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Quelle: dpa/Christoph Hardt

Anstieg bei Bezug von Grundsicherung

Immer mehr Berliner sind im Alter arm

Immer mehr Berliner:innen rutschen in die Altersarmut und sind auf die Grundsicherung angewiesen. In zwei Berliner Bezirken hat sich die Lage besonders verschärft. Von Marie Röder

Am Ende des Monats kaum Geld für Lebensmittel oder einen Kaffee in der Bäckerei um die Ecke. Für den Museumsbesuch sowieso nicht. So geht es immer mehr Senior:innen in Berlin. Rund 48.400 bezogen deswegen im Jahr 2021 die Grundsicherung. Im Jahr 2017 waren es noch 40.550.

Die Zahlen hat die Senatsozialverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Abgeordneten Taylan Kurt und Catrin Wahlen veröffentlicht [pardok.parlament-berlin.de]. Demnach ist auch die Anzahl der Rentner:innen, die Wohngeld beziehen, angestiegen – von rund 13.000 im Jahr 2017 auf gut 14.000 im Jahr 2022.

Mehr Bedarf an Beratungen

Die derzeitige Energiekrise und die Auswirkungen der Inflation auf die finanzielle Lage von älteren Menschen könnten die Zahlen weiter ansteigen lassen. Einige Berliner Sozialberatungen stellen sich bereits auf großen Beratungsbedarf in den kommenden Monaten ein. "Sobald die Leute ihre Betriebskostenabrechnungen haben, werden sie hier anrufen", sagt Beatrice Ewald von der Beratungsstelle Büro 55+ zu rbb|24. Sozialberatungen helfen unter anderem beim Ausfüllen von Anträgen, sie sind aber auch Anlaufstellen für Menschen, die beispielsweise nicht mehr wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen.

Die Sozialberatungen sind laut Senat auch das vorrangige Instrument, um die Altersarmut auf Landesebene zu bekämpfen. Andere Möglichkeiten - die Ausgestaltung einer "armutsfesten" Rente und die Grundsicherung im Alter - seien Sache des Bundes, schreibt die Senatsozialverwaltung in ihrer Antwort.

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Dynamische Dunkelziffer bei der Altersarmut

"Die Verweise an den Bund sind korrekt", findet Catrin Wahlen, Sprecherin für Inklusion und Senior:innen der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Gegenüber rbb|24 betont sie aber auch: "Aber das Land Berlin kann trotzdem mehr machen. Wir müssen zum Beispiel die Datenlage mit einer Studie zu Altersarmut klären." Sie gehe derzeit von einer dynamischen Dunkelziffer der von Altersarmut betroffenen Berliner:innen aus, sagt Wahlen.

Außerdem sieht die Grünen-Politikerin das Land Berlin in der Verantwortung, die Beratungsstrukturen in den Bezirken zu stärken. Viele von Armut betroffene Senior:innen würden die bestehenden Angebote nicht wahrnehmen - "aus Scham, Unwissenheit oder auch Unwillen, weil das oft Leute sind, die sich ihr Leben lang alleine durchgeboxt haben."

Größter Zuwachs in Lichtenberg und Marzahn

Schaut man sich in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage die einzelnen Bezirke an, zeigt sich: In allen Berliner Bezirken gibt es heute mehr Senior:innen, die auf die Grundsicherung angewiesen sind, als noch vor wenigen Jahren. In Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg gab es in den vergangenen Jahren den größten Zuwachs. Während in Marzahn-Hellersdorf die Zahl der Senior:innen mit Grundsicherungsbezug zwischen 2017 und 2021 um gut 30 Prozent anwuchs, sind es in Lichtenberg rund 32 Prozent. Zum Vergleich: Der gesamtberliner Durchschnitt beträgt gute 19 Prozent Zuwachs. Der Bezirk mit dem geringsten Zuwachs an Senior:innen, die auf diese Art von Unterstützung angewiesen sind, ist Friedrichshain-Kreuzberg mit 12,5 Prozent.

In Lichtenberg beobachtet die Leiterin der Immanuel Beratung, Kathrin Häselbarth, bereits mehr Anfragen für Beratungsgespräche - von älteren Menschen, aber auch von jungen. "Außerdem von Menschen, die aus Schichten kommen, die früher nicht angefragt hätten", sagt Häselbarth. Diese machten sich Sorgen, wie sie ihre Heizkosten und Miete in Zukunft zahlen können, sagt Häselbarth. "Die Leute haben wirklich große Angst."

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Auch bundesweit ist Altersarmut ein Problem. Im Paritätischen Armutsbericht 2022 heißt es, dass 17,9 Prozent aller Renter:innen in Deutschland von Armut betroffen seien, darunter viele Frauen. "Altersarmut ist überwiegend weiblich", schreiben die Autor:innen des Berichts [der-paritaetische.de].

Durch das jüngste Entlastungspaket bekommen Rentner:innen zumindest eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro. Diese soll laut Bundesfinanzministerium am 1. Dezember ausgezahlt werden. Dem Problem der Altersarmut dürfte diese Maßnahme angesichts der derzeitigen Lebensmittel- und Energiepreise nur bedingt entgegenwirken.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.09.2022, 18:00 Uhr

Beitrag von Marie Röder

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