem kriminalitätsbelasteten Ort, an dem Polizisten auch ohne Anlass Personen kontrollieren können.

29. November 2015

Nahe der Rigaer Straße zünden Unbekannte einen Porsche Cayenne an, in der Rigaer Straße selbst werden zudem die Scheiben eines Mercedes, eines BMW und eines Audi zerstört. Die Polizei rückt mit einer Hundertschaft an und kontrolliert zahlreiche Personen. Nach einer Festnahme versuchen Autonome mit Gewalt, den Festgenommenen zu befreien. Von den Dächern an der Rigaer Straße fliegen Böller und Raketen auf die Polizei. Die Polizeiführung versucht in der Folge mit verstärkten Personenkontrollen, Präsenz in der Rigaer Straße zu zeigen.

9. - 13. Dezember 2015

In einer Tiefgarage eines Neubaus in der Rigaer Straße zünden Unbekannte am 9. Dezember einen Mercedes an. Die Flammen beschädigen 18 weitere Autos. Vier Tage später stecken Unbekannte erneut ein Auto an.

13. Januar 2016

An der Rigaer Straße wird ein Streifenpolizist angegriffen. Die vier Täter flüchten in die Rigaer 94. Daraufhin stürmt die Polizei zweimal das Haus. Über 500 Beamte dabei sind im Einsatz. Der Einsatz ist umstritten und beschäftigt auch das Berliner Abgeordnetenhaus.

22. Juni 2016

Bauarbeiter räumen Teile des Hauses. Begleitet werden sie von 300 Polizisten. Es werden Fahrräder, Feuerlöscher aber auch Waffen sichergestellt. Seither brennen beinahe jede Nacht Autos in Berlin.

Juli 2016

Es kommt zu Demonstrationen: Zum Teil verlaufen die Proteste friedlich, aber es kommt auch zu schweren Ausschreitungen. Etwa 120 Polizisten werden Anfang Juli verletzt. Innensenator Henkel verurteilt die Gewalt und lehnt ein Gesprächsangebot der Bewohner ab.

Zudem bekommt die Lage neuen Zündstoff: Das Berliner Landgericht erklärt die Teilräumung des Hauses für rechtswidrig. Die ehemaligen Nutzer kehren darauhin in die Rigaer Straße 94 zurück. Ein neuer Anwalt des Hauseigentümers legt gegen das Urteil Einspruch ein und Innensenator Henkel verteidigt den Polizeischutz der Bauarbeiter nach wie vor.

Beitrag von Martin Adam

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