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Audio: rbb24 Inforadio | 04.09.22 | Sophie Gepp | Quelle: imago images

Zusätzliche Hitzetote

Wie der Klimawandel unsere Gesundheit bedroht

Die globale Erwärmung ist nicht nur für die Natur und Tierwelt gefährlich. Hitzeperioden, Wasserknappheit und Extremwetter-Ereignisse beeinflussen auch unsere physische und psychische Gesundheit. Von Elena Deutscher und Axel Dorloff

Durch Hitzeperioden sind von 2018 bis 2020 etwa 20.000 Menschen gestorben. Das zeigt eine Studie vom Robert-Koch-Institut, zusammen mit dem Umweltbundesamt und dem Deutschem Wetterdienst. Die Daten der Studie zeigen klar: Wenn die Temperatur steigt, steigt auch die Mortalitätsrate, vor allem bei älteren Menschen. Die zusätzlichen Tode sind also der Hitze und damit auch dem Klimawandel zuzuschreiben. Laut Studie ist die Todesursache selten die Hitze direkt. Viel mehr schlagen die hohen Temperaturen auf das Herz-Kreislauf-System oder erschweren bereits bestehende Atemwegserkrankungen.

"Wir haben auch in der Vergangenheit schon immer Hitzewellen erlebt. Der entscheidende Punkt ist aber: Sie kommen jetzt häufiger und sind intensiver", sagt der Wissenschaftler Dieter Scherer. "Es gibt in den letzten 20 bis 30 Jahren quasi kein Jahr mehr ohne Hitzewellen." Scherer ist Professor an der Technischen Universität Berlin und leitet dort das Fachgebiet Klimatologie.

Hitze könne zu Konzentrationsschwierigkeiten und nachlassender Produktivität am Arbeitsplatz führen, sagt er, aber eben auch zu einer erhöhten Sterberate.

Hitzetote auch in Berlin und Brandenburg

"Diese Effekte können wir ganz klar und statistisch eindeutig mit der Hitze in Beziehung setzen", so Scherer. Und auch für Berlin lasse sich dieser Effekt beobachten: "Betrachten wir die berlinerischen Sterberaten, dann sehen wir, dass im Schnitt mehrere Hundert Todesfälle mit der Hitze in Verbindung zu bringen sind."

Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg erfasst die Übersterblichkeit mithilfe eines Schwellenwertes und spricht von 111 Hitzetoten in Brandenburg und 68 für Berlin im Jahr 2021. Höchstwert in Brandenburg war das Jahr 2018 mit 362 Hitzetoten. In Berlin gab es im Jahr 1994 mit über 800 Toten die meisten hitzebedingten Sterbefälle. Aber auch 2018 gab es fast vierhundert Hitzetote in Berlin, 2019 und 2020 waren es fast 200.

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Besser vorbereitet mit Hitzeschutzplänen

Von Folgen des Klimawandels wie Hitze sind vulnerable Gruppen besonders betroffen. "Das sind Personen mit Vorerkrankungen, ältere Menschen, Schwangere, Kinder und wohnungslose Menschen", erklärt Sophie Gepp. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim "Centre for Planetary Health Policy", eine Denkfabrik für gesundheitspolitische Strategien im Umgang mit der Klimakrise, und ist im Vorstand der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (kurz: KLUG). Zudem promoviert Gepp in der Arbeitsgruppe Klimawandel und Gesundheit an der Charité Berlin und am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Sie ist wie Scherer der Auffassung, dass Menschen besser vor zukünftigen Hitzewellen geschützt werden müssen, beispielsweise in Krankenhäusern.

Helfen könnten laut Gepp Hitzeschutzpläne, die bei entsprechenden Wetterwarnungen greifen. Im "Aktionsbündnis Hitze Berlin", initiiert von KLUG, der Ärztekammer Berlin und der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, wurden dieses Jahr mit verschiedenen Partnern aus dem Gesundheitssektor solche Pläne erarbeitet. Denn bisher gebe es zwar in wenigen Kommunen Hitzeaktionspläne, diese seien aber längst noch nicht flächendeckend, so Gepp.

Wärmeres Klima begünstigt neue Infektionskrankheiten

Doch hohe Temperaturen sind nur eine Folge des Klimawandels, die sich auf unsere Gesundheit auswirkt: "Extremwetter-Ereignisse häufen sich und bringen Verletzungen, Todesfälle und psychische Auswirkungen mit sich", erklärt Sophie Gepp. Durch die klimatischen Veränderungen können laut der Forscherin auch Wasserqualität und Nahrungsmittelversorgung betroffen sein: "Das kann zu Erkrankungen und Unterernährung führen. Außerdem können sich Krankheitserreger und Tiere, die den Erreger übertragen, in neuen Gebieten ausbreiten, wenn es dort wärmer wird. Krankheitsgebiete verschieben sich und eine Krankheit wie Dengue-Fieber wird zu einem Problem in Teilen der Erde, wo es vorher keines war."

Quelle: dpa/Patrick Pleul

In Deutschland verzeichnet das RKI eine Nordwärtsbewegung des West-Nil-Virus, von welchem 2019 erste Erkrankungsfälle beim Menschen registriert wurden. "Die Tigermücke ist ein Beispiel für ein Tier, das Krankheiten übertragen kann, aber auch FSME, eine Krankheit, die über Zecken übertragen wird, breitet sich immer weiter aus", sagt Sophie Gepp. Das Risiko einer FSME-Infektion (FSME ist eine Form der Hirnhautentzündung) besteht vor allem im Süden Deutschlands, 2022 wurden allerdings auch in Brandenburg die Kreise Oberspreewald-Lausitz, Oder-Spree und Spree-Neiße als Risikogebiete ausgewiesen.

