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Audio: rbb24 Inforadio | 01.07.2022 | Jakob Rüger | Quelle: imago images/Matthias Koch

Interview | Hertha-Präsident Kay Bernstein

"Man sieht das große Monster der Erwartung auf einen zukommen"

Kay Bernstein ist der neue Präsident von Hertha BSC und der erste ehemalige aktive Ultra, der an der Spitze eines Bundesligavereins steht. Im Interview spricht der 41-Jährige über seine ersten Tage im Amt und die kommenden Aufgaben.

rbb: Herr Bernstein, als Sie am Sonntag zum neuen Präsidenten von Hertha BSC gewählt wurden mussten Sie ein paar Mal durchpusten und sagten im Anschluss, Sie hätten noch nicht wirklich realisiert, was da gerade passiert ist. Ist es mittlerweile angekommen und konnten sie es verarbeiten?

Kay Bernstein: Mittlerweile ist es angekommen. Der Sonntag war noch sehr surreal und diffus und man fragt sich, ob man jetzt in ein schwarzes Loch fällt. Das war die Arbeit der letzten Monate. Wir haben ja nicht in der letzten Woche, sondern im März oder April angefangen, und haben uns Gedanken gemacht, mit Verein und Fans kommuniziert und unsere inhaltliche Idee skizziert und nach außen getragen. Von daher ist jetzt eher die Anspannung abgefallen und man sackt so ein bisschen in ein Loch, sieht aber auf der anderen Seite schon das große Monster der Erwartung auf einen zu kommen. Da musste ich dann Luft holen, schlafen gehen und versuchen runterzukommen. Der Montag war dann immer noch nicht gut, weil es natürlich genau so diffus war. Abends wurde dann schon leicht priorisiert und ein Plan gemacht. Seit Dienstag bin ich im Projektmanagement-Modus, mir der Prioritäten und Aufgabe klar und im Amt angekommen. Die Fußstapfen sind groß, aber ich gebe mein Bestes, dass meine kleinen Füße mit Größe 42 da vernünftig reinpassen.

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Kay Bernstein ist neuer Präsident von Hertha BSC. Bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung setzte er sich gegen den CDU-Politiker Frank Steffel durch. Der ehemalige Ultra Bernstein fordert nichts Geringeres als einen Kulturwandel. Von Till Oppermann

Was war denn nach der Wahl am Sonntag in Ihrem Handy und Mail-Postfach los?

Ich glaube, es sind in der Summe über 2.500 Glückwünsche. Ich habe den Anspruch, jedem Danke zu sagen und jeden an der Aufbruchstimmung, die wir hier in Berlin verspüren, teilhaben zu lassen. Es wird bestimmt noch zehn Tage dauern, aber ich werde allen antworten.

Wenn Sie sagen, Sie wollen alle Nachrichten beantworten, spiegelt das ja auch wider, was Sie während der Wahlkampfphase immer gesagt haben: Kommunikation ist Ihnen wichtig. Sie sprechen auch immer davon, dass es einen Burgfrieden und Zusammenhalt geben soll. Wie soll das gelingen?

Auf unterschiedlichen Ebenen. Ich war am Montag und Dienstag gleich bei der Mitgliederbetreuung und habe mich nach dem Stand der Neuanmeldungen und Austrittsgesuche erkundigt. Dienstag hatten wir dann zehn Austrittsgesuche und 150 Neuanmeldungen. Da habe ich nach der Liste der Austrittswilligen gefragt. Ich will mit denen sprechen und verstehen, was sie dazu getrieben hat. Bis jetzt habe mit acht der zehn gesprochen und habe eine hundertprozentige Quote. Die bleiben alle dabei. Die verstehen meinen Weg und lassen sich mitnehmen. Und genau das ist es doch. Man muss mit den Leuten reden. Und auch den Burgfrieden werden wir nur mit Reden bekommen und indem wir uns mit den streitenden Parteien an einen Tisch setzen.

