Brandenburg
Viele Hausärzte haben erst im Januar neue Impftermine, die Schlangen vor den Impfstellen in Brandenburg werden länger. Der Forderung nach neuen Impfzentren kommt die Landesregierung jedoch nicht nach. Die Landkreise werden selbst aktiv. Von S. Teistler
Ein lange Warteschlange hat sich vor einer Turnhalle in Potsdam gebildet. Die Stadt betreibt hier eine mobile Impfstelle. Viele der Wartenden werden heute vier Stunden angestanden haben, bis sie mit der Impfung im Arm wieder nach Hause gehen können. 250 Impfungen am Tag können hier verabreicht werden. Schon gegen Mittag ist abzusehen, dass das nicht reichen wird.
So wie in Potsdam sieht es gerade in vielen Regionen Brandenburgs aus: Schlangen vor Impfbussen, lange Wartezeiten für einen Impftermin beim Hausarzt. Manche gehen gleich nach Berlin ins Impfzentrum, weil in Brandenburg kein Termin zu kriegen ist.
Die Zahl der Corona-Infektionen steigt und mit ihnen auch die der Krankenhaus-Einweisungen. Eigentlich ist man sich einig: Das Impfen ist der Ausweg aus der Misere, überall im Land wird für Impfungen geworben und zum Boostern aufgerufen. Darauf, dass die Nachfrage nach den Impfungen steigt, scheint Brandenburg allerdings nicht vorbereitet zu sein.
"Man kann 2G nicht einführen und man kann nicht zu Booster-Impfungen aufrufen, ohne tatsächlich für Impfkapazitäten zu sorgen", kritisiert der Fraktionsvorsitzende der Linken, Sebastian Walter. Auch die Freien Wähler sehen darin ein Versäumnis. Ihr Fraktionsvorsitzender Péter Vida meint, jetzt räche sich, dass man die Impfkapazitäten über den Sommer zurückgefahren habe. "Insbesondere wenn es um die Drittimpfung für die Älteren geht, haben wir jetzt ein Problem. Die Hausarztpraxen kommen damit nicht hinterher."
Mit den zurückgefahrenen Impfkapazitäten sind die Landesimpfzentren gemeint. Deren Verträge liefen Ende September aus, die Zentren gingen vom Netz. Hauptargument war damals die Forderung der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB), den Hausärztinnen und Hausärzten das Impfen zu überlassen. Die Praxen seien in der Fläche des Landes erreichbar und das Impfen eines ihrer Kernkompetenzen.
Peter Noack, Vorsitzender der KVBB, bleibt dabei: Die Impfzentren wieder hochzufahren, sei nicht nötig. Auch weil es allein vier bis sechs Wochen dauern würde, sie wieder ans Netz zu holen. Die Hausärzte, so Noack, hätten genügend Kapazitäten. Derzeit seien rund 1.400 von ihnen an der Impfkampagne im Land beteiligt.
Allerdings sieht auch Noack, dass die Kapazitäten der Praxen derzeit an ihre Grenzen stoßen. Die KVBB versuche deshalb, noch mehr Ärzte und Ärztinnen für das Impfen zu werben oder sie etwa davon zu überzeugen, auch Impfungen am Wochenende anzubieten.
Bei der Landesregierung stand das Thema am Dienstag beim Impfkabinett auf dem Plan. Weiter einig sei man sich in dem Ziel, die Impfbereitschaft unter den Brandenburgerinnen und Brandenburgern zu steigern. Am Freitag komme man deshalb mit allen Beteiligten zu einem Impfgipfel zusammen, so Gesundheitsstaatssekretär Michael Ranft.
Die Impfangebote in den Arztpraxen und an mobilen Impfstellen sollen dabei ausgeweitet werden. Man wolle dafür sorgen, dass mehr Menschen ihre Erst- und Zweitimpfung bekommen, und auch die Auffrischungsimpfung die Menschen schnell erreich, so Ranft. Wie das gelingen soll, konnte er jedoch noch nicht sagen. Die erste Anlaufstelle für das Impfen seien aber nach wie vor die Arztpraxen. "Ich appelliere da ein bisschen zu Geduld. Es ist eine Herkulesaufgabe, die man nur gemeinsam bewältigen kann."
Währenddessen werden die meisten Landkreise und kreisfreien Städte selbst tätig, um die Lücken im Impfangebot zu schließen. Viele Kommunen bieten zusätzliche Impftage an, schicken ihre Impfbusse übers Land oder haben mit den örtlichen Krankenhäusern Impftermine organisiert. Potsdam und Cottbus wollen sogar dauerhafte Impfstellen einrichten - eine Art Mini-Impfzentrum.
