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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 10.08.2022 | Michael Lietz | Quelle: Frank Hammerschmidt/dpa

Massives Fischsterben in der Oder

Umweltminister Vogel kritisiert offen polnische Informationspolitik

Noch immer ist die Ursache für das massive Fischsterben in der Oder nicht geklärt. Behörden warnen davor, mit dem Flusswasser in Kontakt zu kommen. Brandenburgs Umweltminister Vogel kritisiert die polnische Informationspolitik. Das rbb Fernsehen sendet um 20:15 Uhr eine Sondersendung zum Fischsterben.

Mit Blick auf das Fischsterben an der Oder hat Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) die zuständigen Behörden in Polen im rbb-Interview kritisiert. Man habe zwar Kontakt mit der polnischen Seite, so Vogel. Allerdings sei man über die Ereignisse in Opole, die offenbar am 27. oder 28. Juli stattgefunden hätten, bisher nicht offiziell informiert worden.

Man wisse "nur von Dritten und aus Medien, dass in größerem Umfang Lösungsmittel freigesetzt wurden, die möglicherweise für das Fischsterben mit verantwortlich sind. Es ist festzustellen, dass die vereinbarten Meldewege nicht eingehalten wurden und wir deswegen auch viele Informationen nicht haben, die wir hätten haben sollen", unterstrich der Umweltminister.

Quelle: rbb

Landeslabor-Ergebnisse liegen wohl erst zum Wochenende vor

In jedem Fall sei es eine seltsame Erscheinung, so Vogel, dass der Sauerstoffgehalt in der Oder in den vergangenen Tagen trotz der hohen Temperaturen merklich angestiegen sei. "Das spricht dafür, dass Stoffe abgegeben wurden, die diesen Effekt herbeigeführt haben und möglicherweise als Nebeneffekt dieses Fischsterben ausgelöst haben."

Die Analyse, um welche Stoffe es sich genau handele, sei ausgesprochen kompliziert, so der Minister, da man gar nicht wisse, nach welchen Stoffen man suche. Er gehe davon aus, dass das Landeslabor spätestens am Wochenende entsprechende Ergebnisse vorlegen werde. Außerdem werde geprüft, ob Ausbaggerungen auf polnischer Seite oder die Einleitung ungeklärter Abwässer eine Rolle gespielt haben.

Das Landesamt für Umwelt berichtete, es seien am Dienstag Proben aus der automatischen Messstation in Frankfurt (Oder) zur Analyse in das Landeslabor Berlin-Brandenburg gebracht worden. Die Einrichtung sei über die Dringlichkeit der Auswertung informiert, hieß es.

Polnische Staatsanwaltschaft ermittelt

Massives Fischsterben in der Oder - Behörden warnen vor Wasserkontakt

Zu dem Niedrigwasser der Oder kommt jetzt noch ein Fischsterben: Tausende tote Fische treiben entlang der deutsch-polnischen Grenze auf dem Wasser. Mehrere Kreise warnen vor Kontakt mit dem Wasser. In Polen ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Brandenburger LKA ermittelt zu möglichem Umweltdelikt

Auch das Brandenburger Landeskriminalamt hat sich in die Ermittlungen eingeschaltet. Es seien Wasserproben entnommen worden, die das LKA auswerte, sagte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums in Potsdam am Donnerstag. Wann ein Ergebnis vorliege, sei unklar.

Fischsterben weitet sich offenbar aus

Unterdessen weitet sich das Fischsterben in der Oder offenbar aus. Es ist laut einer Gefahrenmitteilung der Behörden vom Donnerstag in der gesamten Oder zu beobachten. Nach der Stadt Frankfurt (Oder) warnen inzwischen auch mehrere Landkreise entlang des Grenzflusses vor Kontakt mit dem Wasser.

Menschen sollten nicht in der Oder baden, keine Tiere aus dem Fluss trinken lassen, das Wasser nicht zur Bewässerung nutzen und keinen Fisch aus der Oder essen, hieß es. So wurde beispielswiese die Flussbadestelle in Schwedt (Oder) vorsorglich gesperrt, wie der Landkreis Uckermark am Donnerstag mitteilte. Die Warnungen gelten demnach so lange, wie keine belastbaren Informationen über die Gründe für das Fischsterben vorliegen.

Mittlerweile seien 100 Kilometer flussabwärts von Frankfurt bei Schwedt im Nationalpark Unteres Odertal Fischkadaver entdeckt worden. Auch ein verendeter Biber sei bereits eingesammelt worden, sagte Michael Tautenhahn vom Nationalpark Unteres Odertal. Die schnelle Ausbreitung habe ihn entsetzt, weil der Fluss Warthe, der in die Oder mündet, sehr viel Wasser in die den Unteren Oderteil speist. "Ich habe bei uns gehofft, dass die Verdünnung die Sache bei uns entschärft. Aber offenbar das saubere Wasser der Warthe hat nicht ausgereicht", so Tautenhahn weiter.

