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Quelle: rbb/Viviane Menges

Angriffe gegen Café in Neukölln

Queer and Friends - "Als die Lampe an der Wand hing, fing es an"

Queerfeindliche Übergriffe nehmen in Berlin zu – das zeigt die Kriminalitätsstatistik. Die Gewalt richtet sich auch gegen queere Kneipen und deren Beschäftigte, wie der Betreiber eines Cafés in Neukölln erfahren musste. Von Viviane Menges

"Queer and Friends" leuchtet in großer Neon-Schrift hinter der Bar des Cafés in Berlin-Neukölln – ein klares Bekenntnis zu Offenheit, das den Beginn einer Reihe queerfeindlicher Übergriffe markierte. "Ab dem Punkt, an dem die Lampe an der Wand hing, fing es an, dass meine Fenster mit 'Schwuchtel' beschmiert wurden, Fäkalien vor der Tür waren und ich bespuckt worden bin", erinnert sich Danjel Zarte, "'Raus aus dem Kiez' – sowas musste ich mir anhören."

"Das Hoven", ist eine kleine Hommage an Danjel Zartes verstorbenen Vater, der mit seinem Nachnamen "Althoven" Namensgeber ist. Voriges Jahr im Mai öffnete das Café in einer Nebenstraße des Kottbusser Damms seine Türen. Der Gastronom erfüllte sich damit einen Traum: "Das Hoven soll ein Ort sein, an dem man den ganzen Tag etwas zu Essen bekommt, sich begegnet und wo jeder Mensch willkommen ist." Die Vielfalt des Publikums – von Familien über trans Personen bis zu Nachbarn – spiegelt die inklusive Atmosphäre wider, die Zarte fördern möchte.

Quelle: rbb/Viviane Menges

Als engagierter Gastronom ist Zarte in der queeren Community kein Unbekannter. Seit mehr als zwei Jahren betreibt er eine Darkroom-Bar in Friedrichshain. Die Ereignisse im Café haben ihn nicht abschrecken lassen – vielmehr hat Zarte um die Ecke vom "Hoven" kürzlich eine weitere Bar eröffnet. Alle seine Lokale stehen unter dem Motto "Queer and Friends".

Dennoch waren die Erfahrungen mit queerfeindlichen Angriffen, wie sie im Café "Das Hoven" geschehen sind, für ihn eine neue Herausforderung.

Vandalismus und gewalttätige Übergriffe

Die Situation eskalierte nur wenigen Wochen nach der Eröffnung, als ein Mitarbeiter nach der Schicht in der Straße vor dem Café verprügelt worden sei. Ein weiterer körperlicher Angriff auf einen anderen Mitarbeiter folgte im Herbst, so Zarte. Der Mitarbeiter wurde direkt vor dem Café zusammengeschlagen, dabei sollen schwulenfeindliche Beleidigungen gerufen worden sein. Der Mitarbeiter sei schwer verletzt worden und kam daraufhin in die Notaufnahme, sagt Zarte. Aus Angst vor weiteren Übergriffen hätten die betroffenen Mitarbeiter auf eine Anzeige verzichtet.

Die Übergriffe haben nicht nur bei den Betroffenen, sondern im gesamten Team zu Angst und Unsicherheit geführt, sagt Zarte. Die Mitarbeiter aus der Küche und das Servicepersonal machen seitdem häufiger gemeinsam Feierabend, um nicht allein den Laden verlassen zu müssen.

Täter wurden nicht ermittelt

Neben den Angriffen auf das Team wurde zweimal eingebrochen, dabei wurde unter anderem der Safe mit einem vierstelligen Geldbetrag gestohlen. Zarte erstattet Anzeige, trotz Videoaufnahmen, auf denen vermummte Männer zu sehen sind, konnten die Verantwortlichen jedoch nicht gefasst werden.

Zarte suchte Rat der Polizei und bat um mehr Präsenz in den Abendstunden. Dafür gebe es keinen Kapazitäten, erhielt er zur Antwort.

Interview | Queer-Beauftragter Pantisano

"Wir queeren Menschen leben regelmäßig in Angst. Auch in Berlin"

Keine zehn Tage ist Alfonso Pantisano im Amt als erster Berliner Queer-Beauftragter - und hat schon ordentlich Wirbel gemacht. Im Interview spricht er über seine Anzeige gegen Julian Reichelt und wie er den Regierenden zum Gendern ermutigen will.

Mehr queerfeindliche Übergriffe in Berlin

Die Erfahrungen des Teams vom Hoven spiegeln einen allgemeinen Trend wider: Queerfeindliche Übergriffe in Berlin sind in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Laut einem Bericht der Beratungsstelle Maneo wurden allein im Jahr 2022 in Berlin 382 Vorfälle von Gewalt gegen LGBTQ+-Personen registriert.

Das deckt sich mit der polizeilichen Kriminalstatistik über die Fallzahlen von "Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung, das Geschlecht oder die sexuelle Identität beziehungsweise geschlechtsbezogene Diversität". Die in diese Kategorie fallenden Taten haben sich in Berlin über die letzten fünf Jahre mehr als verdoppelt.

"Das Problem queerfeindlicher Vorfälle herrscht in der ganzen Stadt", sagt Alfonso Pantisano, Queerbeauftragter des Senats, dem rbb. "Wir haben es immer mehr mit einer grassierenden Ablehnung von Vielfalt und selbstbestimmtem Leben zu tun. Es ist dringend geboten queeres Leben zu verteidigen."

Landesstrategie für queere Sicherheit

Der Berliner Senat plane mit der Polizei eine Landesstrategie für queere Sicherheit und gegen Queerfeindlichkeit, sagt Pantisano. Dazu sollen Arbeitsgruppen zu verschiedenen relevanten Bereichen eingerichtet werden, darunter Öffentlicher Raum und Nahverkehr, Bildung, Arbeitswelt, Sport und Gesundheitswesen. Die Stadt arbeite mit verschiedenen Organisationen und Gruppen der LGBTQ-Community zusammen.

Gleichzeitig soll laut Pantisano auch ein besonderer "Runder Tisch" eingerichtet werden, an dem Vertreter:innen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen sitzen. Dieser Runde Tisch soll sicherstellen, dass der Plan gut umgesetzt wird und dass viele verschiedene Perspektiven berücksichtigt werden, um die Situation für queere Menschen in Berlin zu verbessern.

Quelle: rbb/Viviane Menges

Zarte blickt trotz der zahlreichen Vorfälle hoffnungsvoll in die Zukunft. Insbesondere die Reaktion der Nachbarschaft auf die Angriffe war für ihn überwältigend positiv. Mehr als zwanzig Regenbogenfahnen, die von Nachbarn und lokalen Institutionen aus den umliegenden Häusern gehisst wurden, sowie die direkte Unterstützung der Gäste sind ein klares Zeichen des Zusammenhalts. "Zu Tränen war ich gerührt. So viel Solidarität habe ich noch nie erlebt und ich habe einfach die Hoffnung, dass jetzt etwas Ruhe einkehrt", sagt Zarte.

Sendung: radioeins, 29.02.2024, 15:00 Uhr

Beitrag von Viviane Menges

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