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Video: rbb|24 | 24.04.2023 | Material: rbb, TNN | Quelle: rbb|24/Stefan Oberwalleney

Klima-Proteste in Berlin

Mehrere Rettungswagen durch Staus nach Blockade-Aktionen behindert

Die Klima-Demonstranten der "Letzten Generation" haben den Verkehr in Berlin gestört: Am Montag kam es zu Aktionen in der ganzen Stadt, es bildeten sich Staus. Wie die Feuerwehr sagte, wurden mehrere ihrer Einsätze dadurch behindert.

Berliner Polizei zieht Bilanz

260 Ermittlungsverfahren nach Klima-Blockaden am Montag

Am Montag war die Berliner Polizei den ganzen Tag im Einsatz - unterstützt von Kollegen der Bundespolizei: Bei mehr als 30 Blockaden hatten sich insgesamt 118 Menschen auf die Fahrbahnen geklebt. Unklarheiten gab es bei Angaben zur Anzahl von Ingewahrsamnahmen.

Klima-Demonstranten der "Letzten Generation" haben am Montag wie angekündigt mit verschiedenen Blockaden den Verkehr in Berlin behindert. Die Aktionen begannen gegen 07:30 Uhr, mitten im Berufsverkehr. Der ADAC zählte in den frühen Morgenstunden bis zu fünfmal mehr Staus im Vergleich zur Vorwoche.

Durch die Staus wurden laut Feuerwehr auch zahlreiche Rettungswagen behindert. Ein Feuerwehrsprecher sagte dem rbb, mehrere Einsätze seien abgebrochen worden und hätten neu beschickt werden müssen. Das habe zu Verzögerungen der Einsätze geführt. Konkrete Zahlen dazu nannte die Feuerwehr zunächst nicht. Auch über mögliche negative Auswirkungen für die Patienten gibt es noch keine Informationen. Die Auswertung sei noch nicht abgeschlossen, so der Sprecher.

Spranger spricht von 17 Rettungswagen im Stau

Die Innenverwaltung formulierte den Sachverhalt zunächst vorsichtiger: Es bestehe die Möglichkeit, dass die Klimaproteste eine Mitschuld hätten an Einsatzbehinderungen, sagte ein Sprecher dem rbb. Nach Angaben von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) standen 17 Rettungswagen im Stau. "Wie lange genau, das erfahre ich jetzt erst noch", sagte Spranger am Abend am Rande der Vorstellung der künftigen SPD-Senatoren.

Die Feuerwehr hatte am Nachmittag von 15 gemeldeten Behinderungen gesprochen, bei sieben davon seien Fahrzeuge auf dem Weg zu einem Notfallort gewesen. In mindestens einem Fall habe ein zusätzliches Fahrzeug alarmiert werden müssen, erklärte ein Sprecher der Innenverwaltung. Dieses traf demnach 33 Minuten nach Eingang des Notrufs ein.

Die Klima-Aktivisten widersprachen zumindest in einem Fall: Ein auf Fotos abgebildeter Rettungswagen auf der Autobahn habe dort nicht im Stau gestanden, sondern sei extra für die Menschen der "Letzten Generation" dort gewesen, so die Gruppe auf Twitter. Von der Feuerwehr hieß es hingegen auf Twitter, der Rettungswagen, der in vielen Videos auf der Autobahn 100 zu sehen sei, habe sich auf dem Weg zu einem medizinischen Notfall in Schöneberg befunden.

Maßnahmen gegen Klima-Aktivisten

Wann Polizisten Gewalt anwenden dürfen - und wann nicht

Der gewaltsame Umgang eines Polizisten mit einem Aktivisten der "Letzten Generation" in Berlin hat im Netz Debatten ausgelöst. Ob die Maßnahme angemessen war, will die Polizei nun prüfen. Das Gesetz ist da nicht eindeutig.

Autofahrer zwei Stunden auf der Autobahn im Stau

Polizeisprecherin Beate Ostertag sagte am Nachmittag im rbb24 Inforadio, es habe bislang 42 Aktionen gegeben, die meisten davon am Vormittag. Bei den Aktionen standen oder saßen Menschen auf der Straße, waren dort festgeklebt oder hielten Transparente. Schwerpunkt der Aktionen war der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Inzwischen sind die Straßen laut Osterberg alle geräumt.

Auf der Autobahn 100 wurde der Verkehr zeitweise lahmgelegt. Autofahrer standen zwischen Dreieck Charlottenburg und Kreuz Schöneberg bis zu zwei Stunden im Stau, wie die Verkehrsinformationszentrale (VIZ) bei Twitter mitteilte.

Betroffen waren unter anderem auch der Ernst-Reuter-Platz, Greifswalder Straße, Kurfürstendamm, Hohenzollerndamm, Frankfurter Allee, Großer Stern am Spreeweg, Tempelhofer Damm, Mühlendamm, Breite Straße, Pappelallee, Danziger Straße und Konstanzer Straße.

Festgeklebter Aktivist muss herausgestemmt werden

In mindestens einem Fall habe ein Demonstrant einen besonderen Klebstoff benutzt, so dass er sich nicht mit herkömmlichen Mitteln von der Straße lösen ließ, teilte die Polizei mit. Es habe ein Asphaltblock mit der festgeklebten Hand "herausgestemmt" werden müssen. Das Tiefbauamt wurde beauftragt, das entstandene Loch wieder zu verfüllen.

Die Berliner Polizei war nach eigenen Angaben mit bis zu 500 Beamten im Stadtgebiet unterwegs, um die Blockaden zu verhindern beziehungsweise schnell zu beenden. Am Dienstag werde sich die Polizei in ähnlicher Größenordnung aufstellen, so Polizeisprecherin Osterberg.

