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Quelle: imago images/Florian Gaertner

Der Absacker

Gewaltig ungleich

Alle Menschen werden vom Coronavirus bedroht. Doch die Auswirkungen der Pandemie auf das Leben der Menschen sind härter umso ärmer man ist, sagt Efthymis Angeloudis. Das wahre Ausmaß des Schadens für benachteiligte Gruppen ist noch nicht zu erahnen.

Erst am Donnerstag schrieb ich im Absacker, dass die Menschheit vor der Gefahr des Coronavirus zum ersten Mal vereint war. Bei den Auswirkungen der Pandemie auf unser Leben sind wir jedoch so ungleich wie eh und je. Es macht nun mal einen riesigen Unterschied, ob man sich in der Sicherheit des Home-Office wiegen kann oder ob man Pakete austrägt – ob man während des Ausgangsbeschränkungen in seinem Garten saß oder einem Wohnblock im dicht bebauten Neukölln.

Nun zeigt eine Studie zum ersten Mal, wie schwerwiegend sich soziale Komponenten in der Corona-Krise auswirken können. Eine Auswertung von Versichertendaten für das ARD-Mittagsmagazin ergibt, dass das Risiko mit einer Covid-19-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, für ALG II-Empfänger um 84,1 Prozent größer ist als bei Erwerbstätigen [tagesschau.de]. Bislang ist nicht klar, wie verheerend die Auswirkungen der Pandemie und des wirtschaftlichen Abschwungs auf sozial Benachteiligte sein wird. Der dramatische Anstieg der Erwerbslosigkeit in den USA, von mittlerweile mehr als 40 Millionen Menschen [tagesschau.de], lässt aber weltweit Schlimmes erahnen.

1. Was vom Tag bleibt

Besonders sichtbar sind die sozialen Faktoren der Ausbreitung des Virus in Neukölln. Fast ein ganzer Wohnblock ist im Norden von Berlin-Neukölln unter Quarantäne gestellt worden. 52 Bewohner wurden positiv auf das Coronavirus getestet. Hunderte stehen nun unter Quarantäne.

In Brandenburg stellte währenddessen der Verfassungsschutz den AfD-Landesverband unter Beobachtung. Die Partei habe sich stetig radikalisiert und werde "de facto von einem parteilosen Rechtsextremisten geführt", so Innenminister Michael Stübgen (CDU) und Verfassungsschutzchef Jörg Müller. Was für einige ein entschlossener Schritt zu sein scheint, kommt für andere wohl etwas zu spät. Immerhin war die Zugehörigkeit von Andreas Kalbitz zum "völkisch-nationalistischen Flügel" der Partei aber auch die Nähe des AfD-Landesverbandes zur "Identitären Bewegung" schon lange bekannt und belegt [Amadeu-Antonio-Stiftung.de].

2. Abschalten

Die Versäumnisse des Verfassungsschutzes in der Vergangenheit werden auch in Stefan Austs Doku "Der NSU-Komplex" [daserste.de] aufgezeigt. In einer Spielfilmtrilogie zum NSU hatte die ARD nacheinander die Täter, Opfer und Ermittler betrachtet. In einem vierten, ganz anderen Film zeigen Stefan Aust und Dirk Laabs wie die Behörden bei den Ermittlungen vorgegangen sind und wie offenbar Polizisten von ihren Vorgesetzen und dem Verfassungsschutz bei den Ermittlungen behindert wurden.

Warum erzähle ich Ihnen das gerade heute? Weil heute vor 15 Jahren Theodoros Boulgarides, das siebte Opfer der NSU, in seinem Laden in München mit drei Kopfschüssen ermordet wurde. Als wäre dies nicht tragisch genug, wurde seine Familie monatelang krimineller Machenschaften verdächtigt und von den Behörden verhört [dw.com]. Für den Bruder des Opfers, Gavriil Boulgarides, wurde das tägliche Leben in München unerträglich. Er zog für zweieinhalb Jahre nach Griechenland.

Der "NSU-Komplex" wurde im Ersten ausgestrahlt und ist auf Netflix zu finden.

Quelle: dpa/Tobias Hase

Wer ich bin

Offensichtlich griechisch - oder außerirdisch. Da scheiden sich die Geister. Manchmal fühlt sich Efthymis Angeloudis (Aussprachehilfen gibt es nicht), als ob das Leben ihm einen üblen Streich gespielt hätte und er deswegen in Berlin gelandet sei. Manchmal geht er (mit Einhaltung der Abstandsregeln) nach dem Regen im Park spazieren und denkt sich, dass es hier gar nicht mal so schlecht ist.

3. Und wie geht's?

"In meinen Mailentwürfen liegt eine anderthalb Wochen alte Nachricht an euch, in der ich mich sehr aufregte", sagt uns Michaela(Name von der Redaktion geändert).
"Und jetzt? Resignation.
Ich arbeite in einem Lebensmittelgeschäft, meine Morgenroutine beinhaltet nunmehr seit Monaten das checken der aktuellen Coronaregelungen.
Um 1.  Sicherheit zu gewährleisten, 2. die Schließung des Ladens nicht zu riskieren spulte ich repetitiv die gleichen Phrasen ab: ' Bitte nur mit Mundschutz' / 'Bitte nutzen Sie einen Einkaufswagen' / 'Bitte halten Sie Abstand' / 'Ja, Abstand auch zu mir, danke'.
Mittlerweile waren doch wirklich alle oft genug einkaufen, um von sich aus für diese max. 20 Minuten den Mundnasenschutz über Mund und Nase zu tragen, und selbstständig Abstand zu halten, oder?
Ja, es fühlt sich an, als wären wir glimpflich davongekommen, aber es ist nicht vorbei bevor es vorbei ist!
Ich mache meine Arbeit gern. Aber...
Ich spreche gern mit KundInnen. Aber...
Ich bin müde."

Müde, unruhig oder entspannt? Wie geht es Ihnen zur Zeit? Schreiben Sie uns an absacker@rbb-online.de.

4. Ein weites Feld

Das Gefühl, von dem Michaela spricht, kennen wohl die meisten unter uns. Auch wir fühlen es manchmal. Eigentlich sollte dieser Text heute eine lockere, heitere Zusammenfassung des Tages sein, die Sie und mich abschalten und ins Gespräch kommen lässt. An manchen Tagen gibt es allerdings nichts schwierigeres auf Erden als heitere, wohltuende Worte zu finden. Diese Tage kann man nur hoffen zu überstehen und bald wieder Worte zu finden die einem gut tun.

In dieser Hoffnung verbleibend grüßt Sie,

Efthymis Angeloudis

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