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Audio: rbb24 Inforadio | 15.12.2022 | Olaf Behrendt | Quelle: dpa/Robert Kneschke

Lieferengpässe bei Medikamenten

Apotheken können nur mit Mühe ihre Arznei-Vorräte füllen

Viele Medikamente sind derzeit knapp. Das liegt nicht allein an vielen kranken Menschen, sondern auch an einer erkrankten Lieferkette. Apotheken haben alle Hände voll zu tun den Mangel auszugleichen - und schaffen es derzeit noch. Von Anna Bordel

"Apotheken müssen im Moment zaubern, und das können sie auch“, sagt die Apotheken-Inhaberin Anke Rüdinger aus Berlin-Lichtenberg. Gefühlt sei derzeit jedes zweite Medikament Mangelware, erzählt sie. Ihr gesamtes Team sei den Tag über damit beschäftigt die Knappheit auszugleichen, alternative Medikamente zu finden, mit Großhändlern, Herstellern und Ärzten zu telefonieren. "Noch schaffen wir es", sagt sie. Rüdinger ist seit 31 Jahren Apothekerin, noch dazu Vorsitzende des Berliner Apotheker-Verbandes - eine Situation wie diese hat sie noch nicht erlebt, wie sie sagt.

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Apotheken haben Mühe Medikamentenvorräte aufzustocken

Viele Medikamente sind derzeit von Lieferengpässen betroffen. Laut einer Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sind es derzeit 311. Darunter seien Arzneimittel quer durch die Bank, sagt Susanne Darmer vom Berliner Apothekerverband: Fiebersäfte für Kinder, Anti-Depressiva, Antibiotika, Blutdruckmedikamente - um nur einige zu nennen.

Apotheker:innen haben in diesen Tagen alle Mühe damit, ihre Vorräte aufzustocken oder manche Medikamente überhaupt zu bekommen. Gängig ist, dass Apotheken mehrmals täglich von Großhandlungen beliefert werden, wie Darmer erklärt. Dass Kund:innen Medikamente, die nicht vorrätig sind, wenige Stunden später abholen können.

Doch so läuft das im Moment nicht. Derzeit müssten Apothekenmitarbeiter:innen ständig neu kontrollieren, ob ein Medikament, das einige Stunden zuvor nicht verfügbar war, mittlerweile nicht doch da ist, so Damer. Oder vielleicht bei einer anderen Großhandlung vorrätig ist. Apotheken übergehen ihr zufolge mitunter Großhandlungen und machen direkt Geschäfte mit den Herstellern.

Chaotische Verteilung der Medikamente

Apothekerin Rüdiger missfällt das, sagt sie. "Ich würde mir wünschen, dass es bei der herkömmlichen Lieferkette von Hersteller - Großhandel -Apotheke bleibt. Sonst kommt es zu ungleichen Verteilungen", sagt sie. Und die gebe es bereits, bestätigt auch Damer. Was es an einer Apotheke nicht gibt, können Kunden an der nächsten vielleicht schon bekommen, zwei Tage später könnte es dann andersherum sein. Chaotisch wirkt die Verteilung der Medikamente auf die Apotheken in Berlin. Auch in Brandenburg sieht es nicht anders aus. Die Medikamentenknappheit ist derzeit ein sehr großes Problem, sagt ein Sprecher des Apothekenverbandes Brandenburg. Noch könnten die Apotheken den Mangel ausgleichen, aber das koste sie sehr viel Zeit und Mühe.

Um in Notfällen alle Kunden zu versorgen, dürfen Apotheken Medikamente auch selber herstellen. Auch Rüdingers Apotheke Castello in Berlin-Lichtenberg musste Fiebersäfte für Kinder schon selber mixen. In den letzten zwei Tagen sei sie aber wieder mit Paracetamol und Ibuflam-Säften beliefert worden. "Ich hoffe, das ist der Beginn einer Entspannung auf dem Markt", sagt sie.

