Entlassene Intendantin - Filz-Vorwürfe: Schlesinger verteidigt sich in Interview

Mi 07.09.22 | 14:34 Uhr
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Patricia Schlesinger, ehemalige Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Audio: rbb24 Inforadio | 07.09.2022 | Bild: dpa/Britta Pedersen

Die ehemalige rbb-Intendantin Schlesinger hat sich in der "Zeit" zu den Vorwürfen gegen sie geäußert. Dabei widersprach sie Polizeipräsidentin Slowik. Den Unmut der Belegschaft habe sie unterschätzt.

Die fristlos entlassene Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb), Patricia Schlesinger, hat sich erneut gegen Vorwürfe des Filzes und der Vetternwirtschaft verteidigt. In einem Interview der Wochenzeitung "Die Zeit" [www.zeit.de | Bezahlschranke] äußerte sie zugleich Bedauern darüber, dass sie Unmut im eigenen Haus gegen die Führung unterschätzt habe. Schlesinger ließ offen, ob sie gegen die fristlose Kündigung vorgehen wird.

Zu den seit Ende Juni durch Medienberichte aufgekommenen Vorwürfen gegen Schlesinger zählt auch eine umstrittene Praxis von Abendessen in ihrer Privatwohnung auf Senderkosten, diese sollen nicht korrekt abgerechnet worden sein. Dazu sagte sie: "Ich habe alles nach bestem Wissen abgerechnet."

Zur Gästeauswahl und den Themen bei den Abendessen ergänzte sie: "Da saßen Menschen aus Politik, Wirtschaft, Kultur, aus Institutionen und Behörden am Tisch, wir haben dementsprechend über Politik, Wirtschaft, Kultur und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesprochen. Was ist gut, was läuft schlecht? Solche Unterhaltungen haben fließende Übergänge."

Schlesinger widerspricht Polizeipräsidentin Slowik

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Schlesinger hatte sich die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik zu Wort gemeldet. Sie war Gast eines solchen Abendessens gewesen. Slowik hatte betont, dass sie selbst den Eindruck gehabt habe, dass es sich um ein privates Abendessen handele. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass diese auf Senderkosten abgerechnet worden sein sollen. "Ich wurde eingeladen zur Einweihung der neuen Wohnung mit Freunden und so war die Atmosphäre und die Stimmung", sagte Slowik Anfang August.

Schlesinger sagte angesprochen auf Slowiks Eindruck: "Alle Gäste haben die gleiche Einladung bekommen. Darin stand nichts von einem Abend unter Freunden, geschweige denn von einer Wohnungseinweihung, davon war definitiv nicht die Rede. Interessante, facettenreiche Persönlichkeiten haben so zusammengefunden."

Dienstwagen ausgestattet mit "überflüssigem Klimbim"

In die Kritik geriet auch, dass der RBB für einen teuren Dienstwagen Schlesingers mit Massagesitzen einen sehr hohen Rabatt bekam - der Intendantin stand zudem ein Privatchauffeur zur Verfügung. Die 61-Jährige sagte, sie habe sich keine Massagesitze gewünscht. "Ich habe den Wagen nicht selbst konfiguriert. Ich brauche keine Massagesitze, das ist für mich überflüssiger Klimbim." Autos würden ihr nicht viel bedeuten. "Ich fahre privat einen VW Polo, der 17 Jahre alt ist. Der steht da draußen vor der Tür. Ansonsten ein altes weißes Fahrrad."

Übel stieß auch die Renovierung des Intendanz-Bereichs mit schicken Möbeln und edlem Parkett auf - auch dort soll es einen Massagesessel gegeben haben. Schlesinger sagte: "Der Massagesessel ist zum Symbol geworden. Ich habe ihn weder bestellt noch benutzt." Er habe 1.200 Euro gekostet. "Er wurde angeschafft, weil in der Intendanz zwei Menschen Bandscheibenvorfälle hatten und sich aber sehr schnell wieder ins Büro gesetzt haben." Sie habe ihn in einen Raum ganz am Ende des Ganges verbannt, "weil ich dieses große, unförmige Ding schlicht peinlich fand".

Unmut in der Belegschaft durch Modernisierungsvorhaben?

Schlesinger sagte zugleich, sie habe den Unmut der Mitarbeiter im Haus unterschätzt. Dieser habe auch an großen Modernisierungsvorhaben gelegen, die die Geschäftsleitung und sie in den vergangenen Jahren angestoßen haben. Schlesinger nannte Umschichtungen von Teilen des linearen Programmetats ins Digitale und Einsparungen in Produktion und Vorabendprogramm des Fernsehens.

"Der Unmut und die Wut im Sender sind aus meiner Sicht so stark, dass ich mir vorwerfe, dass ich das nicht gesehen habe. Das tut mir leid." Probleme habe sie nicht weggebügelt. An anderer Stelle des Interviews sagte sie auch: "Ich bedaure zutiefst, dass vor allem das gesamte öffentlich-rechtliche System nun unter Beschuss gerät."