Der Geschäftsführer des Landreistags, Paul-Peter Humpert, sieht in diesen regionalen Lösungen genau den richtigen Weg. Zwar hätten sich auch die Kommunen darauf verlassen, dass die KVBB und ihre Mitglieder das Impfen wie angekündigt selbst schaffen können. "Das ist auch immer noch ein ganz wesentlicher Bestandteil, um die Impfungen zu realisieren. Hinzukommen muss aber ein ergänzendes Angebot, das ist wohl unstreitig."
Der Barnimer Landrat Daniel Kurth (SPD) formuliert es deutlicher: "Es war die Verabredung und Forderung der niedergelassenen Ärzteschaft, dass das Impfen in den Regelbetrieb übergeht. Jetzt werden wir überrannt mit Anforderungen, warum wir Landkreise nicht zusätzliche Angebote machen." Alles, was die Landkreise nun machen könnten, seien zusätzliche Angebote. "Zusätzlich zu einem System, was es nicht schafft. Dafür sind wir eigentlich nicht zuständig."
Zentrale Landesimpfzentren wieder aufzubauen, hält Paul-Peter Humpert vom Landkreistag dennoch nicht für sinnvoll. Die Nachfrage in den Kreisen und Regionen sei unterschiedlich, deshalb reagierten die Kreise jetzt auch dezentral darauf. Für sie sei es jetzt wichtig, Ärzteteams zu gewinnen. "Da gibt es einen großen personellen Engpass." Vom Land erwartet Humpert, dass die Bemühungen der Landkreise am Ende auch finanziert werden. Das hat die Landesregierung inzwischen zugesagt.
Die Stadt betreibt bereits eine Impfstelle von Montag bis Freitag. Gemeinsam mit dem DRK richtet sie in dieser Woche eine weitere Impfstelle ein, die an mehreren Tagen die Woche geöffnet ist. Ein Termin muss vorher gebucht werden. Auch eine dritte Impfstelle - ohne Terminanmeldung - werde im nördlichen Stadtgebiet geplant
Die Stadt Cottbus prüft zurzeit ein zusätzliches Angebot. Mehrere Ideen werden besprochen, auch ein Impfbus wird nicht ausgeschlossen, sagte ein Sprecher dem rbb. Die Reaktivierung des Impfzentrums in den Cottbusser Messehallen sei nicht vorgesehen. Die Einrichtung eines Impfzentrums an anderer Stelle sei eine Option. Finanzierung und Logistik müssten noch geklärt werden.
Der Landkreis organisiert zusätzliche Impfungen mit mobilen Impfteams. Gemeinsam mit den Oberhavelkliniken habe man Impf-Möglichkeiten eingerichtet, für die man telefonisch einen Termin vereinbaren kann. Außerdem habe der Landkreis mit den Kommunen Impftermine für die kommenden zwei Wochen vereinbart.
Der Landkreis Oder-Spree hat eine Impfstelle vor dem Landratsamt in Beeskow eingerichtet. Jeden Samstag können sich Interessierte dort impfen lassen. Mehr Impfangebote, wie kommunale Impftage, plant der Landkreis aber aktuell nicht, so der stellvertretende Kreissprecher. Die personelle Kapazität sei dafür nicht vorhanden. Der Landkreis würde die Einrichtung eines Impfzentrums im Kreis begrüßen. Die Entscheidung dazu müsste aber vom Land kommen.
Die Stadt Potsdam will wieder eine eigene Impfstelle aufbauen. Laut eines Sprechers laufen die Vorbereitungen bereits. Das stadteigene Impfzentrum soll den Impf-Regelbetrieb bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten unterstützen. Die Stadt bietet außerdem mobile Impftage an.
Der Landkreis hat das Gesundheitsamt als Impfstelle zugelassen. Um zusätzliche Impfärzte zu akquirieren, sei man mit der KVBB und der Landesregierung im Gespräch, so Landrätin Kornelia Wehlan. Außerdem gehe der Standort Ludwigsfelde wieder ans Impfnetz. Darüber hinaus unterstütze der Landkreis Initiativen überregionaler Praxiseinrichtungen, die über ihr Patientenklientel hinaus öffentliche Impfungen anbieten, wie etwa in Großbeeren.
Die Uckermark setzt wieder verstärkt auf den Impfbus und den Einsatz mobiler Impfteams. Da vor allem ältere oder eingeschränkte Menschen im ländlichen Raum auf mobile Angebote angewiesen seien, setze die Uckermark auf die mobilen Impfteams, so der Gesundheitsdezernent des Kreises. Die Kreisverwaltung erarbeite derzeit gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) und den Kommunen ein Konzept, um ab kommender Woche wieder feste Impftermine in Angermünde, Prenzlau, Schwedt und Templin anbieten zu können.
Sendung: Brandenburg aktuell, 16.11.2021, 19:30 Uhr
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