rbb24
  1. rbb|24
  2. Sport
Quelle: imago images/Contrast

Remis gegen Leverkusen

Hertha fühlt sich veräppelt

Auch gegen Bayer Leverkusen konnte sich Hertha BSC trotzt einer starken Leistung nicht mit drei Punkten belohnen. Von Enttäuschung jedoch kaum eine Spur, denn Hertha macht das erste Mal seit langer Zeit wieder Spaß. Von Marc Schwitzky

"Wenn weniger als 50.000 kommen, gehe ich wieder nach Hause", lässt Kay Bernstein vor dem Spiel scherzhaft von Pressesprecher Max Jung überbringen. Herthas Präsident hat die Tage vor dem Spiel ambitioniert dafür geworden, das Olympiastadion gegen Bayer Leverkusen noch einmal deutlich voller zu machen als zunächst prognostiziert.

Seine Kampagne schlägt jedoch fehl. Letztendlich besuchen nur 40.600 Fans die altehrwürdige Betonschüssel. Bernstein bleibt natürlich dennoch auf seinem Platz - und sieht eine hervorragende Vorstellung seiner Mannschaft. Hertha bringt Leverkusen an den Rand einer Niederlage, die Begegnung geht 2:2 aus. Nach dem Sieg in Augsburg gelingt es der "alten Dame" einmal mehr nicht, eine starke Leistung mit drei Punkten zu belohnen. So hätte die Stimmung nach dem Abpfiff auch von Enttäuschung geprägt sein können. Im Vordergrund steht jedoch, dass Hertha das erste Mal seit Jahren wieder Hoffnung und - ja, so platt lässt es sich festhalten - Spaß macht.

2:2 gegen Leverkusen

Hertha BSC wartet weiter auf den ersten Heimsieg

Hertha BSC wartet in der Fußball-Bundesliga weiter auf den ersten Heimsieg. Gegen Bayer Leverkusen war das Team von Sandro Schwarz über weite Strecken zwar die bessere Mannschaft, kam aber nicht über ein Remis hinaus.

Eine neue Verlässlichkeit

Dass bei Hertha BSC ein neuer Wind weht, lässt sich bereits vor den jeweils letzten Spielen erkennen. Früher sorgen allein die Schlagzeilen unter der Woche für so viel Zündstoff, dass zwischendurch schon fast untergeht, dass in wenigen Tagen ja auch noch Fußball gespielt wird. In den letzten Jahren stört ein ständiges, unüberhörbares Grundrauschen an Chaos, Problemen und Verzweiflung alles und jeden bei Hertha.

Und jetzt? In den Tagen vor dem Leverkusen-Spiel ist bei den Blau-Weißen das heißeste Thema, dass Präsident Bernstein einen Apfelbaum vor der Geschäftsstelle pflanzt. Es soll ein Symbol für die neu aufkeimende Hoffnung bei Hertha sein. Etwas pathetisch, mag manch einer finden, doch die aufkommende Zuversicht ist nicht zu leugnen. Grund dafür ist der eindeutig zu erkennende Umbruch auf und neben dem Feld - in beiden Fällen strahlt der vorher so zerrissene Hauptstadtklub eine neue Einigkeit aus und zeigt einen klaren Plan. Ein verstaubter Traditionsverein häutet sich.

Alba, Eisbären, Volleys und Füchse

Wie die Berliner Profiklubs gemeinsam an der Stadt der Meister arbeiten

Im Fußball geht der Titel seit Jahren nach München, im restlichen Mannschaftssport oft in die Hauptstadt. Die Grundlage dafür ist eine besondere Zusammenarbeit der Spitzenteams. Ein Blick auf die Sportmetropole Berlin - und ihre Grenzen. Von Lynn Kraemer

Schwarz' Spielidee sickert immer besser ein

Diese neue Verlässlichkeit zeigt sich auch auf dem Feld. So langsam weiß der gemeine Zuschauer, was er bei Hertha-Spielen unter Trainer Sandro Schwarz bekommt. Bereits in der Aufstellung zeigt sich eine Beständigkeit. Schwarz ist sichtlich bemüht, eine Achse zu etablieren - und so werden Spieler trotz kleinerer Wackler nicht sofort aus der Startelf genommen. Suat Serdar, Filip Uremovic oder auch Ivan Sunjic wurden für ihre letzten Auftritte - durchaus zu Recht - kritisiert, doch Schwarz glaubt an seine Idee und die dafür gedachten Akteure. Die jüngsten, so positiven Auftritte zeigen, dass es sich hierbei nicht um Starsinnigkeit, sondern Überzeugung handelt.