"Anschuldigungen kommen aus meinem engsten Umfeld"

Die Ex-Intendantin verglich die Berichterstattung über die Vorwürfe gegen sie und den zurückgetretenen Senderchefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf mit einem "Tsunami". Sie sagte auch: "Die Anschuldigungen kommen aus meinem engsten Umfeld. Das hat mich besonders getroffen, es schmerzt mich bis heute." Sie nannte keine Namen.

Seit Wochen dringen interne Dokumente nach außen, vor allem das Online-Medium "Business Insider" berichtete über viele Details der Vorwürfe. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt auch - bis zur Aufklärung gilt die Unschuldsvermutung.

Schlesinger sagte in dem Zeitungsinterview zu den Vorwürfen, die beinahe täglich seit Ende Juni immer mehr wurden: "Geschlafen habe ich nicht viel in der Zeit. Es fühlte sich an wie das Nachladen eines Gewehrs, das auf mich gerichtet war. Viele der Vorwürfe stimmen nicht."

Nachgefragt, ob sie gegen Vorwürfe in den Medien vorgehe, sagte sie: "Das kann ich immer noch tun. Zum Teil passiert das in diesen Tagen."

Inmitten der rbb-Krise hatte sich Schlesinger bereits schon einmal in einem Zeitungsinterview geäußert - im Berliner "Tagesspiegel" und am selben Tag auch im rbb24 Inforadio. Dies stieß danach vielen übel auf - vor allem, weil sie Tage zuvor eine Einladung in den Landtag Brandenburg zu einer Sondersitzung ausgeschlagen hatte.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.09.22, 14:20 Uhr

40 Kommentare

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  1. 40.

    Es ist gerade die Idee der dritten Programme, dass sie in die Regionalität hineingehen, während die ARD als vor 72 Jahren gegründete bundeslandübergreifende Rundfunkanstalt eher übergreifende Themen behandelt. Das ZDF ist als Sendeanstalt nur deshalb zustande gekommen, weil Konrad Adenauer sein CDF haben wollte und ihm das Bundesverfassungsgericht dies vermasselte. So kam CDF light zustande, mit knallhartem Durchgriff ausschließlich durch Roland Koch gegenüber Klaus Bresser. ;-

  2. 39.

    Im Moment stürzt sich alles auf Fr. Schlesinger. Sie ist aber nicht das Übel, sie hat es nur zum Vorschein gebracht. Wenn man genau hinschaut sieht man, dass das gesamte System der ÖR versaut ist und wie ein Selbstbedienungsladen genutzt wird mit vom Staat verordneten Pflichbeiträgen. Man soll diese Situation zum Anlass nehmen und den ÖR-Bereich neu ordnen und ausdünnen. Die Anzahl der dritten Programme ist m.E. zu viel. Hier können ARD und ZDF einiges mit leisten!

  3. 38.

    Am besten sind die Fotos zum Interview. xD Man könnte meinen, ne neue "House of Cards"-Staffel steht an.

  4. 37.

    Wie kann man JEMANDEN der sich auf Kosten der Beitragszahler bereichert hat noch verteidigen.

  5. 36.

    Man könnte auch zwischen Mitternacht und früh um neun oder zehn aufhören zu senden - jetzt mal wirklich ernst gemeint.
    Die Nachtwiederholungen kann man sich schenken, und wer früh etwas sehen möchte, hat das sicher auch nicht ganz billige ARD-Morgenmagazin, das ja auch schon von uns bezahlt wird.
    Und wer würde etwas vermissen?

  6. 35.

    "Interessante, facettenreiche Persönlichkeiten haben so zusammengefunden."
    Schön für die facettenreichen Persönlichkeiten - und wir haben es bezahlt.
    Kein Wort darüber, dass man bei dem Gehalt ja wohl so ein Abendessen auf eigene Kosten veranstalten könnte. Unter Umständen sogar alle. Wird ja nicht jede Woche gewesen sein.
    Hätte die Dame zum Beispiel von ihrem Bonus bezahlen können. Oder von irgendeiner anderen Zulage... :-)

  7. 34.

    Mein Gott die arme unverstandene geschasste Intendantin.
    Es ist schon ERBÄRMLICH wie sie jetzt versucht sich teilweise als Opfer zu präsentieren.
    PFUI TEUFEL

  8. 33.

    Kein Unrechtsbewusstsein zu haben scheint auch irgendwo in der Stellenbeschreibung zu stehen.

  9. 32.

    Mewes:
    "Als Projektleiter habe ich Radio Bremen errichtet."

    SIE haben also damals 1945 Radio Bremen "errichtet" - also vor 77 Jahren? Sie sind also Kurt Kraus, der 1. Angestellte beim Radio Bremen? Dann müssen Sie ja ein stolzes Alter von mind. 98 Jahren haben, wenn Sie damals mindestens schon volljährig waren. (Damals war man erst mit 21 Jahren volljährig.)

  10. 31.

    Gerd:
    "Warum macht man diese Dame nicht regressflichtig."

    Wie kommen Sie zu dieser Unterstellung?