Es gibt sicherlich auch im Präsidium einige, die Sie kritisch sehen. Ingmar Pering und Peer Mock-Stürmer haben sich im Vorfeld für Frank Steffel ausgesprochen. Wie haben Sie die Leute am Mittwochabend auf der ersten Präsidiumssitzung erlebt und was spüren Sie für eine Stimmung innerhalb des Gremiums?

Es war so, wie bei vielen: Ängste, Zweifel und Vorbehalte am Anfang der Sitzung - und am Ende sind wir alle sehr erleichtert, glücklich und harmonisch da rausgegangen. Wir im Präsidium können die Geschichte mitschreiben und jeder kann einen Stift in die Hand nehmen und ein Teil sein. Es war wichtig, die Leute jetzt an ihre Verantwortung zu erinnern und an den Auftrag, den sie von den Mitgliedern bekommen haben. Wir können es nur gemeinsam machen. Und dann war es eine schöne Auftakt-Präsidiumssitzung, in der Vorbehalte, Zweifel und Ängste abgebaut wurden und klar wurde, dass wir es zusammen hinkriegen.

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Wenn wir auf die nächste Zeit gucken, warten vielfältige Aufgaben auf Sie. Unter anderem war mal der Posten des CEO in der Geschäftsführung bei Hertha BSC besetzt. Ist das etwas, was Sie auch wieder angehen wollen oder ist die Dreier-Konstellation aus Thomas Herrich, Fredi Bobic und einem neuen Finanz-Geschäftsführer ausreichend?

Wir müssen natürlich auf die wirtschaftliche Seite gucken und da ist es schon so, dass der Apparat in den letzten Jahren durchaus ein bisschen aufgebläht wurde und ganz viele Leute da sind. Es fehlt uns ein bisschen die Fantasie, da jetzt nochmal oben draufzusatteln. Wir sind erstmal im Erfassen des Status-Quo. Ich kann mir vorstellen, dass es ohne CEO geht, indem man Verantwortlichkeiten auf mehrere Schultern verteilt, eine klare Kommunikation hat und dann ins Machen kommt. Wir müssen auch kleinere Brötchen backen. Wir sind jetzt in der Relegation nicht abgestiegen und müssen auf ganzer Linie demütig arbeiten.

Demütig arbeiten heißt natürlich auch, dass vor allem Geschäftsführer Sport Fredi Bobic gefordert ist. Gab es da schon einen Austausch mit ihm? Haben Sie auch Cheftrainer Sandro Schwarz und die Mannschaft schon kennenlernen können?

Nein, ich habe sie noch nicht kennenlernen können. Es gab aber einen Austausch. Sandro hat am Sonntag angerufen und auch mit Fredi habe ich am Sonntag gesprochen. Wir werden das in der nächsten Woche machen, aber jetzt noch nicht. Das ist auch gar nicht notwendig, weil ich will mich nicht in den Vordergrund drängen. Mir geht es darum, dass wir die Grundlage brauchen. Wir brauchen das eingeschworene Präsidium, wir müssen den Aufsichtsrat einschwören und eine Infrastruktur aufbauen, in der wir ordentlich arbeiten können.

Was sind Ihre Ziele und Wünsche bis zur nächsten Präsidiumswahl in zwei Jahren?

Ziel ist es, dass wir uns wirtschaftlich und sportlich stabilisieren und einen Kulturwandel vorleben. Da soll Hertha BSC drinstecken und nicht nur draufstehen. Und mein Wunsch ist es, hinterher nicht ganz so viele graue Haare zu haben und dass der Mut der Mitglieder aufgegangen ist. Nach den zwei Jahren werden wir noch nicht fertig sein. Wir werden sehen, ob wir auf dem richtigen Weg sind und ob wir die Chance auf etwas echtes Blau-Weißes genutzt haben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jakob Rüger für den rbb Sport. Für die Online-Fassung ist es gekürzt und redigiert worden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.07.2022, 10.45 Uhr

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