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Katrin Vernau ist rbb-Interims-Intendantin

Die Alternativlose

Sie wird als "Meisterin der Zahlen" beschrieben - nun soll Katrin Vernau beim rbb aufräumen. In ihrer beruflichen Vergangenheit sammelte die bisherige Verwaltungsdirektorin des WDR bereits Erfahrung bei Themen, die auch den rbb zurzeit umtreiben. Von Stephan Ozsváth

"So nicht, das ist keine Wahl" – so empfingen Mitarbeiter des rbb die "Neue" aus Köln zur Sitzung des Rundfunkrates in Potsdam. Die bisherige WDR-Verwaltungsdirektorin Katrin Vernau hatte sich als einzige Kandidatin dem Gremium präsentiert – und fiel im ersten Wahlgang durch. Nur 12 von 20 votierten zunächst für sie, sieben stimmten mit Nein, es gab eine Enthaltung.

Erst im zweiten Wahlgang erreichte Katrin Vernau dann die erforderliche Mehrheit von 14 Ja-Stimmen. Die Kandidatin war von einer Findungskommission vorgeschlagen worden, die der Rundfunkrat bestimmt hatte. Im Vorfeld der Wahl hatte es Kritik gegeben, auch aus der Politik. Keine Ostdeutsche. Einzige Kandidatin. Buhrows Statthalterin, so war zu hören. "Die Arbeit, die vor uns liegt, wird nicht einfach sein", sagte Vernau nach ihrer Wahl zur neuen Interimsintendantin.

Interims-Intendantin gewählt

Katrin Vernau will den rbb schnellstmöglich aus der Krise führen

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg hat eine Übergangsintendantin gefunden. Im zweiten Wahlgang haben die Mitglieder des Rundfunkrates Katrin Vernau zur rbb-Interimsintendantin gewählt - nun steht ein Kassensturz im Sender an.

Feuerwehr aus Köln

Vernau soll für mindestens ein Jahr den rbb aus dem schweren Fahrwasser lotsen, in das Patricia Schlesinger den Sender der Hauptstadtregion geführt hatte. Fernsehjournalistin Schlesinger hatte als Intendantin und ARD-Vorsitzende zurücktreten müssen, weil ihr Vorteilsnahme und Vetternwirtschaft vorgeworfen wird.

Seit Juni hatte es zahlreiche Presseveröffentlichungen um Boni, Luxus-Ausstattung des Intendantinnenbüros, teure Dienstwagen und Beraterverträge gegeben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Schlesinger, ihren Mann und den früheren Vorsitzenden des RBB-Verwaltungsrates Wolf. In einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" wies Schlesinger die Vorwürfe zurück und erklärte, sie habe die Wut der Mitarbeiter im Sender unterschätzt.

DJV: "Meisterin der Zahlen"

Nun soll also Katrin Vernau beim rbb aufräumen. Sie stammt aus Villingen-Schwenningen wurde 2015 Verwaltungsdirektorin des WDR. Davor war die Wirtschaftswissenschaftlerin Kanzlerin der Universitäten Ulm und Hamburg. Lange war sie auch für Unternehmensberatung Roland Berger tätig.

Studiert hat sie in St.Gallen und New York, ihre Doktorarbeit legte sie in Potsdam vor. Sie sei eine "Meisterin der Zahlen und Ausgaben", sagt Steffen Grimberg, der Vorsitzende des Berliner Ablegers des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) dem rbb. Es gebe einige "interessante Parallelen" zwischen den beiden Häusern.

Beim WDR habe sie "diverse Schieflagen erkunden und wegräumen müssen", hausintern verpassten ihr die Kölner Mitarbeiter den Spitznamen "Stahlbesen". Sie war auch zuständig für das Großprojekt WDR-Filmhaus in der Kölner Innenstadt. Weil die Kosten explodiert waren, hatte die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) Gelder eingefroren.

Am Ende sollte es fast eine Viertelmilliarde Euro kosten, statt der ursprünglich veranschlagten 80 Millionen. Beim rbb ist das Projekt "Digitales Medienhaus" derzeit gestoppt, weil es zum Millionengrab zu werden drohte. "Da gibt es die eine oder andere Gemeinsamkeit", sagt Grimberg. Die Gewerkschaften haben Vernau als "harte Verhandlerin" kennen gelernt, heißt es beim DJV in Nordrhein-Westfalen, sie sei aber verlässlich und klar. In Münster habe sie den geplanten Neubau des WDR-Landesstudios abgespeckt, bestätigen Mitarbeiter des Senders.