    Natürlich werden die Schadenersatz- oder bereicherungsrechtlichen Forderungen durchgesetzt werden. Dazu muss aber erstmal die Höhe der Forderungen ermittelt werden. Wenn das gründlich gemacht werden soll, dann braucht das auch etwas Zeit für Recherche etc. Es muss genau geprüft werden, welche Forderungen rechtlich bestehen und welche nicht. Keine unüberlegten Schnellschüsse!

  11. 30.

    Rainer.
    2was man sich hier alles gefallen lassen muß.Ich habe mein ganzes Leben ziemlich schwer gearbeitet und bekomme eine Rente,die mir wahrscheinlich jetzt durch die Finger davon rutschen wird,und die Frau bekommt noch eine Plattform,wo sie sich verteidigen kann.Bitte vor Gericht,ja aber nicht öffentlich.Das ist einfach nur fürchterlich.2

    Ich und vermutlich sehr viele andere Menschen wollen auch ihre Sicht der Dinge hören oder lesen. Es besteht also ein öffentliches Interesse an ihrem Statement.

  12. 29.

    Rainer:
    "Was man sich hier alles gefallen lassen muß.Ich habe mein ganzes Leben ziemlich schwer gearbeitet und bekomme eine Rente,die mir wahrscheinlich jetzt durch die Finger davon rutschen wird,und die Frau bekommt noch eine Plattform,wo sie sich verteidigen kann.Bitte vor Gericht,ja aber nicht öffentlich.Das ist einfach nur fürchterlich."

    Unabhängig davon, ob Sie recht hat oder nicht, muss sich diese Frau gegen öffentlich erhobene Vorwürfe auch öffentlich verteidigen dürfen! Niemand darf ihr den Mund verbieten! Natürlich darf Sie ihre Sicht genauso öffentlich vortragen, wie die Angriffe öffentlich vorgetragen wurden, unabhängig davon - ob ihre Argumente stichhaltig sind oder nicht! Auch jemand, der zurecht öffentlich irgendwelcher Vergehen beschuldigt wird, hat das Recht, sich genauso öffentlich dagegen zu verteidigen. Niemand darf ihr den Mund verbieten, auch dann nicht, wenn sie unrecht hat!

  13. 28.

    Wossi:
    "Auch Herr Burow ist "dran" und seit 2012 (!) hat er weggeschaut obwohl er das Gegenteil versprochen hatte?"

    Herr Burow vom WDR und als Chef der ARD ist NICHT für die Länderanstalt von Berlin/Brandenburg RBB verantwortlich. Für die Länderanstalten sind allein die entsprechenden Länder verantwortlich. Und so ist Herr Burow als WDR-Chef nur für den WDR verantwortlich. Als ARD-Chef ist er nur für die Zusammenarbeit der Landesrundfunkanstalten in der ARD verantwortlich, aber NICHT für die Internas der Landesrundfunkanstalten. Die ARD ist keine übergeordnete weisungsgebende Organisation über den Länderanstalten, sondern nur eine Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten in Deutschland.

  14. 27.

    Mir scheinen die Vorwürfe gegen Frau Schlesinger wenig haltbar, weil sie offenbar in keinem Fall einsame Entscheidungen getroffen hat. Korrigiert werden sollten die Personalausgaben für die obere Ebene. Das betrifft aber nicht Frau S. sondern ihre Nachfolger. Die Umstände beim RBB lassen erahnen, dass der öffentliche Rundfunk etwas „verfettet“ist.

  15. 26.

    Diese Frau ist Wasser auf den Mühlen der antidemokratischen Ränder.

  16. 25.

    Weshalb trifft sich eine Intendanten mit Größen aus Politik und Wirtschaft um darüber zu sprechen was gut und was schlecht läuft beim öR? Sollte das Feedback nicht vielmehr von den Nutzern kommen?

  17. 24.

    Alles ein Missverständnis und eine Verkettung inglücklicher Umstände. Unfassbar wie dreist es ist dinfach so weiter zu machen.

  18. 23.

    Eine, gerade für diesen Landstrich, so typische Neidhammeldebatte. Solange Frau Schlesinger aber nicht rechtskräftig für Irgendwas verurteilt worden ist, ist sie unschuldig, Punkt! Das das Programm des rbb-Fernsehens extrem verflacht ist, gute und beliebte Formate teilweise ohne Not geschleift worden sind und der Sender gerade kaum 'ne Möglichkeit auslässt, sich unbeliebt zu machen, liegt sicher nicht nur an ihr. Dass man ihr jetzt einen A8 madig macht, ist einfach nur kleingeistig!

  19. 22.

    Bescheidenheit ist eine Zier, voran kommt man auch ohne ihr.

  20. 21.

    Ja, in der jetzigen Situation sich versuchen öffentlich zu verteidigen ist eher nicht gut für alle Beteiligten. Im Gegensatz zu vielen Kommentatoren fehlt mir die Kenntnis. Gehalt, Dienstwagen, Arbeitsessen, teures Büro sind nicht unüblich. Denke,dass sich mancher Unternehmer, sich mit meinem Geld mehr leistet. Ob das für Frau S. strafbar, wird sich ja zeigen.

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