Interview | Union-Präsident Dirk Zingler - "Europäische Wettbewerbe, daran könnten wir uns gewöhnen"

Sa 09.07.22 | 20:57 Uhr
Union Berlins Präsident Dirk Zingler (Bild: IMAGO/Matthias Koch)
Bild: IMAGO/Matthias Koch

Am Rande des Saisoneröffnungsspiels von Union Berlin gegen Dublin hat Dirk Zingler sich Zeit für ein Interview genommen. Ein Gespräch mit Unions Präsident über das Olympiastadion, über die Stadionpläne des Vereins und Herthas Kay Bernstein.

rbb: Herr Zingler, wie hat ihnen der Auftritt der Mannschaft gefallen?

Dirk Zingler: Gut. Wir kommen aus dem vollen Training, haben auch heute Vormittag nochmal trainiert. Das Spiel sollte man also nicht überbewerten. Der Trainer will sich die Jungs anschauen und es ist auch eine Frage der Belastungssteuerung. Ich schaue mir eher die Veranstaltung heute an, die Jungs kann sich der Trainer anschauen.

Die Traditionsverein aus Dublin ist deswegen besonders interessant, weil er von Fans geführt wird. Wie finden Sie dieses Modell?

Ich finde es immer gut, wenn sich Menschen, die den Fußball lieben, engagieren oder sogar einen Klub führen. Das haben wir ja nicht nur in Dublin, sondern beispielsweise auch in England – wenn auch dort nicht in der ersten Liga. Das ist toll.

Sie sind jemand, der auch Auswärtsspiele, gerade auf europäischer Ebene, sehr genießt. Sie hätten das auch in der vergangenen Saison aufgesaugt, heißt es. Wie genau machen sie das?

Wir freuen uns auf diese Reisen. Die 90 Spielminuten sind dabei der kürzeste Teil. Wir reisen meistens Mittwoch an, kommen Freitag zurück und das ist im besten Sinne Völkerverständigung. Wir lernen andere Menschen kennen, andere Kulturen und es macht Spaß, andere Sichtweisen auf den Fußball zu erleben. Europäische Wettbewerbe, daran könnten wir uns gewöhnen.

Auch in diesem Jahr geht's für die europäischen Heimspiele in das Olympiastadion. Im letzten Jahr war da angesichts der Corona-Beschränkungen das Maximum an Zuschauern 25.000. Was geht in diesem Jahr?

Das werden wir sehen. Wir haben das Olympiastadion angenommen und gehen da ganz pragmatisch mit um. Wir werden um die Menschen werben und das Olympiastadion ist eine Chance, weil wir im eigenen Stadion ja seit Jahren ausverkauft sind. Jemand, der nicht Vereinsmitglied ist oder keine Dauerkarte hat, bekommt also gar nicht die Chance, uns zu sehen. Deswegen werden wir die Berliner einladen, ins Olympiastadion zu kommen.

Das bringt uns zu Hertha BSC: Der Verein hat einen neuen Präsidenten. Gab es schon Kontakt zu Kay Bernstein?

Ich habe meinem Kollegen natürlich zur Wahl gratuliert. Aber ansonsten gab es noch keinen Kontakt und ich glaube, er hat auch erst einmal selbst genug zu tun. Aber es wird die Gelegenheit geben, zu der wir uns kennenlernen.

Die Hälfte der Menschen haben mit Blick auf Bernstein gleich kritisiert, dass ein 41-jähriger Unternehmer, der aus der Fankurve kommt, keinen Verein führen kann. Als Sie vor 18 Jahren angefangen haben, Union zu führen, waren Sie ebenfalls in dem Alter und Unternehmer. Was entgegnen Sie solchen Kritikern?

Mit diesen Kritikern befasse ich mich gar nicht. Stattdessen wünsche ich Kay Bernstein viel, viel Glück. Ich war im Juli 2004 erst 39 Jahre alt und traue ihm das genauso zu, wie mir damals. Es ist ein spannendes Projekt.

Wir erweitern ja nicht nur drei Stadionseiten. Wir werden unser Trainingszentrum erneuern, wir werden ein Klubhaus bauen und sind gerade mitten im Bau unseres Nachwuchsleistungszentrums.

