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Audio: Antenne Brandenburg | 11.08.2022 | Detlef Tabbert | Quelle: dpa/P.Pleul

ÖPNV-Experiment

Templin zeigt mit 44-Euro-Jahreskarte, wie günstiger Stadtverkehr geht

Von wegen 365-Euro-Ticket: Vor 25 Jahren wurden in Templin die Busfahrten kostenlos, inzwischen kostet eine Jahreskarte nur 44 Euro. Ein Beispiel für andere Städte, sagt der Templiner Bürgermeister. Doch umsonst ist das nicht.

Während deutschlandweit über ein Nachfolgeangebot für das 9-Euro-Ticket diskutiert wird, zeigt eine brandenburgische Stadt, wie es anders geht. Schon vor 25 Jahren wurde in Templin (Uckermark) der öffentliche Personennahverkehr für einige Jahre umsonst, aktuell kann man dort für 44 Euro im Jahr Bus fahren. Die Zahl der Fahrgäste hat sich seit 1997 nach Angaben der Stadt mehr als verfünffacht.

"Ein Erfolgsmodell hat sich durchgesetzt", sagte der Bürgermeister von Templin, Detlef Tabbert (Die Linke) dem rbb. Der PKW-Verkehr sei weniger geworden, dadurch habe sich die Lärmbelastung für die Anwohner auch reduziert. Die Verkehrssicherheit sei jetzt höher, so der Bürgermeister. Es gehe aber auch darum, dass ältere Menschen das System benutzen und an der Gesellschaft teilhaben.

Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket

"Wir brauchen eine radikale Lösung"

Was nach dem Neun-Euro-Ticket kommen soll, wird viel diskutiert. Vorbilder finden sich in unseren Nachbarländern: Ein Mobilitätsforscher der TU Berlin sieht eine Möglichkeit, diese Modelle auch hier umzusetzen. Von W. Siebert und H. Daehler

Mehr als 200.000 Fahrgäste pro Jahr

"Für 44 Euro kann ich 365 Tage im Jahr fahren, umgerechnet ca. ein '4-Euro-Ticket' im Monat", so der Bürgermeister. Das ist der Preis einer Kurkarte, mit der Bewohner der Stadt und der 15 Ortsteile fahrscheinfrei Bus fahren können. Seit 2020 muss man für die Ortsteile keinen Aufpreis mehr zahlen. "Dieses System ist sehr bürokratiearm und einfach zu handhaben", sagte Tabbert. Die Haltezeiten an den Haltestellen seien dadurch geringer, da die Fahrer nicht ständig Kleingeld ausgeben müssten.

In der uckermärkischen Stadt wurden im Jahr 1997 ca. 41.000 Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr gezählt. Ein Jahr danach, nachdem das System gratis wurde, waren es nach Angaben der Stadt etwa 350.000 Passagiere – achtmal so viele. Die Zahlen stiegen weiter rasant, bis 2003 die Stadt die Busfahrten wieder kostenpflichtig machte – wenn auch sehr günstig. Seitdem zählt man in der 16.000-Einwohner-Stadt mehr als 200.000 Passagiere pro Jahr.

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130.000 Euro jährliche Kosten für die Stadt

Das günstige ÖPNV-System hat jedoch einen Preis: Zur Finanzierung des Projektes stellt die Stadt Templin derzeit jährlich 130.000 Euro aus dem kommunalen Haushalt zur Verfügung. Das Templiner Experiment sei laut Tabbert ein "bewährtes Konzept" und diene als Beispiel für andere Städte in Deutschland. Am besten sei jedoch ein bundesweites System als Nachfolger des 9-Euro-Tickets. "Preiswerte Fahrscheine für alle, um den ÖPNV attraktiver zu machen", fasste er zusammen.

Und das Templiner Experiment soll weitergehen: In den kommenden Jahren wolle man den Busverkehr weiterentwickeln, so der Bürgermeister der Stadt. "Erste Aufgabe wäre es, die Busse auf umweltfreundliche Technik umzurüsten, entweder Wasserstoff oder batteriegetrieben“, sagte Tabbert. Dazu wolle man das Streckennetz optimieren und in den Abendstunden weiterfahren. Es gehe auch darum, die Ortsteile weiterhin "erfolgreich" einzubeziehen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.08.2022, 9:30 Uhr

Mit Material von Sabinne Kramm

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