Tote Fische werden eingesammelt

Weil noch vollkommen unbekannt ist, woran die Fische verendet sind und ob auch Gefahren für Menschen bestehen, starten Kommunen wie Frankfurt und Märkisch-Oderland damit, die toten Tiere einzusammeln. Die Kadaver müssten weggebracht werden, denn inzwischen hätten die verendeten Tiere Vögel, aber auch Schlangen angelockt, sagte der Sprecher des Landkreises Sprecher Thomas Behrendt.

In einer gemeinsamen Aktion unter anderem von Wasserwacht, der Feuerwehr und Katastrophenschutzeinheiten sowie Mitarbeitern der Stadtverwaltung und weiterer Vertreter werden die Tierkadaver nun von Wasser- und Landseite eingesammelt, erklärte Frankfurts Oberbürgermeister Rene Wilke (Linke). In Spezialbehältern sollen die Kadaver in einer Verbrennungsanlage des Landesumweltamtes gebracht und dort beseitigt werden.

Auf der polnischen Seite in Slubice haben Freiwillige - organisiert vom lokalen Anglerverein - aufgemacht, die Fischkadaver einzusammeln. "Wir sammeln die toten Fische ein, damit die Vögel sie nicht fressen, damit sie nicht auch noch sterben. Das Ökosystem ist hier wirklich kaputt", sagte Julia Mnolek, die sich in Slubice an den Aufräumarbeiten beteiligte.

Oder-Fischer befürchten erhebliche wirtschaftliche Folgen

Die Berufsfischer an der Oder rechnen mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen für sie. "Auf alle Fälle. Wir sind ja viele Berufsfischereien an der Oder", sagte Andre Schneider aus Kuhbrücke (Märkisch-Oderland). Ein paar Kilometer weiter südlich, in Lebus, das gleiche Bild. Hier haben Angler am Dienstag ebenfalls massenhaft verendete Fische entdeckt. Der herbeigerufene Berufsfischer, Thomas Müller, spricht heute von einer schimmernden Brühe, in der die Fische trieben. "Das Wasser roch irgendwie nach Verdünnungsmittel", sagte er dem rbb.

Berufskollege Henry Schneider aus Brieskow-Finkenheerd (Oder-Spree) stimmt zu: "Sowas haben wir noch nicht erlebt. Tote Fische sind überall zu sehen. Es sind viele", sagte der Fischermeister. Für sein aktuelles Geschäft sieht er bislang keine direkten Folgen. "Wir kommen gut über den Sommer", sagte Schneider.

Da die Oder extremes Niedrigwasser führe, habe er bereits vor drei Wochen die Fischerei in der Oder eingestellt und sei auf andere Gewässer ausgewichen. Ob Laich- und Jungfische gestorben seien, lasse sich erst in einigen Monaten sehen. "Es kann schlimm ausgehen, oder es kann sein, dass die Anrainer mit einem blauen Auge davon kommen", unterstrich Henry Schneider.

Grüne Landtagsabgeordnete kritisiert polnische Informationspolitik

Sarah Damus, Frankfurter Landtagsabgeordnete der Grünen, hat am Mittwoch mit Parteifreunden im Nachbarland telefoniert, "die schon vor einer Woche eine ganze Reihe von Fragen an die polnische Regierung gestellt haben". Es sei nach Sofortmaßnahmen gefragt worden, um die Folgen dieser ökologischen Katastrophe einzudämmen. Geantwortet wurde aber noch nicht. Damus zeigte sich stark verwundert. Sie frage sich, warum die deutsche Seite nicht früher gewarnt wurde, wenn es in Polen schon Ende Juli bekannt war, dass der Fluss verunreinigt wurde.

Trockenheit in Deutschland und Polen

Wasserstand der Oder nur wenige Zentimeter über historischem Extremwert

Sowohl in Polen als auch in Deutschland liegen die Wasserstände der Oder fast so tief wie in den Trockenjahren 2015 und 2018. Darüber, wie mit der wiederkehrenden Dürre umgegangen werden soll, haben die Länder jedoch unterschiedliche Auffassungen.

Im Raum steht zudem die Vermutung, dass das ausgetretene Gift aus einer der vielen polnischen Staustufen heraus gezielt die Oder runtergespült worden ist. Anzeichen dafür: Obwohl es nicht regnete, war der Oderpegel in den letzten Tagen überraschend und kurzzeitig um mehrere Zentimeter gestiegen.

Linksfraktion will Fischsterben im Umweltausschuss thematisieren

Unterdessen beantragte die Linksfraktion das Thema Fischsterben im Umweltausschuss des Brandenburger Landtags zu thematisieren. Das Ministerium solle dabei über Ursachen und Konsequenzen berichten. "Die Bilder von den toten Fischen in der Oder sind schlimm. Jetzt muss es darum gehen, schnell die Ursachen zu klären und die Fischkadaver zu entsorgen, um Gefahren für Menschen und Umwelt abzuwenden", sagte der umweltpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Thomas Domres, laut Mitteilung. "Da das Fischsterben offenbar auf polnischer Seite schon vor Tagen aufgetreten ist, muss außerdem geklärt werden, warum der Informationsfluss zwischen polnischer und deutscher Seite nicht geklappt hat."

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.08.2022, 12:30 Uhr

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