Handelsverband warnt vor Ladensterben in Brandenburg - Heizung oder Luxusuhr?

So 02.10.22 | 07:47 Uhr | Von Karsten Zummack
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Symbolbild: Eine Frau geht an einem leerstehenden Geschäft mit der Aufschrift "Wir schließen" im Schaufenster vorbei. (Quelle: imago-images/Rupert Oberhäuser)
Audio: Antenne Brandenburg | 30.09.2022 | Karsten Zummack | Bild: imago-images/Rupert Oberhäuser

Die Corona-Krise ist noch nicht ganz ausgestanden, da wird die Wirtschaft mit ganz neuen Problemen konfrontiert. Inflation und hohe Energiekosten hemmen die Kauflust der Verbraucher. Der Handelsverband schlägt Alarm. Von Karsten Zummack

Reinhard Kuhl ist ein Mann mit grauem Vollbart, randloser Brille und vor allem einer ganz ruhigen Hand. Die braucht er für seinen Job. Denn Kuhl führt in dritter Generation einen Uhren- und Schmuckladen in Oranienburg (Oberhavel). Vor 115 Jahren begann der Großvater damit. Das Geschäft hat also Kriege, die Planwirtschaft, den Trend zum Internethandel und sogar die Corona-Pandemie überlebt.

Die Kunden sparen und die Kosten steigen

Doch jetzt kommt die nächste Krise auf den Uhrmachermeister zu. Die rasant steigenden Energiepreise belasten indirekt die Geschäfte in Kuhls Laden. Zwar kommen die Kunden weiterhin, aber meist nur zum Reparieren oder Batteriewechsel. In Zeiten dünnerer Portemonnaies sparen sie sich aber große Ausgaben. "Teure Sachen werden kaum noch gekauft", beobachtet Reinhard Kuhl. Er spürt ein Abwarten bei den Verbrauchern.

Noch kann er seine zwei Mitarbeiterinnen bezahlen, noch kommt er über die Runden, noch hofft er auf das Weihnachtsgeschäft. Doch der Uhrenmacher sorgt sich um die Umsätze – bei steigenden eigenen Kosten. Mit seinem Laden sitzt er in einem kleinen Einkaufszentrum. Schräg gegenüber blicken Passanten bereits in ein verwaistes Schaufenster. In Oranienburg ist dies aber die Ausnahme, die Kreisstadt ist vom drohenden großen Ladensterben bisher verschont geblieben.

Leerstand in der Fußgängerzone

Das sieht in der Hennigsdorfer Fußgängerzone ein paar Kilometer entfernt etwas anders aus. Nicole Köhler, die hier seit acht Jahren ein Reisebüro betreibt, stößt in ihrer Nachbarschaft immer wieder auf leere Ladenlokale. Vier oder fünf solcher Beispiele fallen ihr spontan ein. "Aufgrund von Pandemie und Schließungen in der Zeit konnten sie keinen Umsatz machen, mussten trotzdem Mieten zahlen – was viele vielleicht nicht mehr konnten", mutmaßt die junge Reiseverkehrskauffrau.

Die neue Energiekrise könnte die Situation der Hennigsdorfer Havelpassage weiter verschärfen. Das örtliche City-Management versucht, mit Veranstaltungen und sogenannten Pop-up-Geschäften – also vorübergehenden Ladennutzungen – eine drohende Tristesse in der Innenstadt zu verhindern.

"Schlimmer als die Corona-Jahre"

"Der Handel stirbt leise", konstatiert der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen. Laut einer aktuellen Studie haben seit 2016 bereits 2.400 Geschäfte aufgegeben. Darin dürften nicht mal alle Fälle enthalten sein. Denn oftmals schließen die Händler einfach ihre Läden zu und gehen, erklärt Busch-Petersen.

4.800 Läden stünden in ganz Brandenburg derzeit bereits leer. Und es könnte noch schlimmer werden, warnt der Handelsverband. Darauf deuten Zahlen des Amtes für Statistik hin. Demnach sank der reale Umsatz des brandenburgischen Einzelhandels im ersten Halbjahr 2022 um 3,5 Prozent – ausgehend von einem ohnehin schwachen Niveau. Als "Ausdruck einer dramatischen Entwicklung" beurteilt Nils Busch-Petersen diese Zahlen. Dafür macht er die Inflationsängste und ein gedrücktes Verbraucherverhalten seit Ausbruch des Ukraine-Krieges verantwortlich. Der Handelsverbandschef warnt vor "einem Winter, der schlimmer als die Corona-Jahre werden könnte", verbunden mit einem Ladensterben.

Energiekosten als große Unbekannte

Dass die Verbraucher ihr Geld zusammenhalten, spürt auch Stefan Wiesjahn. Er ist örtlicher Geschäftsstraßenmanager in Oranienburg. Schon heute beobachtet er eine sinkende Kundenfrequenz in der Einkaufsmeile der Stadt, der Bernauer Straße. Aktuell sind hier noch fast alle Läden vermietet. Doch wer weiß, wie es in ein paar Monaten aussieht? Wiesjahn sorgt sich nicht nur um die Kaufbereitschaft der Verbraucher.

"Wir sind ja leider vor der kalten Jahreszeit. Also werden wir sicher wegen höheren Heizkosten in Verbindung mit Gas eine Kostensteigerung haben", blickt der Oranienburger Geschäftsstraßenmanager voraus. Für die Einzelhändler könnte es sehr schwer werden, das alles zu stemmen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 05.10.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Karsten Zummack

41 Kommentare

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  1. 41.

    "Die Sanktionen sind der „Steinzeit-Teil“. Die wirken sich erst nach der Niederlage aus.
    Für den Kriegsverlauf tragen sie nichts, bis sehr wenig bei."