Union-Präsident Dirk Zingler

Union ist vor drei Jahren aufgestiegen, wurde dann Elfter, Siebter und zuletzt Fünfter. Jetzt wird keiner nach der Champions League rufen in diesem Jahr, aber Fortschritt innerhalb des Vereins wünschen Sie sich bekanntermaßen trotzdem. Wie könnte der aussehen?

Wir haben viele Bereiche im Verein, in denen wir besser werden müssen. Natürlich ist Platz fünf ein Top-Wert und kaum noch zu verbessern für uns. Aber strukturell und organisatorisch haben wir so viele Prozesse, die wir optimieren können. Wir wollen das Stadion verbessern und werden immer weiter Leute einstellen, die wir integrieren müssen. Ich habe also keine Sorge, dass wir viele Themen haben, in denen wir besser werden können.

Vielleicht können mit Blick auf das Stadion noch ein wenig Butter bei die Fische geben: Der Verein möchte die Kapazität auf 36.000 erhöhen, zuletzt gab es aber auch immer wieder Schwierigkeiten, etwa mit der Senatsverwaltung sowie in Sachen Bau und Verkehr. Ist der Stand, dass im Sommer 2023 Bauphase eins beginnen kann, weiterhin aktuell?

Es arbeiten alle fleißig, auch in der Senatsverwaltung. Wir treffen uns regelmäßig und haben auf unterschiedlichsten Verwaltungsebenen, auch auf Staatssekretärs-Ebene, einen regen Austausch. Alle treiben das Projekt Stadion voran, aber es ist ein großes Projekt. Auch die Bedingungen werden ja nicht besser. Wir haben riesige Probleme, was Versorgung und Lieferketten betrifft und die Industrie hat ganz andere Themen zurzeit.

Mit welcher Konsequenz?

Wir bereiten das sehr gründlich vor und werden anfangen, wenn wir überzeugt davon sind, dass wir in der Bauzeit, die wir uns vornehmen, durchkommen. Aber es bleibt dabei: Im Sommer 2023 wollen wir anfangen. Aber wir erweitern ja nicht nur drei Stadionseiten. Wir werden unser Trainingszentrum erneuern, wir werden ein Klubhaus bauen und sind gerade mitten im Bau unseres Nachwuchsleistungszentrums. Wir haben also neben dem Fußballspielen viele weitere Projekte, die uns Kraft kosten, aber auch viel Spaß machen.

Ein Projekt möchte ich angesichts der gerade in England laufenden Frauenfußball-EM gerne noch ansprechen: Auch Union will den Frauenfußball professionalisieren, die erste Mannschaft aus der dritten Liga mittelfristig in die erste führen. Warum ist dieses Ziel kein Lippenbekenntnis, sondern fundiert?

Wir haben entschieden, dass wir den jungen Mädchen und Frauen bei uns im Klub ebenfalls die Möglichkeit geben wollen, hier professionell Fußball zu spielen. Wir haben eine erfolgreiche U17-Bundesligamannschaft der Mädchen, die jüngst in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft gespielt hat. Bisher war es so, dass die Mädchen nach der U17 woanders hingehen mussten. Jetzt wollen wir aber auch mit der Frauenmannschaft auf höchstem Niveau trainieren und am Ende auch spielen. Das wird ein Prozess sein, der zwei oder drei Jahre dauert. Aber uns macht es total Spaß, diese Plattform zu geben.

Damit sich der Kreis schließt, noch eine Frage zurück zur Mannschaft: Bisher hat der Verein ein Transferüberschuss von acht Millionen erwirtschaftet. Bleibt das auf der hohen Kante oder wird bis zum Saisonstart noch ein Spieler verpflichtet?

Wenn wir sportlich erfolgreich sind, sind wir wirtschaftlich auch erfolgreich. Ich habe immer gesagt, dass wir mögliche Gewinne immer zur weiteren sportlichen Entwicklung einsetzen werden. Corona hat diesen Weg ein bisschen unterbrochen, aber mittlerweile sind wir im Grunde wieder da, wo wir vor Corona waren. Wenn also Oliver Ruhnert und Urs Fischer der Meinung sind, dass noch Spieler kommen sollen, werden wir wirtschaftliche Mittel zur Verfügung stellen.

Herr Zingler, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Dietmar Teige.

Sendung: rbb24, 09.07.2022, 21:45 Uhr

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