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Kritik an Berliner Verkehrspolitik

Carsharing-Anbieter fühlen sich vom Senat ausgebremst

Hohe Parkgebühren und eine schlechte Ladeinfrastruktur ärgern die Carsharing-Anbieter in Berlin. Andere Großstädte böten deutlich bessere Rahmenbedingungen, sagt die Branche. Doch der Senat weist die Kritik zurück. Von Tobias Schmutzler

Sein Neuer ist noch ganz frisch. Michael Fischer kurvt mit einem VW ID.3 zufrieden durch Berlins Straßen. Sein Arbeitgeber, der Carsharing-Anbieter WeShare, setzt voll auf Elektroautos von Volkswagen. Seit einigen Wochen rüstet WeShare die 1.500 Fahrzeuge große Flotte von E-Golf auf ID.3 um.

Wenn Michael Fischer das Auto allerdings gleich abstellt, dann ist es mit der Freude vorbei: "Carsharing-Anbieter zahlen den vollen Parkpreis pro Minute. Das summiert sich pro Anbieter auf mehrere Millionen Euro im Jahr." Dagegen zahlen private PKW-Besitzer 10,20 Euro im Jahr für den Anwohner-Parkausweis. Diese unterschiedliche Behandlung ärgert die Carsharing-Branche – und sie hat Folgen.

WeShare erhöhte die Preise

Vor Kurzem hat Weshare die Preise hochgeschraubt: Im Haupttarif wurde das Fahren und Parken um 10 Cent auf 29 Cent pro Minute erhöht. Hinzu kommt immer 1 Euro pro Miete fix. Hat die Kostenerhöhung auch mit den hohen Parkgebühren in Berlin zu tun? "Indirekt schon. Die Preise für die Kunden richten sich natürlich auch nach den Kosten, die wir in der Stadt haben", sagt Michael Fischer.

Bisher ärgert sich WeShare nur über die Parkgebühren in der Hauptstadt, hält aber trotzdem am Carsharing mit E-Autos fest. Währenddessen hat ein anderer Anbieter schon die Segel gestrichen. Sharenow ist beim Carsharing sozusagen der Platzhirsch: Daimler und BMW stehen hinter dem Unternehmen, zu dem sich die früheren Konkurrenten Car2go und Drivenow zusammengeschlossen haben. Sharenow hat vor einigen Wochen die Leasing-Verträge für seine elektrischen BMW i3 in Berlin nicht verlängert, betreibt die Elektroflotte in anderen Städten aber weiter.

Berlin will Elektromobilität nicht fördern

Für Patrick Tünkers war diese Entscheidung nur folgerichtig. Er ist Business Development Manager bei Sharenow und führt regelmäßig Gespräche mit dem Berliner Senat. Tünkers verweist auf andere deutsche Großstädte, zum Beispiel Hamburg und München: Dort werden Elektroautos generell privilegiert und können kostenlos parken. "Das ist eine wünschenswerte Sache, wenn man Elektromobilität fördern möchte – das tut Berlin aktuell nicht", sagt Tünkers.

Allerdings waren die Parkgebühren nicht der einzige Grund, weshalb Sharenow seine E-Autos abgezogen hat. Auch die schlechte Ladeinfrastruktur war dem Anbieter ein Dorn im Auge, erklärt Patrick Tünkers. Aktuell fahren gut 10.000 Elektroautos in der Stadt – rechnerisch steht für neun E-Autos aber nur etwa eine Ladesäule zur Verfügung.

Senat weist Kritik zurück

Aus Sicht des Senats ist dieses Verhältnis allerdings gar nicht mal schlecht. "Im bundesweiten Maßstab ist Berlin damit führend", sagte der Staatssekretär für Verkehr Ingmar Streese (Grüne) in der rbb-Abendschau. Natürlich müsse man die Ladesäulen aber weiter ausbauen. Im kommenden Jahr seien auch bereits 1.000 neue Ladepunkte in Berlin geplant.

Ein Entgegenkommen bei den Parkgebühren kommt für den Senat dagegen auch in Zukunft nicht in Frage. Das Anbieten von Mietfahrzeugen im öffentlichen Raum sei eine gewerbliche Tätigkeit, für die auch Gebühren erhoben werden sollten, argumentierte Staatssekretär Streese in der rbb-Abendschau.

Alleingelassen und nicht ernstgenommen

Insgesamt bleibt es also bei einem angespannten Verhältnis zwischen Senat und Carsharing-Anbietern. Das kann auch der Geschäftsführer von MILES bestätigen, dessen Unternehmen nur Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren anbietet. Oliver Mackprang fühlt sich nach eigener Aussage vom Senat "nicht gehört, nicht ernstgenommen, einfach alleingelassen. Als würde man Carsharing einfach nicht in der Stadt haben wollen – oder die Bedingungen erschweren wollen".

Doch dieser Eindruck ist laut Staatssekretär Ingmar Streese verkehrt. Mit insgesamt 6.700 Carsharing-Fahrzeugen stehe man im Vergleich mit anderen Städten gut da. "Diese Landesregierung verfolgt das Ziel der Verkehrswende, den Umweltverbund zu stärken – das Carsharing spielt dabei auch eine Rolle", sagte Streese. Doch wie diese Rolle genau aussehen soll, darüber herrschen offenbar sehr verschiedene Ansichten.

Sendung: Abendschau, 06.01.2020, 19:30 Uhr

Beitrag von Tobias Schmutzler

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