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Audio: rbb24 Inforadio | 29.01.2023 | Dennis Wiese | Quelle: Imago Images/Jan Huebner

Analyse | Bobic-Aus bei Hertha

So plötzlich wie absehbar

Der von Fredi Bobic eingeschlagene Weg wollte bei Hertha BSC in eineinhalb Jahren nie aufgehen. Nun hat der Klub die Reißleine gezogen. So nachvollziehbar die Trennung von Bobic ist, so unklar ist die Richtung des erneuten Kurswechsels. Von Marc Schwitzky

"Ich stehe immer auf dem Standpunkt: Reisende soll man nicht aufhalten. Aber noch mal: Fredi Bobic ist in verantwortlicher Position bei Hertha BSC – und wenn es nach mir geht, ist er das noch eine ganze Weile länger." – Diese Aussage von Hertha-Präsident Kay Bernstein vom 12. Dezember 2022 hatte exakt 47 Tage Gültigkeit.

Denn nach der Derby-Niederlage gegen Union Berlin hat Hertha BSC Geschäftsführer Sport Fredi Bobic von seinen Aufgaben entbunden. Es ist die Trennung nach knapp eineinhalb insgesamt enttäuschenden Jahren. Nach 58 Pflichtspielen, 51 Spielertransfers, einer überstandenen Relegation und aktuell Rang 17 ist Schluss für Bobic.

Nach Bobic-Aus

Neuendorf und Weber übernehmen sportliche Leitung bei Hertha BSC

Bei Hertha BSC ist zukünftig ein Duo für die sportlichen Geschäfte zuständig. Andreas Neuendorf und Benjamin Weber sind die Nachfolger von Fredi Bobic. Nach der Niederlage im Hauptstadtderby hatte der Verein die Trennung von Bobic verkündet.

Von Beginn an ging viel zu Bruch

Im Sommer 2021 trat Fredi Bobic sein Amt bei Hertha BSC an. Der Verein kam aus schlimmen Zeiten, zwei desaströse Jahre im Abstiegskampf hatten ihn ohne klare Richtung zurückgelassen. Die Vereinsgremien, damals noch von Werner Gegenbauer angeführt, versprachen sich von Bobic, den wankenden Dampfer wieder in ruhigere Gewässer zu führen. Immerhin hatte er genau das bravourös in Frankfurt geschafft – unter seiner Führung wurde die Eintracht zum Pokalsieger und ständigen Europa-Qualifikant. Dem Vernehmen nach zahlte Hertha Frankfurt 2,5 Millionen Euro für Bobics Dienste, darüber hinaus stieg er zum bestbezahltesten Manager der Liga auf.

Hertha, so klar muss es festgehalten werden, gab Bobic die Schlüssel zum Verein. Abseits des Geschäftsführers gab es kaum bis keine sportliche Expertise in verantwortungsvollen Positionen. Zudem bekam Bobic die Freiheit, seine Entourage im Verein zu installieren: Dirk Dufner, Sebastian Zelichowski, Pablo Thiam und viele weitere Neue holte Bobic mit hoch dotierten Verträgen in den Verein.

Früher Unmut und raue Töne

Schon damals war hierzu in Vereinskreisen großer Unmut zu vernehmen. Bobic jagte für "seine Leute" bewährte Arbeitskräfte wie beispielsweise Nachwuchs-Leiter Benjamin Weber vom Hof, ohne dass sie sich noch unter ihm hätten beweisen können. Auch Trainer Pal Dardai und Sportdirektor Arne Friedrich wurden innerhalb der ersten Bobic-Monate geschasst, auch hier gab es zwischenmenschlich sehr raue Töne.

Zwar war Bobic gekommen, um den verstaubt wirkenden Traditionsverein auf links zu ziehen, jedoch konnte er mit seinen Entscheidungen selten das direkte Umfeld mitnehmen – allein schon, weil seine Art kalt und unnötig harsch wirkte. Bobics Sense sägte womöglich auch funktionierende Strukturen ab. Kurzum: Weder im Kollegium noch im Fan-Umfeld hatte Bobic für eine Aufbruchsstimmung sorgen können, dafür gab es zu viele Irritationen rund um gewisse Entscheidungen und die Präsentation jener.

Hertha BSC nach der Derbyniederlage

Die Bobic-Bruchlandung

Im Stadtderby spielt Hertha gut, aber am Ende gewinnt Union ungefährdet. Den Eisernen reicht dafür eine mäßige Leistung. Das zeigt, wie wenig Qualität in Fredi Bobics Hertha-Kader steckt. Der Sport-Geschäftsführer musste noch am Abend gehen. Von Till Oppermann

Bobic weist eine miese sportliche Bilanz auf

Die enormen Kosten, die Bobic und sein Apparat bei den so klammen Berlinern verursachen, die anfänglichen Irritationen innerhalb der Geschäftsstelle und Bobics generell eher trotzige Attitüde wären womöglich sogar zu verkraften gewesen. Schließlich hatte Bobic den undankbaren Job, einen Klub mit völlig dysfunktionalen, nicht zukunftsfähigen Strukturen in die Fußballmoderne zu hieven. Dass bei solch einem tief schürfenden Prozess auch Dinge zu Bruch gehen, ist kaum zu verhindern.

Das große Problem: Der ausbleibende sportliche Erfolg rechtfertigte all das nicht. Zu dieser Wahrheit gehört allerdings auch: In der Kadergestaltung stand Bobic ebenso vor einer Mammutaufgabe. Er sollte es schaffen, den Klub aus dem Abstiegskampf herauszuführen, gleichzeitig aber Personalkosten einzusparen und große Transferüberschüsse zu erzielen. Sportliche Verbesserung bei gleichzeitiger Kosteneinsparung – ein denkbar schweres Unterfangen.

