Hilfe bei Kontaktverfolgung - Was die Luca-App in der Corona-Pandemie leisten kann - und was nicht
Eine sofortige Entlastung der Gesundheitsämter verspricht die App Luca. Sie soll in der Pandemie die Kontaktverfolgung erleichtern. Auch die Berliner Regierung zeigt Interesse. Kritiker bemängeln fehlende Transparenz.
Schritt für Schritt sollen die Menschen aus dem langen Corona-Lockdown herauskommen - das sieht der Stufenplan von Bund und Ländern vor. Helfen könnte dabei eine Smartphone-App zur "Kontaktnachverfolgung insbesondere für Besuche von Veranstaltungen, von Außengastronomie und Ähnlichem", wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte. Sie soll bundeseinheitlich ausgewählt werden. Eine Entscheidung für eine bestimmte App gibt es noch nicht.
Als Beispiel nannte die Kanzlerin die Smartphone-Anwendung Luca, die vereinzelt bereits in manchen Bundesländern zum Einsatz kommt. Mecklenburg-Vorpommern kündigte am Mittwoch als erstes Bundesland an, Luca flächendeckend nutzen zu wollen.
Auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sprach sich am Mittwoch für die Einführung in Berlin aus. "Zusätzlich zu Schnelltests und mehr Tempo beim Impfen brauchen wir die digitale Kontakt-Nachverfolgung bei den Gesundheitsämtern", sagte Pop am Mittwoch. "Hierbei kann die Luca-App helfen. Es wird Zeit, dass wir sie auch in Berlin nutzen." Gesundheitssenatorin Kalayci befürwortet laut eines Sprechers ebenfalls die Einführung der App. Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) hatte bereits am Dienstag aus der Sitzung des Berliner Senats berichtet, der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) habe sich ebenfalls positiv über die Luca-App geäußert.
Wer steckt hinter Luca?
Entwickelt wurde die App von den drei Berlinern Philipp Berger, Marcus Trojan und Patrick Hennig. Ihr Start-up Nexenio ist eine Ausgründung des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam, unterstützt werden sie von Kulturschaffenden wie Smudo von der Band "Die Fantastischen Vier". Zudem ist die Bundesdruckerei an dem Projekt beteiligt.
Die App ist für den Zeitpunkt entwickelt worden, wenn Gastronomie, Kultur oder Sport wieder für Publikum geöffnet werden - laut aktuellem Stufenplan der Bundesregierung soll das bei einer Inzidenz unter 100 möglich werden, je nach Infektionslage mit strengen Hygienevorschriften.
Wie funktioniert die App?
Mit der Luca-App können Besucher*innen eines Cafés, eines Restaurants, einer Kulturveranstaltung oder eines Fußballspiels digital einchecken und ihre Kontaktdaten hinterlassen. Im Fall einer bestätigten Corona-Infektion werden die Daten mit einem Gesundheitsamt ausgetauscht. Anhand der Aufenthaltsorte der letzten 14 Tage kann das Gesundheitsamt dann die Veranstaltungsorte kontaktieren und auch sie um eine Freigabe der verknüpften Datensätze bitten. So soll das Gesundheitsamt dann alle anderen Nutzer*innen warnen, die etwa zusammen mit dem Infizierten im Restaurant waren.
Als Beispiel: Statt in jedem Restaurant seinen Namen und seine Adresse auf einen Zettel zu schreiben, den der Wirt dann für eine mögliche Kontaktnachverfolgung aufheben und im Infektionsfall an das Gesundheitsamt übergeben muss, können die Nutzer*innen der App mit wenigen Klicks ihren Besuch im Restaurant dokumentieren. Dazu geben sie ihre Daten zunächst in die App ein - hier muss für die Registrierung eine korrekte Rufnummer eingegeben werden. Das zeigt zumindest schonmal einen Vorteil zur geschriebenen Kontaktliste, wo im vergangenen Jahr häufig falsche Namen eingegeben wurden. Bei einem Besuch in einem Restaurant scannen die Nutzer*innen am Eingang nun einen QR-Code ein. Wenn sie das Restaurant wieder verlassen, checken sie aktiv oder über die Ortungsfunktion ihres Handys automatisch wieder aus.
Auch private Treffen können mit der Luca-App dokumentiert werden. Dazu können in der App QR-Codes generiert und mit denen von Freunden und Familie verknüpft werden.
Die App ist für iOS und Android verfügbar und bislang für die Nutzer*innen kostenlos.