Gegen Leverkusen startet Hertha im gewohnten 4-3-3 mit dem gewohnten Personal. Die Kontinuität in den Abläufen tut den Berlinern sichtlich gut, denn gegen die "Werkself" präsentieren sie sich beinahe schon routiniert. Von Beginn an setzt Hertha seine Spielidee um und Leverkusen damit permanent unter Druck. Bereits in der 4. Minute verzeichnet Blau-Weiß nach Flanke Marvin Plattenhardts und Kopfball Dodi Lukebakios die erste gute Offensivszene.

Im Anschluss ist zu erkennen, wie die von Trainer Schwarz geforderte Haltung immer weiter in die Mannschaft einsickert. Durch mutiges, körperlich betontes und direktes Spiel hat Hertha die Begegnung gut im Griff. Die Berliner haben sich auf die Stärken Leverkusens sehr gut eingestellt. Durch eine diszipliniert verschiebende Defensivlinie kommen Bayers Tempospieler wie Moussa Diaby, Callum Hudson-Odoi oder Jeremie Frimpong nicht in ihre geliebten Sprints - die Räume dafür fehlen schlichtweg. So nimmt Hertha seinem Gegner die Möglichkeit des Vertikalspiels.

Bobic bestätigt Einigung

Hertha löst Verträge mit ehemaligen Trainern Dardai und Neuendorf auf

Hertha ist Leverkusen zu jedem Zeitpunkt ebenbürtig

Positionsspiel, Gegenpressing, Zweikampfverhalten, Idee im eigenen Ballbesitz - bei Hertha stimmt im ersten Durchgang bereits sehr viel. In einigen Belangen sind die Gastgeber erkennbar besser als der Gegner, der trotz eines schwachen Saisonstarts eine beeindruckende Qualität auf den Platz bringt. Und alles kann Hertha am Samstagnachmittag auch nicht verhindern, so muss Torhüter Oliver Christensen sein Team zweimal durch Glanztaten retten. Aber auch Hertha kann Nadelstiche setzen: in der 37. Minute trifft Mittelstürmer Wilfried Kanga nach starker Vorarbeit Lukebakios nur den Pfosten.

Der erste Spielabschnitt endet zwar mit 0:0, zeigt aber bereits eine überdurchschnittlich unterhaltsame Bundesliga-Partie. Nach dem Wiederanpfiff sollten sich die Ereignisse allerdings überschlagen. So trifft Kerem Demirbay traumhaft per direktem Freistoß zum 0:1 aus Hertha-Sicht. Ein Gegentor ohne eigenen Fehler - stets die bitterste Situation. Doch die Blau-Weißen zeigen eine ihrer neu erlernten Eigenschaften: Widerstandsfähigkeit. Unbeeindruckt vom Gegentreffer erzielt Serdar nur sieben Minuten später den Ausgleich. Vorausgegangen war ein perfekt ausgespielter Konter nach Ballgewinn über die Stationen Tousart, Kanga, Ejuke und eben Serdar. Ein Tor, das den Namen Sandro Schwarz trägt.

Es entwickelt sich daraufhin eine recht hektische Phase, in der beide Teams das aus den beiden Toren entstandene Momentum ausnutzen wollen, es aber zu wenig klaren Gelegenheiten kommt - bis zu Marco Richters Traumtor. Kurz zuvor eingewechselt nimmt er aus rund 20 Metern Entfernung Maß und katapultiert den Ball wunderschön ins linke obere Toreck (74.). Der Freudentaumel hält jedoch nicht lange an, da Patrick Schick die Werkself nur fünf Minuten später zum 2:2-Ausgleich schießt. Es ist eine der so wenigen Szenen, in denen Hertha unaufmerksam verteidigt - und eiskalt bestraft wird.

