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Audio: Antenne Brandenburg | 15.06.2020 | Autorin: Dilan Polat | Quelle: dpa/P. Pleul

Erneuerbare Energien in der Corona-Krise

"Bei Windrädern müssen keine Beschäftigten danebenstehen"

In der Corona-Pandemie sank der Stromverbrauch von Firmen, auch in Brandenburg. Kraftwerke wurden runtergefahren, auch weil Personal fehlte. Gleichzeitig stieg der Anteil erneuerbarer Energien im Netz - diese zeigten sich deutlich krisenfester. Von Dilan Polat

Die Corona-Pandemie hat auch den Strommarkt durcheinandergebracht. Durch die sinkende Nachfrage bei Industriekunden ist der Strompreis an der Börse zunächst stark gesunken - derzeit normalisiert er sich wieder. Eine weitere Erkenntnis: Die sogenannten erneuerbaren Energien wurden während der Corona-Krise vermehrt eingespeist.

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Rekord bei der Einspeisung

Traditionell ist Brandenburg die Region, in der viele Solar- und Windkraftanlagen stehen und entsprechend auch Energie einspeisen. Dirk Biermann ist beim Übertragungsnetzbetreiber "50 Hertz" für den Systembetrieb zuständig. Sein Unternehmen speist den Strom der verschiedenen Versorger in das gesamtdeutsche Netz ein. Dort verzeichnet Biermann Zuwächse: "Im vergangenen Jahr hatten wir schon 60 Prozent erneuerbaren Anteil am Stromverbrauch. In diesem Jahr ist das weiterhin gestiegen. Wir haben im Februar sensationell die 100-Prozent-Marke geknackt." Das lag laut Biermann einerseits an günstigen klimatischen Bedingungen, doch zu Beginn der Corona-Krise habe sich diese Tendenz verstärkt gezeigt.

"Stabiler und krisenresistenter"

Seit der Corona-Krise liegt die Einspeisung von erneuerbaren Energien in das Stromnetz bei bis zu 80 Prozent. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass sich die Erneuerbaren bei niedrigen Strompreisen lohnen: Bei der Nutzung fossiler Energieressourcen fallen auch Brennstoffkosten an, so dass klassische Kraftwerke zu Zeiten des Corona-Lockdowns mit sinkendem Stromverbrauch der Industrie oft nicht hochgefahren wurden.

Annalena Baerbock von Bündnis 90/Die Grünen sieht vor allem in der Dezentralität einen Krisenvorteil der erneuerbaren Energien: "Sie sind stabiler und krisenresistenter. Kraftwerke waren betroffen, weil Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen konnten, da nicht immer der Mindestabstand gehalten werden kann. Das ist bei Windkraft- und Solaranlagen natürlich ganz anders. Da müssen keine Beschäftigten danebenstehen und die Stromproduktion ist nicht betroffen, wenn eine Belegschaft ausfällt." Vor allem bei zukünftigen Krisenszenarien seien Großkraftwerke in Bezug auf Angriffe auf die kritische Infrastruktur eher im Visier als viele dezentrale Anlagen, sagt Baerbock.

EWE AG Jahrespressekonferenz der Region Brandenburg/Rügen | Quelle: Dilan Polat/ rbb

Ausbau bei Windkraft stockt auch in Brandenburg

Brandenburg verzeichnete 2019 im Vergleich zu anderen Bundesländern immer noch die stärksten Zubau-Raten bei Windkraftanlagen. Doch im Vergleich zu den Jahren zuvor ist der Ausbau ins Stocken geraten. Damit die Akzeptanz von Windkraftanlagen in der Bevölkerung steigt, hat die Landesregierung vergangenen Juni das Windenergieanlagenabgabengesetz beschlossen. Mit dem Gesetz werden Kommunen, in denen Windenergieanlagen stehen, an den Erträgen beteiligt.

Trend zur Dezentralität und Direktvermarktung

Ob der kommunal betriebene Wärmespeicher im Uckermärkischen Nechlin, der das ganze Dorf versorgt, oder die Solaranlage auf dem eigenen Dach - Dezentralität ist bei der Strom- und Wärmeproduktion im Trend. Wichtig sei bei der Entwicklung der erneuerbaren Energien aber auch die Anbietervielfalt, so Jörg Müller, Vorstandsvorsitzender des Energie-Unternehmens Enertrag: "Wenn das nur vier oder fünf große Firmen machen, vermute ich sehr stark, dass es nicht so viele Ideen geben wird, wie wenn tausende kleine Anbieter von grünem Strom sich hier beteiligen können. Das ist das Entscheidende: Ändert das Erneuerbare-Energien-Gesetz so, dass alle ihre erzeugte Energie selbst verbrauchen, selbst speichern und selbst nutzen können!"

Der regionale Energie- und Erdgasversorger EWE bekommt zunehmend Anfragen von Brandenburger Häuslebauern. Sie wollen Unterstützung bei der Installation solcher Anlagen, sagt EWE-Generalbevollmächtigter Ulrich Müller: "Da spielt einerseits die Bestrebung nach Autarkie eine Rolle und andererseits natürlich auch mit Sonnenstrom etwas für die Nachhaltigkeit und zur Energieversorgung insgesamt zu tun." Dieser Trend entwickele sich sehr stark, aber leider seien dabei diejenigen bevorteilt, die ein eigenes Dach haben. Für diejenigen ohne eigenes Dach gelte es ebenfalls geeignete Modelle zu finden, so Ulrich Müller weiter.

Deckelung der EEG-Umlage durch das Konjunkturpaket

Ein wichtiges Signal kommt derweilen von der Bundesregierung. Im kürzlich beschlossenen Konjunkturpaket [tagesschau.de] ist vorgesehen, die EEG-Umlage aus Mitteln des Bundeshaushalts im kommenden Jahr auf 6,5 Cent/kWh und 2022 auf 6,0 Cent/kWh zu deckeln. "Diese Senkung ist nicht viel und insofern wird das der Endverbraucher nicht wirklich merken. Da geht es um ein paar Euro im Jahr", sagt Dirk Biermann von der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz. Allerdings sei dies eine bemerkenswerte Zahl, die nur mit erhebliche Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt möglich ist, um die EEG-Umlage so niedrig zu halten, so Biermann. Die Förderung der erneuerbaren Energien ist also gesichert, egal wie sehr der Strompreis krisenbedingt schwankt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 15.06.2020, 19:40 Uhr

Beitrag von Dilan Polat

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