Medienausschuss des Abgeordnetenhauses

rbb-Beschäftigte fordern mehr Mitsprache im Sender

Expertise beim Thema Bonus-Zahlungen

Bei der Unternehmensberatung Roland Berger erwarb sich Vernau ausgerechnet Expertise zum Thema Bonus-Zahlungen. "Ein Fun-Fact", spottet DJV-Chef Grimberg, denn zuletzt hatten Bonuszahlungen für leitende rbb-Mitarbeiter für Unmut in der Belegschaft aber auch bei Beitragszahlern gesorgt, wie ein Blick in Online-Kommentarspalten zeigt. "Ich hoffe, dass sie aus dieser konkreten Beschäftigung damit weiß, dass das für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine gute Idee ist", so Grimberg. Die Bonuszahlungen sollen im RBB abgeschafft werden.

Solo mit Stirnrunzeln

Dass mit Vernau nur eine Kandidatin als Interims-Intendantin des rbb zur Verfügung stand, sorgt in der Belegschaft, aber auch beim DJV für Stirnrunzeln. "Das ist eine Wahl, bei der man nur durch Zustimmung oder Nicht-Zustimmung wählen kann", so Steffen Grimberg, "da wären mehrere Kandidatinnen oder Kandidaten sinnvoller gewesen".

Die hätte es sogar gegeben, erklärte Dagmar Bednarek, die Vorsitzende der Freienvertretung im rbb auf Radiodins, und nennt zwei. Das Prozedere, keine Alternative zu haben, sei "ein höchst undemokratisches Verfahren", urteilt sie deshalb. "Wir als Personalvertreter hatten nur die Aufgabe: Daumen hoch oder Daumen runter."

Die Interimsintendantin wird mit Gegenwind rechnen müssen, einen ersten Vorgeschmack bot das Durchfallen im ersten Wahlgang. Der rbb-Redaktionsausschuss äußerte Zweifel, "dass das gewählte Verfahren ohne echte Auswahl für die Rundfunkräte geeignet ist, das Vertrauen der Belegschaft in die Interimsintendantin zu fördern". Es müsse auch der Eindruck vermieden werden, dass "eine Statthalterin des WDR" nach Berlin komme, beschreibt der Redakteursausschuss das Minenfeld, in dem sich Vernau nun bewegen muss. Der WDR hat nach dem Rücktritt von Patricia Schlesinger wieder den ARD-Vorsitz übernommen.

Entlassene Intendantin

Filz-Vorwürfe: Schlesinger verteidigt sich in Interview

Die ehemalige rbb-Intendantin Schlesinger hat sich in der "Zeit" zu den Vorwürfen gegen sie geäußert. Dabei widersprach sie Polizeipräsidentin Slowik. Den Unmut der Belegschaft habe sie unterschätzt.

Vernau will "Kassensturz" machen

Vernaus Aufgabe im rbb wird es sein, die Strukturen im Sender neu zu ordnen und den Weg für die Wahl einer regulären Senderspitze zu ebnen. Die Belegschaft des rbb hat bereits konkrete Forderungen formuliert, will eigene Vertreter in einen zu gründenden "Beirat" von Intendanz und Geschäftsführung entsenden. DJV-Chef Grimberg warnte, es müsse jetzt eine "schonungslose Bestandsaufnahme" geben. "Was wir jetzt gar nicht brauchen, ist weitere Geheimniskrämerei oder Versuche, hinter die Fichten zu führen, wie es zuletzt bei der Frage nach den Boni war, die es angeblich nicht gab".

Halbwegs zufrieden mit der Wahl Vernaus zeigte sich der Brandenburger SPD-Medienpolitiker Erik Stohn: "Frau Vernau bringt die nötige Kompetenz mit, sie hat das Zeug, unseren Heimatsender wieder auf Kurs zu bringen". In ihrem Statement nach der Wahl erklärte sie, einen "Kassensturz" machen zu wollen, Projekte auf den Prüfstand zu stellen, auch das derzeit gestoppte digitale Medienhaus. Sie wolle ein Team in der Geschäftsleitung schaffen, "das kann ich nicht alleine", aber auch "Foren schaffen" für den Austausch mit der Belegschaft. "Es ist auch wichtig, dass jeder Einzelne begreift, dass es auch an ihm liegt, den rbb aus dieser Krise zu führen."

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 07.09.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Stephan Ozsváth

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