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Quelle: imago images/MiS

Interview |Arbeitsrecht

Dürfen Arbeitgeber eine Impfung verlangen?

Nicht alle wollen sich gegen Covid-19 impfen lassen - zumindest nicht sofort. Was aber ist, wenn der Arbeitgeber das gern möchte? Kann er seine Angestellten zwingen? Das nicht, sagt Arbeitsrechts-Anwalt Tobias Werner. Aber gewisse Ausnahmen gibt es schon.

rbb|24: Herr Werner, kennen Sie Fälle, in denen Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber ihre Angestellten unter Druck gesetzt haben, damit diese sich impfen lassen?

Tobias Werner: Einen konkreten Fall kenne ich dazu tatsächlich noch nicht. Das mag sich in Folge der mittlerweile aufgehobenen Impfpriorisierung womöglich ändern. Insofern kann es durchaus sein, dass diese Problematik auch an Fahrt aufnimmt.

Darf mein Arbeitgeber von mir verlangen, dass ich mich gegen Corona impfen lasse?

Es besteht keine Impfpflicht. Insofern darf der Arbeitgeber auch nicht verlangen, dass Sie sich als Arbeitnehmer impfen lassen.

Zur Person

Muss ich Konsequenzen befürchten, wenn ich mich nicht impfen lasse?

Da keine Impfpflicht besteht und eine etwaige Weisung des Arbeitgebers, sich impfen zu lassen, dann auch unwirksam wäre, müssen Sie als Arbeitnehmer auch keine Sanktionen befürchten.

Was kann ich als Arbeitnehmer tun, wenn ich zur Impfung gedrängt werde, mich aber nicht impfen lassen möchte?

Sich nicht unter Druck setzen lassen. Es besteht keine Impf-Pflicht. Der Arbeitgeber darf auch keinen Druck ausüben. Das wäre alles rechtswidrig. Und da kann ich nur empfehlen, standhaft zu bleiben, gegebenenfalls mit der Arbeitnehmervertretung - wenn es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt - Kontakt aufzunehmen. Wenn mit dieser Begründung eine Kündigung ausgesprochen wird, rate ich natürlich dringend, sich gegen die Kündigung zur Wehr zu setzen und dagegen zu klagen.

Muss ich meinem Arbeitgeber überhaupt darüber Auskunft geben, ob ich geimpft bin?

Nein, eine solche Verpflichtung kenne ich nicht.

Gilt das auch für besonders sensible Arbeitsplätze - etwa wenn ich im Gesundheitswesen arbeite oder körpernahe Dienstleistungen erbringe? Kann mein Arbeitgeber mich auch hier nicht verpflichten, mich impfen zu lassen?

In einigen sensiblen Bereichen gibt es Ausnahmen. Ich denke da vorrangig an die Gesundheitspflege und Gesundheitsvorsorge: Krankenhäuser und Arztpraxen. Die sind verpflichtet - natürlich im Sinne des Patientenschutzes - alle erdenklichen medizinisch notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Und dazu gehört unter Umständen auch, dass die Mitarbeiter geimpft sind. Das läuft am Ende auf eine De-facto-Impfverpflichtung für die dort beschäftigten Mitarbeiter hinaus, wenn man so will. Eine Weigerung, sich impfen zu lassen, kann dann zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.

Welche könnten das sein?

Der Arbeitgeber kann Sie nicht vertragsgemäß beschäftigen, Sie bieten nicht ordnungsgemäß Ihre Arbeit an - ohne eine entsprechende Impfung. Der Arbeitgeber wäre zwar vorrangig gehalten, Sie anderweitig einzusetzen. Wenn aber keine andere Beschäftigungsmöglichkeit besteht, muss der impfunwillige Arbeitnehmer mit einer Abmahnung oder gegebenenfalls auch mit einer Kündigung rechnen.

Kann mein Arbeitgeber mich an anderer Stelle im Betrieb einsetzen, wenn ich mich nicht impfen lasse? Ich denke da zum Beispiel an Krankenhäuser.

Das darf er. Dazu ist er berechtigt. Er ist dann sogar verpflichtet, Sie dort einzusetzen. Kommen Sie dem nicht nach, dann begehen Sie eine Pflichtverletzung, die geahndet werden kann.

Habe ich als Arbeitnehmer ein Recht auf Homeoffice? In dem Fall, dass ich mich derzeit nicht impfen lassen möchte, aber vielleicht zu einer Risikogruppe gehöre?

Aufgrund der neuen Regelungen im Infektionsschutzgesetz steht mir als Arbeitnehmer ein Recht auf Homeoffice zu. Allerdings mit der Ausnahme: Dem Arbeitgeber muss es möglich sein, die Personen natürlich auch im Homeoffice zu beschäftigen. Also wenn ich jetzt an eine Verkäuferin oder einen Verkäufer denke, da ist das Homeoffice schlicht nicht möglich und undenkbar.

Wird dieser Konflikt in Zukunft ein größeres Problem in der Arbeitswelt werden?

Das glaube ich nicht. Auch wenn es aktuell noch diverse offene Rechtsfragen gibt, wird sich das, denke ich, in naher Zukunft klären. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass es zukünftig zu größeren arbeitsrechtlichen Problemen oder Auseinandersetzungen kommt.

Einmal aus Arbeitgeber-Sicht gesehen: Was kann ich als Arbeitgeber tun, wenn ich eine besondere Gefährdung für meine anderen Arbeitnehmer oder auch für meine Auftraggeber sehe, wenn sich meine Mitarbeiter nicht impfen lassen wollen?

Es ist am Ende natürlich immer eine Abwägung vorzunehmen: zum einen die Interessen von Arbeitnehmern, sich nicht impfen zu lassen. Es ist ein Eingriff in die körperliche Integrität. Demgegenüber stehen die Arbeitgeberinteressen. In diesem Spannungsfeld ist die Frage am Ende zu beantworten, und das ist immer eine Einzelfallentscheidung. Unter Umständen kann dann eben auch eine De-facto-Impfverpflichtung bestehen, und der Arbeitgeber kann von seinen Mitarbeitern verlangen, im Ausnahmefall geimpft zu werden - so ich denn dieses Problem als Arbeitgeber nicht anderweitig gelöst bekomme, also die Mitarbeiter nicht woanders einsetzen kann. Am besten ist es aber immer, wenn beide Seiten einfach miteinander reden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Friedrich Herkt.

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