Wie steht es um die Datensicherheit?
Die Daten werden nach Angaben der Entwickler verschlüsselt gespeichert. Von Betreibern und Veranstaltern können sie nicht eingesehen werden, wie es auf der Internetseite der Entwickler heißt. "Dein QR-Code kann nur vom Gesundheitsamt gelesen werden, und auch nur, um Infektionsketten zurückzuverfolgen. Veranstalter oder andere Personen können deinen QR-Code niemals entschlüsseln, lesen, oder etwas anderes damit anfangen", betonen die Entwickler [tagesschau.de].
Erst wenn ein Infektionsfall auftritt, könne das Gesundheitsamt demnach die Nutzer*innen um eine Freigabe ihrer Daten bitten. Nutzer*innen können bei einer eigenen Infektion auch die Daten aus der Luca-App an die Gesundheitsämter übermitteln, sodass die Ämter sehen können, in welchen Geschäften oder anderen Läden die Person war, die entsprechenden Lokalitäten informieren und gegebenenfalls deren Datensätze anfragen.
Die Daten werden laut Selbstbeschreibung der App auf deutschen Servern verschlüsselt gespeichert und nach 30 Tagen gelöscht.
Was sagen Kritiker?
Wettbewerber von Luca und Open-Source-Aktivisten kritisieren die App, unter anderem weil sie nicht quelloffen entwickelt wurde. Im Gespräch mit rbb|24 sagt Markus Beckedahl, Chefredakteur von "netzpolitik.org", dass es ein Problem sei, wenn man einer App vertrauen soll, die nicht öffentlich einsehbar ist. "Gerade bei sensiblen Gesundheitsdaten muss der Anspruch sein, dass es transparent gemacht wird."
Beckedahl wolle zwar nicht die App-Betreiber an sich kritisieren, auch wenn er der Meinung ist, dass es neben Luca bereits viele weitere Apps für eine digitale Kontaktverfolgung gebe, die nur nicht so viel Beachtung fänden, "weil sie nicht mit einem Rapper werben". Er sehe es vielmehr als "Versagen der Politik" an, dass die Bundesregierung es versäumt habe, bei der bereits existierenden Corona-Warn-App entsprechende Funktionen hinzuzufügen. "Die Clustererkennung hätte dort auch integriert werden können. Nun muss man auf private Anbieter zurückgreifen", so Beckedahl. Zudem weist er darauf hin, dass die App nur dann Sinn mache, wenn die Gesundheitsämter auch wirklich digitalisiert arbeiten. Das sei noch nicht überall der Fall.
Die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg (Linke) sprach in Bezug auf das Interesse einiger Bundesländer an der Luca-App bei Twitter von "irritierendem Aktionismus". Sie würden "möglicherweise dem Irrglauben erliegen, eine App könne ihre Organisationsprobleme lösen", so Domscheit-Berg. Sie halte die Cluster-Erkennung bei Events oder in Restaurants zwar auch für relevant, allerdings hätte sie sich diese als Zusatzfunktion bei der Corona-Warn-App gewünscht: "Dort macht sie Sinn, denn die App ist bereits 26 Mio. Mal auf Smartphones installiert."
Am Donnerstagabend kündigten die Entwickler der Luca-App auf Twitter an, dass sie den Quellcode der App bis Ende März veröffentlichen wollen.
Was unterscheidet Luca von der Corona-Warn-App des Bundes?
Während die Corona-Warn-App des Bundes komplett anonym funktioniert, werden bei Luca personenbezogene Daten wie Name, Telefonnummer und Adresse hinterlegt. Die Corona-Warn-App ist auf die Mitarbeit der Nutzerinnen und Nutzer angewiesen: Werden positive Testergebnisse nicht eingetragen, können eventuelle Kontakte auch nicht gewarnt werden. Bei der Luca-App sollen die registrierten Nutzerinnen und Nutzer anhand der übermittelten Daten ans Gesundheitsamt gewarnt werden.
Nach Angaben der Macher soll die Luca-App die Corona-Warn-App des Bundes nicht ersetzen, sondern ergänzen, indem sie die Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter vereinfacht. "Ich bin davon überzeugt, dass Luca uns in Kombination mit Testungen, der Corona-App und den AHA-Regeln in ein immer normaleres Leben führen wird", sagte Smudo der Deutschen Presse-Agentur. "Für uns ist das eine reelle Öffnungsstrategie."
Sendung: Radioeins, 10.03.2021, 10:40 Uhr