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Quelle: imago images/Nordphoto

Interview | Sportjournalist Jacob Sweetman

"Die Engländer sind ein bisschen neidisch auf die deutschen Fußball-Fans"

Seit 15 Jahren wohnt der englische Sportjournalist Jacob Sweetman in Berlin. Im Interview erzählt er von seinen Berührungspunkten mit Union Berlin und erklärt, warum die Engländer durchaus neidisch auf die deutschen Fußballfans sind.

rbb: Herr Sweetman, Sie wurden an der englischen Ostküste in Ipswich geboren. Wie sah Ihre Fußball-Prägung in der Heimat aus?

Jacob Sweetman: Fußball war immer mein Sport und ich war eigentlich immer im Stadion. Ich bin gebürtiger Ipswich-Town-Fan. Damals spielten sie in der zweiten Liga. Davor waren sie aber immer erstklassig und gewannen sogar den UEFA-Pokal und wurden englischer Meister. Sie waren also ein begehrter Verein, doch diese Zeiten sind heute lange vorbei.

Zur Person

Diese Leidenschaft für Fußball haben Sie dann auch mit nach Berlin genommen und wurden hier Fan von Union. Wie kam es dazu?

Ich habe damals in einem chaotischen besetzten Haus gearbeitet und wollte mal normales Leben erfahren. Da waren Künstler aus der ganzen Welt, es wurde Englisch gesprochen und ich habe kaum deutsche Kultur erlebt. Also dachte ich mir, dass ich zum Fußball gehen will. Egal welcher Verein und egal welche Liga. Und zufällig spielte Union an diesem Tag zuhause den ersten Spieltag der Saison 2007/08 in der Regionalliga Nordost. Und da bin ich hingegangen und habe ich mich verliebt.

Was hat Ihnen so gut gefallen?

Damals waren vielleicht 5.000 Zuschauer dort und es gab eigentlich auch keine Ausländer. Die waren sozusagen ein Kiez-Verein. Das waren normale Leute und Arbeiter, keine experimentellen Künstler oder Musiker wie in dem Haus. Ich hatte keine Erwartungen und plötzlich war da diese Stimmung, die Freundlichkeit und die Offenheit. Ich hatte plötzlich eine Verbindung zu der Stadt und den Leuten. Eine Woche danach habe ich meine erste Dauerkarte gekauft.

Verfolgen Sie trotzdem noch Ihren Heimatverein?

Ja, na klar. Leider bin ich immer noch auch Ipswich-Fan, aber die haben gerade schwere Zeiten. Und ehrlich gesagt wurden die in meinem Herzen ein bisschen von Union ersetzt. Hier ist meine Heimat. Ich bin seit 15 Jahren in Berlin und auch deutscher Staatsbürger geworden. Das ist jetzt mein Zuhause und Union meine Nummer eins. Interessiert bin ich am englischen Fußball aber immer noch, schließlich bin ich mit dieser Kultur aufgewachsen.

Union ist Ihr neuer Herzensverein – der englische Fußball Ihre kulturelle Prägung. Wenn Sie sich heute entscheiden müssten, gefällt Ihnen dann der deutsche oder englische Fußball besser?

Das ist eine schwere Frage. Ehrlich gesagt sind beide ganz unterschiedlich. In der deutschen Fußballkultur gibt es Dinge wie Stehplätze, die 50+1-Regel, Ultras und Choreos. Fanmäßig ist das viel besser als der englische Fußball. Dafür sind in England die Wurzeln etwas tiefer. Ipswich spielt zum Beispiel jetzt in der dritten Liga immer vor 20.000 Leuten. Die Zuschauerzahlen sind dort auch in den unteren Ligen viel größer.

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Am Rande des Saisoneröffnungsspiels von Union Berlin gegen Dublin hat Dirk Zingler sich Zeit für ein Interview genommen. Ein Gespräch mit Unions Präsident über das Olympiastadion, über die Stadionpläne des Vereins und Herthas Kay Bernstein.

Woher kommen diese Unterschiede?

Der englische Fußball musste sich nach den schlimmen 80er Jahren verändern. Dort gab es sehr viele Krawalle, Rassismus und Gewalt. Das hat niemandem mehr Spaß gemacht und der englische Fußball ist dann kommerzialisierter geworden. Das war teilweise ein nötiger Schritt, um die Probleme zu beseitigen.

Wie blicken englische Fußball-Fans auf die Bundesliga?

Die interessieren sich schon für die Bundesliga. Das hängt genau mit diesen Dingen wie Stehplätzen, Biertrinken und Fankultur zusammen, was es in England nicht mehr so viel gibt. Ehrlich gesagt sind die ein bisschen neidisch auf die deutschen Fußball-Fans.

Ist die Premier League der Bundesliga denn sportlich überlegen?

Die Premier League ist viel schneller und auch technisch besser. Außerdem ist alles viel internationaler als beim deutschen Fußball. Ein mittelklassiger Bundesliga-Verein hat meiner Meinung nach keine Chance gegen einen vergleichbaren englischen Klub. Dafür ist der deutsche Fußball taktisch wahrscheinlich ein bisschen stärker. Man sieht ja in der Premier League den Trend, das alle einen deutschen Trainer haben wollen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.07.2022, 16:15 Uhr

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