Deutschland zahlt zu wenig Geld für Medikamente

Der Mangel an Medikamenten habe viele Ursachen, ist von den verschiedenen Stellen zu hören. Infektionswellen seien ein Grund, der Wegfall eines Hersteller ein anderer, Hamsterkäufe von Apotheken und Kund:innen ein weiterer. Am Ende nennen aber alle Gefragten denselben: Deutschland hat in den letzten Jahren zu wenig Geld für Arzneimittel bezahlt.

Nachzulesen ist diese Entwicklung beispielsweise auf auf der Webseite des Interessenverbandes Progenerika. Derzeit gibt es ihm zufolge einige wenige Hersteller für Medikamentenwirkstoffe, die vorrangig in China und Indien ansässig sind. Wenn davon einer wegbricht - aus welchen Gründen auch immer - dann wird es Progenerica zufolge schwierig die ganze Welt zu beliefern. Wenn ein Wirkstoff knapp ist, bekommt das Land den Wirkstoff, das den besten Preis dafür zahlt, erklärt Damer vom Berliner Apotheker-Verband. Deutschland sei das in vielen Fällen nicht mehr.

Billigste Angebote werden per Gesetz favorisiert

Krankenkassen schließen mit Pharmaherstellern laut der Webseite der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) sogenannte Rabattverträge ab. Der Hersteller verkauft der Krankenkasse ein Medikament sehr viel günstiger, wenn diese im Gegenzug zusichert, dass ihre Kund:innen bei Bedarf eben immer nur das Medikament dieses einen Herstellers erhalten.

Apotheken sind gesetzlich dazu verpflichtet, Kund:innen bevorzugt mit den Rabattmedikamenten ihrer jeweiligen Krankenkasse zu versorgen. Laut ABDA sind derzeit vier Fünftel der gesamten Arzneimittelversorgung in Deutschland dadurch abgedeckt. Krankenkassen sind außerdem gesetzlich dazu verpflichtet, das Angebot für ein Medikament anzunehmen, das am günstigsten ist.

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Politik will was ändern

Damer sagt, sie sei der Meinung, dass dieses System an einem Punkt sei, an dem es nicht mehr weiter gehe. Das sehen auch Politiker:innen auf höchster Ebene so. Zuletzt hatte das Bundesgesundheitsministerium Ende November angekündigt, an dem Vergaberecht etwas ändern zu wollen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte dem ARD-Hauptstadtstudio mit Blick auf die Gesetzespläne gesagt, die Krankenkassen sollten nicht länger gezwungen sein, Medikamente und Wirkstoffe dort einzukaufen, wo sie am billigsten sind. Es könne nicht sein, "dass wir versuchen, bei den Wirkstoffen zum Teil ein paar Cent zu sparen, riskieren dann aber dafür die Versorgung der Bevölkerung". Deutschland solle außerdem für Hersteller von Medikamentenwirkstoff wieder attraktiv gemacht werden, hieß es. Wie das konkret aussehen soll, ist noch nicht bekannt.

Apotheken bitten darum, nicht zu hamstern

Diese Pläne würden zeitnah auch nichts an der Situation verändern, sagt Damer vom Apotheker-Verband. Die Apothekerin Rüdinger sagte, sie wisse, was der Medikamentenversorgung der gesamten Bevölkerung kurzfristig helfen könnte: "Bitte nicht auf Vorrat einkaufen", sagt sie. "Wir fragen im Moment jede:n, ob er oder sie den Fiebersaft wirklich akut braucht und versuchen ihn nur dann zu verkaufen, wenn es auch wirklich notwendig ist", sagt sie. "Die Leute können uns Apotheken vertrauen, dass wir im Notfall immer eine Lösung finden."

Vergangenen Sonntag hatte Rüdinger Notdienst "in einer kranken Stadt", wie sie sagt. Wegschicken musste sie dabei niemanden. "Ich habe für jeden einen Weg gefunden, ihm zu helfen. Alternativen suchen. "Zaubern" wie sie es nennt, mache nämlich auch ein wenig Spaß.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.12.2022, 14:05 Uhr

Beitrag von Anna Bordel

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