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Audio: Antenne Brandenburg | 30.09.2022 | Karsten Zummack | Quelle: imago-images/Rupert Oberhäuser

Handelsverband warnt vor Ladensterben in Brandenburg

Heizung oder Luxusuhr?

Die Corona-Krise ist noch nicht ganz ausgestanden, da wird die Wirtschaft mit ganz neuen Problemen konfrontiert. Inflation und hohe Energiekosten hemmen die Kauflust der Verbraucher. Der Handelsverband schlägt Alarm. Von Karsten Zummack

Reinhard Kuhl ist ein Mann mit grauem Vollbart, randloser Brille und vor allem einer ganz ruhigen Hand. Die braucht er für seinen Job. Denn Kuhl führt in dritter Generation einen Uhren- und Schmuckladen in Oranienburg (Oberhavel). Vor 115 Jahren begann der Großvater damit. Das Geschäft hat also Kriege, die Planwirtschaft, den Trend zum Internethandel und sogar die Corona-Pandemie überlebt.

Die Kunden sparen und die Kosten steigen

Doch jetzt kommt die nächste Krise auf den Uhrmachermeister zu. Die rasant steigenden Energiepreise belasten indirekt die Geschäfte in Kuhls Laden. Zwar kommen die Kunden weiterhin, aber meist nur zum Reparieren oder Batteriewechsel. In Zeiten dünnerer Portemonnaies sparen sie sich aber große Ausgaben. "Teure Sachen werden kaum noch gekauft", beobachtet Reinhard Kuhl. Er spürt ein Abwarten bei den Verbrauchern.

Inflation in Berlin und Brandenburg

Teuerung in der Region liegt bei fast zehn Prozent

Die Inflation in der Region hat sich im September massiv erhöht und ist auf dem höchsten Stand seit 1951. Schuld sind vor allem die Energiepreise. Die Deutschen ändern laut Handelsverband HDE bereits ihr Einkaufsverhalten.

Noch kann er seine zwei Mitarbeiterinnen bezahlen, noch kommt er über die Runden, noch hofft er auf das Weihnachtsgeschäft. Doch der Uhrenmacher sorgt sich um die Umsätze – bei steigenden eigenen Kosten. Mit seinem Laden sitzt er in einem kleinen Einkaufszentrum. Schräg gegenüber blicken Passanten bereits in ein verwaistes Schaufenster. In Oranienburg ist dies aber die Ausnahme, die Kreisstadt ist vom drohenden großen Ladensterben bisher verschont geblieben.

Leerstand in der Fußgängerzone

Das sieht in der Hennigsdorfer Fußgängerzone ein paar Kilometer entfernt etwas anders aus. Nicole Köhler, die hier seit acht Jahren ein Reisebüro betreibt, stößt in ihrer Nachbarschaft immer wieder auf leere Ladenlokale. Vier oder fünf solcher Beispiele fallen ihr spontan ein. "Aufgrund von Pandemie und Schließungen in der Zeit konnten sie keinen Umsatz machen, mussten trotzdem Mieten zahlen – was viele vielleicht nicht mehr konnten", mutmaßt die junge Reiseverkehrskauffrau.

Die neue Energiekrise könnte die Situation der Hennigsdorfer Havelpassage weiter verschärfen. Das örtliche City-Management versucht, mit Veranstaltungen und sogenannten Pop-up-Geschäften – also vorübergehenden Ladennutzungen – eine drohende Tristesse in der Innenstadt zu verhindern.

Energiekrise

Einer Landbäckerei geht die Kohle aus

Die Energiekrise treibt Kosten für Kohle, Gas und Strom in die Höhe. Im brandenburgischen Nennhausen bangt eine Traditionsbäckerei ums Überleben. Ihr geht die Kohle aus. Von Yasser Speck

"Schlimmer als die Corona-Jahre"

"Der Handel stirbt leise", konstatiert der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen. Laut einer aktuellen Studie haben seit 2016 bereits 2.400 Geschäfte aufgegeben. Darin dürften nicht mal alle Fälle enthalten sein. Denn oftmals schließen die Händler einfach ihre Läden zu und gehen, erklärt Busch-Petersen.

4.800 Läden stünden in ganz Brandenburg derzeit bereits leer. Und es könnte noch schlimmer werden, warnt der Handelsverband. Darauf deuten Zahlen des Amtes für Statistik hin. Demnach sank der reale Umsatz des brandenburgischen Einzelhandels im ersten Halbjahr 2022 um 3,5 Prozent – ausgehend von einem ohnehin schwachen Niveau. Als "Ausdruck einer dramatischen Entwicklung" beurteilt Nils Busch-Petersen diese Zahlen. Dafür macht er die Inflationsängste und ein gedrücktes Verbraucherverhalten seit Ausbruch des Ukraine-Krieges verantwortlich. Der Handelsverbandschef warnt vor "einem Winter, der schlimmer als die Corona-Jahre werden könnte", verbunden mit einem Ladensterben.

Energiekosten als große Unbekannte

Dass die Verbraucher ihr Geld zusammenhalten, spürt auch Stefan Wiesjahn. Er ist örtlicher Geschäftsstraßenmanager in Oranienburg. Schon heute beobachtet er eine sinkende Kundenfrequenz in der Einkaufsmeile der Stadt, der Bernauer Straße. Aktuell sind hier noch fast alle Läden vermietet. Doch wer weiß, wie es in ein paar Monaten aussieht? Wiesjahn sorgt sich nicht nur um die Kaufbereitschaft der Verbraucher.

"Wir sind ja leider vor der kalten Jahreszeit. Also werden wir sicher wegen höheren Heizkosten in Verbindung mit Gas eine Kostensteigerung haben", blickt der Oranienburger Geschäftsstraßenmanager voraus. Für die Einzelhändler könnte es sehr schwer werden, das alles zu stemmen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 05.10.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Karsten Zummack

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