Die "Letzte Generation" sprach in einer Pressemitteilung vom Nachmittag von einer "sehr professionellen Polizeiarbeit". Allerdings sei es wieder zu einer absichtlichen Zufügung von Schmerzen gekommen, wenn Personen dem Befehl, die Straße zu verlassen nicht nachgekommen seien.

Ein Demonstrant wurde mitsamt Asphaltblock von der Straße entfernt | Quelle: Imago Images/Florian Gaertner

Innensenatorin: mehr als 200 Personen festgenommen

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat am Montagnachmittag eine vorläufige Bilanz der Klimaproteste in Berlin gezogen. Bisher seien rund 200 Personen an 35 Orten festgenommen worden, teilte Spranger mit. Bei vielen Protestierenden wurden laut Polizei nur die Personalien aufgenommen.

Etwa 50 Personen wurden laut Polizei allerdings in Gewahrsam nach Tempelhof gebracht. Dort werde über weitere Maßnahmen entschieden. Der "Letzten Generation" zufolge wurden am Nachmittag 87 Personen in Polizeigewahrsam festgehalten.

Die Polizei prüft nach eigenen Angaben unter anderem, ob bei Personen, die in der Vergangenheit an ähnlichen Aktionen beteiligt waren, ein Anschlussgewahrsam infrage komme. Es erfolge in jedem Fall eine Einzelfallprüfung.

Um zu verhindern, dass die Aktivisten sich sofort wieder an Blockaden beteiligen, ist ein sogenannter Präventivgewahrsam möglich. Diese Maßnahme muss von einem Richter angeordnet werden. Der Gewahrsam darf in Berlin höchstens 48 Stunden dauern.

Viele Aktionen bis Ende April geplant

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Mit den Aktionen der "Letzten Generation" und "Extinction Rebellion" startet eine neue Protestwelle der Klima-Aktivisten. Doch worin unterscheiden sie sich? Ein Überblick über die wichtigsten Gruppen, ihre Protestformen und Forderungen. Von Simon Wenzel

Teils aggressive Reaktionen von Autofahrern

Autofahrer reagierten teils aggressiv auf die Blockaden. Auf der A100 in Höhe Abfahrt Kurfürstendamm hatten Klimaaktivisten in Richtung Schöneberg den Verkehr mit drei Fahrzeugen ausgebremst. Nachdem sie erst langsam gefahren waren, stoppten sie laut dpa-Reporter die Autos ganz und stiegen aus, um sich auf die Autobahn zu setzen. Wütende Autofahrer versuchten sie, von der Straße zu zerren.

Der Polizei seien einzelne entsprechende Fälle bekannt, sagte die Polizeisprecherin. Sie appellierte erneut an Verkehrsteilnehmer, nicht zur Selbstjustiz zu greifen, weil sie sich dadurch selbst strafbar machen würden. "Wir kommen und wir lösen die Situation", betonte die Sprecherin.

Mit einem Schlaghammer versucht die Polizei, einen Demonstranten von der Straße zu lösen | Quelle: Imago Images/Florian Gaertner

"Letzte Generation" wertet Aktion als Erfolg

Die Letzte Generation wertete den Protesttag als Erfolg. "Unsere höchsten Erwartungen wurden deutlich übertroffen", erklärte Aimée van Baalen, eine Sprecherin der Gruppe. Es habe am Montag dreimal so viele Aktionen gegeben wie noch im Herbst.

Die Aktivisten warfen der Bundesregierung erneut vor, durch mangelnden Klimaschutz gegen die Verfassung zu verstoßen. "Die tödliche Spirale der Klima-Kipppunkte beginnt bereits sich zu drehen und die Bundesregierung stoppt das nicht. Deswegen stoppen wir", erklärte die "Letzte Generation" auf Twitter.

Bis zu 800 Unterstützer sollten an Aktionen und Blockaden teilnehmen, hieß es. Es seien auch etwa 40 Mitglieder weiterer Klimagruppen beteiligt. Die Gruppe "Scientist Rebellion" erklärte ihre Solidarität mit der "Letzten Generation".

"Zwangsmaßnahme" gegen Klimademonstrant

Strafanzeige gegen Polizisten nach Veröffentlichung von Video

Angemessene Maßnahme oder unnötige Gewalt? Nach der Veröffentlichung eines Videos, auf dem ein Berliner Polizist gegen einen Aktivisten der "Letzten Generation" vorgeht, ermittelt die Polizei wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt.

Scharfe Kritik kam von der Gewerkschaft der Polizei (GdP): Bei den "Guerilla-Aktionen" handele es sich um gezielte Straftaten. "Unser demokratischer Rechtsstaat ist nicht verhandelbar, auch nicht, wenn man seine Taten versucht, mit dem für uns alle relevanten Klimawandel zu legitimieren."

Bereits in den vergangenen Tagen gab es Protestaktionen im Berliner Stadtgebiet. Am Samstagvormittag wurden nach Polizeiangaben die Schaufenster dreier Geschäfte auf dem Berliner Kurfürstendamm von Klima-Aktivisten mit Farbe besprüht. Am Sonntag demonstrierten 400 Anhänger der "Letzten Generation" mit einem klassischen Konzert mitten auf der gesperrten Berliner Stadtautobahn gegen den geplanten Weiterbau.

Auch am Brandenburger Tor gab es eine Kundgebung der Initiative. Zudem wollten sich Demonstranten auf der Strecke eines Formel-E-Rennens auf dem Tempelhofer Feld festkleben.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.04.2023, 01:00 Uhr

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