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Audio: rbb24 Inforadio | 13.07.2022 | Christoph Keller | Quelle: dpa/Annette Riedl

Erste Impfungen am Mittwoch

Lauterbach fordert mehr Impfstoff für Affenpocken-Hotspot Berlin

Seit Mittwoch können sich Menschen in der Hauptstadt gegen Affenpocken impfen lassen - mit einiger Verzögerung. Der Bundesgesundheitsminister will indes mehr Impfstoff nach Berlin bringen, denn die Hauptstadt ist mit Abstand der Hotspot in Deutschland.

Berlin gilt bundesweit als Hotspot von Affenpocken-Infektionen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will sich deshalb dafür einsetzen, dass Berlin mehr Impfstoff gegen Affenpocken bekommt. Dem ZDF sagte Lauterbach am Mittwoch, die Menge an Impfstoff, die Berlin im Verhältnis zu anderen Bundesländern erhalte, sei zu niedrig.

Die Stadt sei ein Hotspot der Affenpocken-Infektionen. Sie müsse deshalb auch überproportional mit Impfstoff versorgt werden. Deutschland habe bisher 40.000 Dosen bekommen, weitere 200.000 seien bestellt. Nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Soziales [berlin.de] sind in der Bundeshauptstadt bislang 986 Affenpockenfälle bekannt [Stand 12. Juli], bei nahezu allen Betroffenen handelt es sich um Männer. In ganz Deutschland gibt es derzeit knapp 1.600 Infizierte.

Impf-Termine können telefonisch und anonym vereinbart werden

In Berlin sind am Mittwoch die ersten Schutzimpfungen gegen Affenpocken verabreicht worden. In Anwesenheit von Gesundheitsstaatssekretär Thomas Götz und Gesundheitsstadtrat Christoph Keller (Linke) erhielten Impfwillige im Zentrum für sexuelle Gesundheit des Gesundheitsamts Berlin-Mitte die erste Spritze.

Wer an einer Impfung interessiert ist, kann unter der Telefon-Hotline (030/9018 41000) einen Termin vereinbaren, wie eine Referentin des Gesundheitsstadtrats mitgeteilt hatte. Die Termine könnten auch anonym vereinbart werden, sagte Keller am Mittwoch im rbb24 Inforadio. So wolle man auch Menschen erreichen, die sonst Gefahr liefen, stigmatisiert zu werden. Unter der Hotline könnten die Menschen eine Rückrufnummer hinterlassen, so Keller. Die Beratungsstelle melde sich dann mit einem Terminvorschlag zurück.

Auch in anderen Einrichtungen in Berlin sind künftig Impfungen möglich. Seit Dienstag werden laut der Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit, Laura Hofmann, Praxen, Kliniken und andere Einrichtungen beliefert. Der Verein Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä e.V.) hat eine vorläufige Liste der Impfstellen zusammengestellt. [www.dagnae.de | pdf]

Keller und Larscheid verteidigen Impfstarttermin gegen Kritik

Ende Juni hatte Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) das Ziel ausgegeben, in der ersten Juli-Woche mit den Impfungen zu beginnen. Die Deutsche Aidshilfe hatte kritisiert, dass sich der Impfstart gegen die Affenpocken hinziehe. Der Impfstoff lagere seit Wochen in Berlin und die Verteilung dauere zu lang. Sprecher Holger Wicht hatte gesagt, er hätte sich einen pragmatischeren Umgang mit dem Thema gewünscht.

Gesundheitsstadtrat Keller verteidigte am Mittwoch im rbb24 Inforadio den verspäteten Start der Impfkampagne in Berlin. Man habe erst die rechtlichen Grundlagen schaffen müssen, sagte der Linken-Politiker. Außerdem habe man Verhandlungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung führen müssen. Das habe aber dazu geführt, dass nun 22 Praxen die Impfungen anböten.

Auch der Amtsarzt von Berlin-Reinickendorf, Patrick Larscheid, sieht kein Problem im Berliner Termin des Impfstarts. "Woanders geht es auch nicht viel schneller. Für mich ist es eher eine Erfolgsgeschichte, dass es jetzt in Berlin vorangeht", sagte Larscheid am Mittwoch im rbb-Hörfunkprogramm Radioeins.

Der entsprechende Impfstoff sei in Deutschland noch nicht zugelassen gewesen, die Betroffenen hätten hier ein Recht auf umfängliche Aufklärung, so Larscheid. Hinzu seien logistische Probleme gekommen: "Das sowas über Nacht geht, ist illusorisch. Ich würde das nicht als verspätet bezeichnen."

In Brandenburg wird schon geimpft

Durch die Verzögerung in Berlin war Brandenburg, wo es deutlich weniger Infektionen gibt, schneller. Dort hat schon vor Tagen die Impfung gegen das Affenpocken-Virus begonnen. Das Gesundheitsamt in Potsdam habe die erste Impfung am vorigen Donnerstag verabreicht, die sei bei einer Person mit Risikokontakt erfolgt, teilte das Gesundheitsministerium am Wochenende mit. Weitere Impftermine würden derzeit vereinbart. Inzwischen gibt es in Brandenburg nach Angaben des Ministeriums 28 bestätigte Affenpocken-Fälle.

Brandenburg hat nach Angaben des Ministeriums 240 Dosen des Impfstoffes gegen Affenpocken vom Bund erhalten. Die sollen zunächst vor allem bei engen Kontaktpersonen von Infizierten eingesetzt werden. Der Impfstoff wird bei minus 20 Grad Celsius in der Apotheke des Potsdamer Klinikums Ernst von Bergmann gelagert. Die Impfungen übernehme der öffentliche Gesundheitsdienst der Landeshauptstadt Potsdam und die landesweit einzige HIV-Schwerpunktpraxis in Blankenfelde-Mahlow, teilte das Gesundheitsressort mit.

Stiko empfiehlt Impfungen gewissen Personen

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine Impfung für bestimmte Risikogruppen und Menschen, die engen Kontakt zu Infizierten hatten. Ein erhöhtes Infektionsrisiko sieht das Gremium bei Männern, die gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte mit wechselnden Partnern haben. Die Stiko weist aber auch darauf hin, dass Affenpocken auch bei heterosexuellen Kontakten übertragen werden können.

Für die Grundimmunisierung seien zwei Impfstoffdosen im Abstand von etwa einem Monat nötig. Menschen, die bereits gegen Pocken geimpft wurden, benötigten nur eine Dosis. Geimpft wird mit dem Pockenimpfstoff Imvanex.

Affenpocken gelten - verglichen mit den seit 1980 ausgerotteten Pocken - als weniger schwere Erkrankung. Symptome wie Fieber und Hautausschlag verschwinden gewöhnlich innerhalb weniger Wochen von selbst, können aber bei einigen Menschen zu medizinischen Komplikationen und in sehr seltenen Fällen zum Tod führen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.07.2022, 7:05 Uhr

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