Hertha-Trainer Schwarz nach erstem Saisonsieg

"Der Morgen fühlt sich besser an"

In Augsburg feiert Hertha BSC den ersten Sieg der Saison. In der Medienrunde am Tag danach spricht Hertha-Trainer Sandro Schwarz über den Trainingsfortschritt, die Torschützen und die psychologische Arbeit als Trainer.

Der Elfmeter bleibt aus - der Stolz hingegen nicht

Doch beinahe hätte es dennoch zum Sieg gereicht. Denn erneut lässt sich die "alte Dame" nicht unterkriegen, sie läuft mutig vorne an und will den Heimerfolg erzwingen. In der 82. Minute wird ein Konter mustergültig ausgespielt, Joker Jean-Paul Boetius kommt zum Abschluss, der gehalten wird. Der Niederländer darf erneut schießen, dieses Mal wehrt Leverkusens Odilon Kossounou ab - allerdings deutlich mit dem Arm. Ein klarer Elfmeter, sollte man meinen, doch das Schiedsrichtergespann kommt zu der abenteuerlichen Entscheidung, den Strafstoß nicht zu geben. Da Kempf im Anschluss einen Schuss von Schick noch in allerletzter Sekunde blocken kann, trennen sich die beiden Mannschaften mit 2:2.

Aufgrund des nicht gegebenen Elfmeters und des abermals "verspielten" Sieges hätten Frustration und Ernüchterung die blau-weiße Gefühlswelt dominieren können. Schließlich verzeichnet Hertha deutlich mehr Schüsse, gelaufene Kilometer und die bessere Zweikampfquote. Nach Abpfiff sind jedoch viel eher der Stolz und die Begeisterung der Fans im Olympiastadion zu spüren, ob der erneut beeindruckenden Leistung ihrer Mannschaft, die die vergangenen Jahre wie alten Lack von der Karosserie kratzt. Zu sehen, dass Hertha endlich wieder mithalten und mit begeisterndem Fußball Gegnern wehtun kann, wiegt schwerer als die kurzzeitige Enttäuschung über etwaige Punktverluste.

Arm in Arm lassen sich die Spieler in der Ostkurve feiern - 154 Tage nachdem sie ihre Trikots nach dem verlorenen Derby gegen Union niederlegen mussten. Ihnen wird auf den Weg gegeben, dass es egal sei, dass sie solch ein Spiel nicht gewinnen, solange sie so leidenschaftlich kämpfen und ansehnlich spielen. Wenn der Kopf oben bleibe, so der Tenor, dann kämen auch die Punkte.

2:0-Sieg für Hertha BSC

Hertha gelingt in Augsburg der Befreiungsschlag

Hertha BSC hat am fünften Spieltag der Fußball-Bundesliga mit 2:0 (0:0) in Augsburg gewonnen. Es war der erste Saisonsieg der Berliner - aus vielen Gründen ein besonderer. Von Jörn Lange

Ein Trend und kein Strohfeuer

Die Bilanz spiegelt das Bauchgefühl wider. Zwei mehr als verdiente Unentschieden gegen etatmäßig stärkere Gegner aus Frankfurt und Leverkusen, ein ordentlicher Sieg in Augsburg und bis auf das Derby genügend starke Leistungen, um bereits mit mehr Punkten dazustehen. Die Spielidee von Trainer Schwarz wird immer besser verinnerlicht, das Niveau der Mannschaft unterschreitet einen gewissen Grenzwert, der recht weit oben zu verorten ist, nicht mehr und allmählich belohnt sich Hertha mit Punkten. Es scheint ein robuster Trend und nicht nur ein Strohfeuer zu sein. Hertha findet seinen Weg.

Ein Apfelbaum trägt nach fünf Jahren die ersten Früchte. Das vermutlich im Fachhandel gekaufte Exemplar Bernsteins wird zwischen zwei bis drei Jahre alt sein. In spätestens drei Jahren dürften also die ersten Äpfel reif sein. Bei Hertha scheint die Ernte deutlich eher eingefahren zu werden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 11.09.22, 19:30 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

Artikel im mobilen Angebot lesen