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Video: rbb|24 | 29.08.2021 | Material: Abendschau, Markus Streim | Quelle: rbb

Illegale Versammlungen in Berlin

Mehrere Tausend "Querdenker" setzen sich über Demo-Verbote hinweg

Trotz Demo-Verbot ziehen die Anhänger der "Querdenker"-Bewegung am Sonntag durch Berlin - offenbar absichtlich ohne feste Route. Die Polizei nimmt gezielt Personen fest, die die Menschenmenge anführen.

Anhänger der "Querdenker"-Bewegung haben am Sonntag ihre Proteste gegen die Corona-Politik in Berlin fortgesetzt. Nach Angaben von Polizeipressesprecher Thilo Cablitz waren mehrere Tausend Demonstranten unterwegs, auch in Gruppen ohne Abstand und Mund-Nasen-Schutz. Schon am Samstag hatten Hunderte Menschen demonstriert.

Am Sonntagvormittag versammelten sich erneut Menschen in Berlin-Mitte. Zunächst traf sich am Vormittag eine Gruppe von mehreren Hundert Menschen am Humboldthain. Offiziell angemeldet war lediglich eine Demo gegen Leinenzwang für Hunde. Wie ein rbb-Reporter berichtete, löste die Polizei die Versammlung schließlich auf. Die Polizei ist nach eigenen Angaben mit rund 2.200 Beamten und einem Hubschrauber im Einsatz.

Polizei geht gezielt gegen Rädelsführer vor

Danach zogen die Menschen über die Danziger Straße Richtung Innenstadt. Dem Demonstrationszug schlossen sich am Mittag immer mehr Menschen an. Auf dem Zug Richtung Süden vereinzelten sich die Demonstrationsgruppen, offenbar mit dem Ziel, Polizeiabsperrungen zu umgehen und das Regierungsviertel zu erreichen.

In verschiedenen Gruppen bewegte sich der Demozug über Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain Richtung Innenstadt, ohne feste Route oder Zusammensetzung. Nach Angaben der Polizei liefen Menschen durch die Straßen, bis sie auf Absperrungen der Polizei trafen, und suchten sich dann neue Wege.

Einsatzkräfte begleiteten die Gruppen und forderten sie auf, Abstand zueinander zu halten und Masken zu tragen - was in der Regel nicht geschah. Die Polizei löste die Demonstrationen aber nicht auf. "Ein nicht vorhandener Plan lässt sich nur schwer verhindern", erklärte die Polizei am Nachmittag per Twitter dazu.

Reporter des rbb, die den Demozug begleiten, gehen von einem taktischen Vorgehen der Protestveranstalter aus: Offenbar sollte damit der Polizei die Unterbindung der illegalen Demos erschwert werden. Polizeisprecher Cablitz bestätigte den Eindruck am späten Nachmittag. Grundsätzlich stelle die Polizei "ein durchaus ausgeprägten Grad an Organisation fest", sagte er. Die Sicherheitskräfte würden nun reagieren, indem sie größere Menschenansammlungen immer wieder zerstreuen und gezielt gegen Einzelpersonen vorgehen. "Vorwiegend gegen Gewalttäter, aber auch gegen Rädelsführer, die versuchen, Ströme zu lenken", so Cablitz. Laut Polizei gab es bis zum frühen Abend bereits mehr als 160 Festnahmen, davon 80 in der Rykestraße, wo Demonstranten in einem Kessel festgesetzt wurden.

"Ziel ist es unter anderem, das Regierungsviertel und wichtige politische Einrichtungen zu schützen", sagte eine Polizeisprecherin zur Begründung. Der Reichstag, das Kanzleramt und andere Gebäude waren am Sonntag abgesperrt. Am 29. August 2020 hatte nach einem Protest Zehntausender Menschen ein Teil der Demonstranten eine Absperrung am Sitz des Bundestags durchbrochen und kurzzeitig die Treppe vor einem Eingang besetzt.

Polizei Berlin mit Pflasterstein angegriffen

Wie ein rbb-Reporter beobachtete, wurde ein für die Pressearbeit zuständiges Team der Berliner Polizei am späten Nachmittag mit einem Pflasterstein angegriffen. Der Vorfall spielte sich demnach in der Marienburger Straße ab. Verletzt wurde laut Polizeiangaben niemand. Auch Vertreter der Medien, darunter ein Team des rbb, wurde von einzelnen Demo-Teilnehmern angepöbelt und bedrängt.

Teilweise verbotene Proteste in Berlin

"Querdenker" wollen Absperrung durchbrechen - Polizei setzt Pfefferspray ein

Tausende "Querdenken"-Anhänger haben sich am Samstag in Berlin diversen Versammlungsverboten widersetzt. Immer wieder versuchten, ins abgeriegelte Regierungsviertel zu kommen. Auf der Lessingbrücke in Moabit drohte die Lage zu eskalieren.

Rangeleien bei Demos am Samstag

Bereits am Samstag waren trotz Verboten mehrere Tausend Menschen in Berlin auf die Straße gegangen. Das teilte Polizeisprecherin Anja Dierschke dem rbb mit. Rund 100 Menschen wurden vorübergehend festgenommen; außerdem wurden mehrere Dutzend Ordnungswidrigkeiten und Strafanzeigen registriert. Die Festnahmen richteten sich laut der Polizeisprecherin vor allem gegen "Rädelsführer" und "Aufrührer" der Protestierenden.

Mehrfach kam es zu Rangeleien zwischen Demonstranten und der Polizei. Bei den Protesten wurden vier Polizisten verletzt. Auf der Lessingbrücke im Ortsteil Moabit drohte die Lage kurzzeitig zu eskalieren: Die Polizei setzte dort Pfefferspray gegen Demonstrierende ein, die versucht hatten, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen. Es kam zu tumultartigen Szenen.

Richter gaben einem Eilantrag recht

Die Versammlungsbehörde hatte insgesamt 13 Demonstrationen von Gegnern der Corona-Maßnahmen verboten, wie sie am Freitagabend auf Twitter mitteilte. Darunter sind Kundgebungen der "Initiative Querdenken" auf der Straße des 17. Juni. Die Teilnehmer würden "regelmäßig gesetzliche Regelungen (...) zum Schutz vor Infektionen" nicht akzeptieren, hatte die Versammlungsbehörde am Donnerstag gesagt und damit ihr Vorgehen begründet. Gegen die Verbote wurden am Freitagnachmittag vier Eilanträge am Verwaltungsgericht eingereicht.

Drei Anträge wiesen die Richter aber zurück, einem gaben sie am Abend statt: Im Fall einer für Samstag und Sonntag angemeldeten Versammlung mit je 500 erwarteten Teilnehmern sei keine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit erkennbar, da mit der Antragstellerin noch keine schlechten Erfahrungen gesammelt worden seien, hieß es.

Sendung: Inforadio, 29.08.2021, 7:00 Uhr

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