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Quelle: dpa/Andreas Franke

Fragen und Antworten

Worum es beim Kohleausstiegsgesetz geht

Nach langen Verhandlungen hat die schwarz-rote Koalition den Weg für den geplanten Kohleausstieg freigemacht. Am Freitag wurde der Fahrplan zum Kohleausstieg bis spätestens 2038 beschlossen. Was dahinter steckt, fasst Andreas Rausch zusammen.

Worum geht es in dem Gesetz?

Das Kohleausstiegsgesetz regelt, auf welchem Weg und in welchen Zeiträumen Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigt. Als Zieldatum wurde nach der Empfehlung der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, der sogenannten Kohlekommission, das Jahr 2038 festgeschrieben. Wenn die Lage es erlaubt, kann dieser Ausstieg drei Jahre vorgezogen werden. Auf dem Weg zum kohlefreien Strommix hat der Gesetzgeber Checkpoints eingezogen: Alle drei Jahre soll der Ausstieg auf seine Effekte hin, beispielsweise für die Versorgungssicherheit, kritisch überprüft werden. Am Ausstiegsgesetz hängt das Strukturstärkungsgesetz. Dieses regelt, wie die betroffenen Regionen beim Strukturwandel unterstützt werden sollen.

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Was sind die Hauptkritikpunkte am Kohleausstiegsgesetz?

Besonders laut war zuletzt die Kritik von Umweltschützern und Klimaaktivisten. Sie beklagen, dass das Ausstiegsgesetz nicht mehr dem gesellschaftlichen Kompromiss entspricht, den die Kohlekommission im Januar 2019 in ihrer Abschlussempfehlung ausgesprochen hatte.

Neben einem neuen Steinkohlekraftwerk Datteln in Nordrhein-Westfalen bezieht sich die Kritik vor allem auf den Ausstiegspfad.

Bündnis90/Grüne sehen wie beispielsweise auch Umweltschutzorganisationen oder das Freiburger Ökoinstitut den Kompromiss der Kohlekommission mit dem Gesetz ausgehöhlt. Sie werden wohl dagegen stimmen, weil nicht kontinuierlich mit regelmäßigen Abschaltungen ausgestiegen wird, sondern punktuell und das eher am Enddatum orientiert – dies würde viel mehr CO2 als vereinbart ausstoßen. Außerdem geht mit Datteln IV ein Steinkohlekraftwerk neu ans Netz, was die Kommission im Abschlussbericht ausgeschlossen hatte.

Die FDP sieht den Kohleausstieg als planwirtschaftliches Instrument, das sie kritisieren. Sie bevorzugten smarte und europäische Lösungen statt deutscher Alleingänge zum Nachteil der Wirtschaft - beispielsweise einen verbesserten Emissionshandel für CO2-Verschmutzungsrechte.

Die Linke möchte bis spätestens 2030 aus der Kohle aussteigen, und zwar am besten in ganz Europa, die Kohlekonzerne sollten vergesellschaftet werden. Die AfD lehnt den Kohleausstieg generell ab, weil es angeblich keinen menschengemachten Klimawandel gebe.

Kritisiert wird auch, dass das Strukturstärkungsgesetz an das Ausstiegsgesetz gekoppelt ist. Vor allem Akteure aus dem Revier mahnten wiederholt an, endlich Mittel für Ansiedlungen und Entwicklung freizugeben.

Was kostet der Ausstieg?

Im Kohleausstiegsgesetz sind für die Braunkohleunternehmen RWE und Leag insgesamt 4,35 Milliarden Euro Entschädigungszahlungen vorgesehen. Dieses Geld soll vor allem anstehenden Rekultivierungs- und Sanierungsmaßnahmen in den Kohletagebauen dienen. Dazu sind die Bergbautreibenden gesetzlich verpflichtet. Allerdings nimmt ihnen der Gesetzgeber mit dem Ausstiegsgesetz die Möglichkeit, für die Sanierung entsprechende Rücklagen aus dem operativen Geschäft zu bilden.

Zuletzt wurden im Gesetz auch die Entschädigungen für Steinkohlekraftwerksbetreiber erhöht. Das war der letzte strittige Punkt vor der Abstimmung. Als Gegenleistung verpflichten sich die Unternehmen, nicht gegen das Ausstiegsgesetz zu klagen. Dies hatte den Atomausstieg zuletzt zu einem finanziellen Risiko werden lassen.

Im Strukturstärkungsgesetz ist ein Umfang von 40 Milliarden Euro Hilfen für die betroffenen Reviere festgeschrieben.

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Welche Regionen betrifft der Ausstieg in Brandenburg?

Das Lausitzer Revier zieht sich über Südbrandenburg bis nach Nordostsachsen. In Brandenburg gibt es aktuell zwei Tagebaue, Jänschwalde und Welzow-Süd. Mit der Rohbraunkohle dieser Tagebaue werden die Kraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe versorgt. Die Kohleproduktion und -verstromung in Brandenburg konzentriert sich komplett auf den Spree-Neiße-Landkreis. Aktuell sind 7.400 Kumpel in der Lausitz beschäftigt. Mit allen Dienstleistern und Zulieferern sind es laut Kohlekommission zusammen 16.000 Arbeitsplätze.

Was soll im Lausitzer Revier nach der Kohle passieren?

Aus dem Strukturstärkungsgesetz sind für die Lausitz 17 Milliarden Euro vorgesehen, verteilt auf die Jahre bis zum Kohleausstieg. Die Regionen konnten zum einen Strukturförderung für konkrete Projekte beantragen, zum anderen wird an Leitbildern und Ideen für eine künftige Wirtschaftsstruktur gearbeitet. So soll unter anderem die Infrastruktur ausgebaut werden, aus dem Carl-Thiem-Klinikum Cottbus soll ein Universitätskrankenhaus mit Medizinerausbildung werden, die BTU Cottbus-Senftenberg soll eine stärkere Rolle im Wandelprozess spielen, andere Projekte sind in Arbeit. Einigkeit herrscht darüber, dass die Zukunft der Region in einem Mix aus Industrie, Forschung und Tourismus liegen soll. Ein Großinvestor, der die bisherigen Arbeitsplätze in der Kohleindustrie auffängt, ist im Moment nicht in Sicht.

Sendung: Antenne Brandenburg, 02.07.2020, 17:40 Uhr

Beitrag von Andreas Rausch

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