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Quelle: dpa/Jörg Carstensen

Corona-Kommunikation

Die frustrierende Informationspolitik der Berliner Gesundheitsverwaltung

In Krisenzeiten muss Politik zuverlässig und zeitnah informieren, um glaubwürdig zu sein. Bei der Berliner Gesundheitsverwaltung fließen Informationen allerdings zäh und äußerst spärlich - egal ob an die Presse oder an Mitarbeiter, die gegen die Pandemie kämpfen. Von Sabine Müller

Die Politik spricht gerne von bedauerlichen Einzelfällen, wenn in Kommunikation oder Organisation etwas schief läuft. Allerdings setzen sich solche Einzelfälle oft zu einem unschönen Gesamtbild zusammen.

Mittwochnachmittag in dieser Woche, die Gesundheitsverwaltung hat gerade bekannt gegeben, worauf sehr viele Menschen lange gewartet haben: Es gibt endlich ein Verfahren, wie chronisch kranke Privatversicherte an einen Corona-Impftermin kommen sollen. In der Pressemitteilung klingt alles ganz einfach. Man ruft die Hotline 030 9028 2200 an, teilt dort seine persönlichen Daten mit und bekommt dann ein Einladungsschreiben mit Impfcode zugeschickt. Damit soll man dann einen Impftermin buchen können. Soweit die Theorie.

Enttäuschte Termin-Hoffnungen

In der Praxis funktioniert das am Mittwoch allerdings überhaupt nicht. Bei der Hotline kennt niemand dieses neue Verfahren. Ein leitender Mitarbeiter bittet, man möge in zwei bis drei Tagen nochmal anrufen. Erfahrungsgemäß dauere es immer, bis solche Informationen bei der Hotline ankämen. Aus der Gesundheitsverwaltung heißt es dazu nur, die entsprechenden Schulungen liefen. Zurück bleiben enttäuschte und empörte Bürger*innen.

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Mauern bei unerwünschten Nachfragen

Wenn der Gesundheitsverwaltung Fragen von Journalist*innen zu einem Thema nicht passen, mauert sie gerne erstmal komplett. Ausführliche Fragenkataloge werden manchmal mit einem einzigen Satz beantwortet und kritische Nachfragen verbittet die Behörde sich. Aktuell war das zu beobachten bei der 21Dx GmbH, deren Rolle schon länger umstritten ist. Konkurrenzfirmen werfen der Gesundheitsverwaltung vor, sie habe rechtswidrig Aufträge ohne Ausschreibung direkt an 21Dx vergeben, etwa den Aufbau der Teststellen für Lehrkräfte.

Nun ist die Firma auch noch beauftragt worden, bei der Zulassung weiterer Teststellen zu helfen. Anstatt die Zertifizierung direkt über die Gesundheitsämter abzuwickeln, wie es etwa in Brandenburg geschieht, hat die Berliner Gesundheitsverwaltung 21Dx im Verfahren zwischengeschaltet. Wenn sich zum Beispiel eine Apotheke als Teststelle zertifizieren lassen will, muss sie ihre Unterlagen über eine spezielle Webseite an die Firma schicken, wo sie gesichtet werden. Die Zertifizierung übernimmt dann die Senatsverwaltung.

Die Pressestelle reagiert nach mehr als 20 Stunden - und beantwortet nicht die Frage

Das stößt zum Beispiel Nils Heiliger, der mit seiner Frau zwei Apotheken in Berlin und Potsdam betreibt, sauer auf. Heiliger vermutet, 21Dx habe gar kein Interesse an einer schnellen Bearbeitung der Unterlagen, schließlich verliere die Firma dann einen Teil ihres lukrativen Test-Geschäfts an andere Anbieter.

Nachfrage in der Pressestelle: Ist es nicht seltsam, dass ein Unternehmen, das selbst im Testgeschäft ist, bei der Verifizierung anderer Anbieter, also potentieller Konkurrenten, hilft? Die Pressestelle reagiert erst nach mehr als 20 Stunden, beantwortet zwar nicht die eigentliche Frage, aber schickt Zahlen, um zu belegen, dass die Anmeldung sehr wohl schnell vonstattengehe.

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Wenn Gesundheitssprecher Quiske über die Impfzahlen redet, sprechen Kritiker von "Moritz' Märchenstunde"

Ein weiterer Punkt, mit dem das Haus viel Kopfschütteln auslöst, ist ihr Umgang mit den Impfzahlen. SPD-Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci betont immer wieder, es gebe in Berlin keinen "Impfberg" aus ungenutzten Dosen des Impfstoffs von Astrazeneca. Sie und ihr Sprecher Moritz Quiske rechnen immer wieder vor, wie viel Dosen geliefert wurden und wie viele schon disponiert sind, also entweder schon verimpft oder konkret verplant.

Nur stimmen diese Zahlen so? Menschen, die mit dem Impfbetrieb in Berlin vertraut sind, werfen der Verwaltung vor, sie jongliere auf unseriöse Weise mit den Zahlen zum Impfstoffvorrat und den disponierten Mengen, um das tatsächliche Ausmaß das "Impfbergs" zu verschleiern. Da würden zum Beispiel angekommene Impflieferungen erst spät ins System eingebucht, damit die Gesamtrechnung aus gelieferten und disponierten Impfdosen besser klingt. Wenn Gesundheitssprecher Quiske über die Impfzahlen redet, sprechen Kritiker von "Moritz‘ Märchenstunde".

Amtsärzte unzufrieden mit Kommunikationsfluss

Nicht nur Bürger*innen, Firmen und Presse haben Probleme mit der Gesundheitsverwaltung, auch aus den Reihen der Gesundheitsämter kommt scharfe Kritik an der Kommunikations- und Informationspolitik. Der Umgangston sei oft arrogant, respektlos und unhöflich, heißt es von Leuten, die nicht namentlich genannt werden wollen, weil sie ja weiter mit der Verwaltung zusammenarbeiten müssen.

Den Informationsfluss bezeichnen sie als extrem schwierig, als Amtsarzt bekomme man mehr Informationen aus den Medien als aus der Gesundheitsverwaltung. Dabei sei gute Kommunikation gerade in diese Zeiten doch das A und O. Ein Amtsarzt zieht das bittere Fazit: "Es gibt einfach niemanden in der Senatsverwaltung, der weiß, wie man professionell kommuniziert."

Beitrag von Sabine Müller

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