    Wenn "die Russen", gemeint ist die russische Armee, auf Kriegsgerät der 80er zurückgreifen muß... wirken die Sanktionen.

  2. 40.

    Die Sanktionen sind der „Steinzeit-Teil“. Die wirken sich erst nach der Niederlage aus.
    Für den Kriegsverlauf tragen sie nichts, bis sehr wenig bei.

  3. 38.

    Da haben Sie natürlich Recht.
    Ich bitte aber meinen Kommentar (der Verwunderung ausdrücken soll) auch in diesem Sinne zu werten.
    Und in Berlin ist ja schließlich auch oft eine Menge los...
    MfG

  4. 37.

    Die Sanktionen wirken dennoch, sonst würde Putin nicht so schäumen. Hightech Waffen kosten richtig Geld und benötigen Bauteile aus dem Westen.

    Ist ja richtig was Sie aufzählen, dazu kommt noch die völlig überholte sowjetische Militärdoktrin.

  5. 36.

    Nein ist in erster Linie die Kampfmoral gefolgt von westlichen Waffensystemen, insbesondere denen der USA und GB. Aber das alles Entscheidende ist zu wissen, für wen und was man kämpft.
    Und Russland wird diesen Krieg schneller verlieren, als Putin und sein Anhängsel denken. Das Ergebnis ist ein selbst in die Steinzeit zurückgebombtes Russland.

  6. 35.

    "Was die Berliner wieder ihren Senf zum "Ladensterben" in Brandenburg dazugeben "müssen"..." Das ist die gewünschte Meinungsfreiheit im vereinigten Deutschland. JEDE/R darf seinen "Senf" zu JEDEM Thema dazugeben. Wovon Sie im Übrigen ja auch regen Gebrauch machen, auch, wenn es um Nicht-Brandenburger Themen geht.

  7. 34.

    Zustimmung!
    Aber wer meint denn bitte auf lange Sicht MIT Putin zu planen?
    Es ist gerade der Akutheit (mangels Weitsicht) der Lage geschuldet.
    Ich glaube Niemand rechnet mehr mit KGB-Putin in mehr als 2 Jahren.
    Ich jedenfalls nicht.

  8. 33.

    "Wer hat sinnlose Sanktionen gegen Russland beschlossen?" Die Sanktionen wirken, Putins marodierende, mordende und vergewaltigende Soldateska kommt ins Wanken.

    "Wer sorgt gerade dafür das Strom und Gas unbezahlbar wird?" Der Diktator Putin und die Vorgängerregierungen, die uns von einem Diktator abhängig gemacht, gleichzeitig aber den Ausbau der EE erfolgreich sabotiert haben.

  9. 32.

    Wer meint, dass sich die Unterwürfigkeit einem Aggresor gegenüber auf lange sicht lohnt, der hat kein moralisches Rückgrat, keine politische Weitsicht, und früher oder später zahlt er noch einen viel höheren Preis.

  10. 30.

    Hand auf's Herz, Gina: Würden Sie immer noch so denken, wenn die Krise auch Ihren Arbeitsplatz kosten würde? Wie wäre es dann um Ihre Komfortzone bestellt? Oder trösten Sie sich dann mit dem recht lukrativen Bürgergeld, welches Sie (letztlich) bekämen - natürlich ohne zu vergessen, wer dieses für Sie ganz 'solidarisch' mit erwirtschaften würde?

    Solidarität ja, dennoch hat sie Grenzen.

  11. 29.

    Was die Berliner wieder ihren Senf zum "Ladensterben" in Brandenburg dazugeben "müssen"...

  12. 28.

    Der Ernst der Lage und die Bedeutung von Insolvenzen sind Ihnen aber schon bekannt???

  13. 27.

    Also die Gaswerke in Jungfernheide machten wegen der (ach so tollen) "Wende" dicht und nicht wegen Nord Stream 1/2.
    Link: https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/gebaeude-und-anlagen/sonstige/artikel.239179.php

  14. 26.

    Ich bin voll der Meinung von Sebastian. Die angeordneten Sanktionen schaden Deutschland und EU am meisten. Die Ampel ist ratlos bei Suche nach ausreichender Energieversorgung. Dieser Doppel-Wumms von Scholz ist operative Hektik und verbirgt geistige Windstille

  15. 25.

    Ich glaube @Teichert meint die Kohlevergasung. Daraus lassen sich auch sämtliche Gassorten energieintensiv herstellen.
    Aber billiger ist Fracking. Allerdings ist auch sowas für die Umwelt eine Katastrophe.

  16. 24.

    „ Und jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit Solidarität!“
    Doch, genau damit komme ich Ihnen. Diese verwöhnte Generation, die immer alles bekam verhält sich nun dermassen egoistisch und jämmerlich, weil sie mal die A…backen zusammenkneifen und die Komfortzone verlassen muss. Verwöhnt bis zum geht nicht mehr …

  17. 23.

    Naja, durch das Rumgeeiere unserer Regierung gepaart mit den Schandbriefen der Energieversorger, die gar nicht wirklich pleite sind, weiss doch keiner mehr, ob er morgen 100 oder 200 oder 1500 Euro fürs Gas zahlen muss, Horrorbeispiele geistern durch die BILD. Da soll jemand noch was kaufen? Lebensmittel sind um 19 % teurer geworden... die brauche ich, und da spare ich und kaufe billig, da fällt alles andere runter. ALLES. Hose flicken lassen, statt neu, alte Schuhe, einfach mal NIX kaufen, weils jetzt schon nicht mehr geht oder noch unklar ist, WIE es weiter geht.

    Und dann noch sowas wie Grundsteuer-Abfrage nebst Erhöhung, die dann folgt, und Corona Maßnahmen - also KAUFLAUNE sieht anders aus, oder Optimismus oder so.

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