Und doch muss festgehalten werden, dass Bobic sowohl an der Kaderplanung als auch am Erreichen der sportlichen Ziele gescheitert ist. Pal Dardai so früh in der Saison 2021/22 beurlaubt zu haben, war ein folgenschwerer Fehler, der eine Hertha-typische Chaos-Saison einleitete. Nachfolger Tayfun Korkut entpuppte sich – wenig überraschend – als Fehlgriff und Felix Magath rettete Herthas Bundesliga-Existenz in allerletzter Sekunde. Bobics erste Saison warf mehr Fragen auf, als Antworten zu liefern. Eine klare Idee in der Kaderplanung war nicht zu erkennen, mehrere Transfers gingen nicht auf und die unglücklichen Trainerentscheidungen kratzten bereits früh an Bobics Souveränität.

DFB-Flirt und PK-Aussagen bringen das Fass zum Überlaufen

Womöglich hätte all das Geschehene als unglückliches, aber verständliches Rumpeln einer neuen Ära verzeichnet werden können - schließlich müssen sich die Dinge erst finden - wenn denn die aktuell laufende Spielzeit eine klare Verbesserung dargestellt hätte. Doch auch mit dem nächsten Kaderumbruch und der Entscheidung, Sandro Schwarz als Trainer zu installieren, wurde wenig besser.

Zwar fühlte sich der Transfersommer schlüssiger als die vorherigen Transferperioden an, doch trotz einiger mutmachender Spiele steht Hertha nach 18 Spieltagen mit 14 Punkten auf Tabellenrang 17. Das mag der immer geringeren Kaderqualität sogar entsprechen, doch hat Bobic neben dem erwirtschafteten Transferplus von knapp über 40 Millionen Euro eben auch 35 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben – und von denen schlug kaum jemand ein, einige dieser Spieler sind sogar schon wieder weg. Der sportliche Umschwung ist eineinhalb Jahre lang ausgeblieben.

Für Bobics endgültiges Aus kommen jedoch wieder menschliche Aspekte hinzu. Er und Präsident Bernstein sind wohl nie auf einen Nenner gekommen. Zwei Ereignisse brachten das Fass zum Überlaufen. Zum einen kokettierte Bobic zu sehr mit einer Anstellung beim DFB, was bereits ein geistiges Entfernen von Hertha nahelegte. Bernsteins Aussage, dass man Reisende nicht aufhalten solle, stieß Bobic bitter auf. Als Bobic zuletzt auf einer PK sagte, öffentliche Aussagen zum Deal mit Neu-Investor "777 Partners" seien "dämlich" – und er damit offensichtlich Bernstein meinte – war wohl endgültig klar, dass das Verhältnis nicht mehr zu flicken war.

Nach Niederlage gegen Union Berlin

Hertha BSC trennt sich von Fredi Bobic

Der abstiegsbedrohte Fußball-Bundesligist Hertha BSC hat seinen Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic von seinen Aufgaben entbunden. Das teilte der Klub nach der 0:2-Derbypleite gegen Union mit. Eine Nachfolgelösung deutet sich bereits an.

Bobic-Aus zeigt auch: Hertha steht finanziell am Abgrund

Die Entscheidung, Bobic freizustellen, so Bernstein auf der heutigen PK, sei eine für den "Hertha-Weg" gewesen. Herthas Präsident ließ durchscheinen, dass Bobic und die restliche Vereinsführung andere Vorstellungen für die Zukunft der "alten Dame" haben. Dass mit Benjamin Weber und Andreas "Zecke" Neuendorf ausgerechnet zwei Akteure zurückkommen, die von Bobic gegangen wurden, darf als deutlicher Fingerzeig an dessen Arbeit verstanden werden – es offenbart aber womöglich auch das noch fehlende Netzwerk des jungen Präsidiums.

Im Gespräch mit Bobic stellte sich laut Bernstein heraus, dass es am täglichen Vorleben des eingeschlagenen Weges der wirtschaftlichen Konsolidierung und am Brennen für Hertha fehlte. Bobic hätte andere Erwartungen an seine Aufgabe in Berlin gehabt und seine eineinhalb Jahre im Klub hätten "Energie gezogen", sodass die letztendliche Freistellung "unemotional" hingenommen wurde. Nun steht der nächste Kurswechsel an: ob "Big City Club"-Ära, "Projekt Goldelse" oder die Bobic-Zeit: Bei Hertha dreht es sich in den letzten Jahren so oft, dass der Hakiki-Dönerstand am Olympiastadion neidisch wird.

Das ständige Verweisen auf den "Hertha-Weg" und die Stärkung der Akademie lässt jedoch noch tiefer blicken: Hertha steht finanziell am Abgrund. Bobic und andere große Lösungen sind für die Blau-Weißen nicht mehr zu stemmen. Sowohl der Aderlass im Spielerkader als auch die Umstrukturierungen auf der Führungsebene zeigen, wie dramatisch die Lage ist.

Trotz einer sportlichen Krise kann kaum reagiert werden. Wie die intensivere Arbeit mit den Eigengewächsen einem Bundesligisten, der vor dem 19. Spieltag Tabellenvorletzter ist, auf Anhieb helfen soll, bleibt unklar, ist jedoch das einzige, was in der Medienrunde explizit als Änderung genannt wurde. Inwieweit mehr "Hertha-DNA" dem Ziel Klassenerhalt zuträglich ist, wird sich zeigen.

Sendung: rbb UM6, 29.01.2023, 18 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

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