Psychische Belastungen durch den Klimawandel

Die Liste der gesundheitlichen Klimafolgen ist lang und so könnten auch Allergien in Zukunft verstärkt auftreten, erklärt die Wissenschaftlerin: "Durch die Klimaveränderung blühen Pflanzen bei uns, die vorher nicht geblüht haben und ein starkes allergenes Potenzial haben. Zusätzlich verschieben sich die Blühzeiten oder werden länger, was Allergiker sehr belasten kann."

Neben physischen Gesundheitsfolgen kann der Klimawandel auch auf die Psyche schlagen. Beispielsweise wenn jemand durch ein Extremwetterereignis seine Lebensgrundlage verliert. Das ist laut Gepp ein Risikofaktor für Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen oder erhöhten Substanzkonsum. "Beim Hurrikan Katrina [Anm. d. Red.: verheerender Sturm 2005 in den USA] hat man eine erhöhte Rate posttraumatischer Belastungsstörungen ein halbes Jahr, aber auch noch anderthalb Jahre später feststellen können."

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Radfahren für die Gesundheit

Für Sophie Gepp besteht dringend Handlungsbedarf. Im Kampf gegen den Klimawandel gehört für sie auch ein klimaneutrales Gesundheitssystem dazu, denn das ist für fünf Prozent der nationalen Emissionen verantwortlich. Möchte man, so Gepp, als Gesundheitssystem die Gesundheit schützen und der Klimawandel ist ein bedrohender Faktor, sollte man nicht noch dazu beitragen, diesen zu verschlimmern.

"Viele Klimaschutzmaßnahmen sind außerdem total positiv für die Gesundheit", argumentiert Gepp. "Sogenannte Co-Benefits, also doppelte Gewinne. Ganz viel davon liegt aber nicht im Gesundheitswesen, sondern in größeren Lösungen wie zum Beispiel Radfahren und eine Infrastruktur, die Radfahren sicher möglich macht. Wir wissen, das hat positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, es reduziert Luftverschmutzung und Lärmbelastung." Gepp spricht damit auch städtebauliche Maßnahmen an, die beim Ausbau urbaner Regionen beachtet werden sollten. Klimagerechtes Bauen – damit kennt sich auch Nadja Kabisch, Professorin für Digitale Landschaftsökologie an der Leibniz Universität Hannover, aus.

Kühleres Stadtklima durch grüne Infrastruktur

Eine angepasste Infrastruktur könnte durch ein kühleres Stadtklima helfen, der gefährlichen Hitze entgegenzuwirken. "Grün-blaue Infrastruktur, das meint Stadtparks, Straßenbäume, begrünte Hinterhöfe, Dachbegrünungen und Wasserelemente", erklärt Kabisch. So könne zum Beispiel bei Baumpflanzaktionen darauf geachtet werden, Bäume zu wählen, die gut mit Trockenheit und Hitze umgehen, aber auch Frosttage aushalten können. Weitere Maßnahmen sind Schaffung von Grünflächen und Entsiegelungen.

Doch in Berlin wächst der Bedarf an Wohnraum und mit dem Ziel des Stadtentwicklungsplans bis 2030 200.000 neue Wohnungen zu schaffen, geht für Kabisch auch eine zunehmende Verdichtung und Versiegelung einher. "Berlin ist eine Stadt, die sich stets verändert. Wir haben einen Verlust von Grün- und Freiflächen und die Stadtstruktur ändert sich, dadurch verändert sich auch das Stadtklima", sagt Scherer. "Ein Beispiel sind städtische Wärmeinseln, die dazu führen, dass es in der Stadt ein bis 1,5 Grad wärmer ist als im direkten Umland. Dazu kommt die klimabedingte Erwärmung. In der Stadt kommen also zwei Effekte zusammen", so der Klimatologe.

Lösungsansatz Schwammstadt

In Berlin gibt es daher verschiedene Ansätze, um dem Aufheizen der Stadt entgegenzuwirken. Ein Ansatz ist die Schwammstadt. Dabei sollen Flächen, Dächer und Hausfassaden so konzipiert werden, dass sie bei Starkregen Wasser wie ein Schwamm speichern und in Trockenperioden abgeben können. Diese Verdunstung trägt dann zur Kühlung der Stadt bei.

Für Scherer ist außerdem eine belastbare Beurteilung darüber, was die einzelnen Klimaschutzmaßnahmen bewirken, wichtig. "Grünflächen tragen in der Nacht zur Abkühlung bei, da sich über ihnen im Gegensatz zu versiegelten Flächen Kaltluft bilden kann. Auch wenn die Kaltluft an Ort und Stelle bleibt und keinen Nutzen für die angrenzende Wohnbebauung hat, sorgt sie dafür, dass sich die ganze Stadtatmosphäre abkühlt", so der Wissenschaftler. Für Scherer ist klar: "Städte wirken als Gesamtheit. Wenn man irgendwo in Berlin baut, dann muss man irgendwo anders die Grünflächen dafür bereitstellen."

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.09.2022, 14:09 Uhr

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