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Video: Brandenburg Aktuell | 15.11.2021 | R. Wittig | Quelle: dpa/Kay Nietfeld

Stark steigende Corona-Zahlen

Intensivmediziner fordert Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte

Schon in wenigen Wochen könnte der bisherige Höchststand von Corona-Patienten auf Intensivstationen in Deutschland überholt werden. Davon geht der Intensivmediziner Karagiannidis aus. Im rbb fordert er neue Einschränkungen – auch für Geimpfte.

Ein Dammbruch droht in den nächsten Wochen auf den Intensivstationen in Deutschland, wenn nicht schnell und deutlich gegengesteuert werde - davon geht Christian Karagiannidis, Präsident der Gesellschaft für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin aus, wie er am Montag im Inforadio des rbb sagte. Grund seien weiterhin neu eintreffende Corona-Patienten.

Am Wochenende sei erstmals während der vierten Welle bundesweit die Zahl von 3.000 Covid-Intensivpatienten überschritten worden, sagte der in Nordrhein-Westfalen praktizierende Intensivmediziner im Interview. "40 Prozent davon verteilen sich auf Thüringen, Sachsen und Bayern", so Karagiannidis.

Es müsse davon ausgegangen werden, dass weiterhin täglich "50 bis 100 weitere Corona-Infizierte in Intensivstationen eingeliefert werden müssen. "In zehn Tagen sind wir bei 4.000 Patienten", warnte er. Den Höchstwert erreichten Kliniken in Deutschland in diesem Bereich am 3. Januar 2021. Damals lagen 5.745 Covid-Patienten auf deutschen Intensivstationen. Setzt sich die aktuelle Entwicklung fort, wäre dieser Wert bereits in wenigen Wochen, nämlich Mitte Dezember, erreicht.

Corona-Pandemie

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Impfen, Boostern, 2G plus Test und Maske tragen: Das sind Maßnahmen, die der Impfforscher Leif Erik Sander fordert, um die vierte Corona-Welle in den Griff zu bekommen. Auch Maßnahmen nur für Ungeimpfte hält er für denkbar.

Mehrheit der Patienten ist unter 60 - und ungeimpft

Am besten unverzüglich müssten Patienten aus Thüringen, Bayern und Sachsen in andere Bundesländer, dabei insbesondere in nördliche und westliche, verlegt werden, forderte Karagiannidis im Inforadio-Gespräch. Nur so könne in den aktuell besonders stark betroffenen Regionen eine Überlastungssituation vermieden werden.

Zur Zeit lägen vor allem jüngere und ungeimpfte Menschen unter 60 Jahren auf den Intensivstationen, ihr Anteil mache allein 40 Prozent aus, so der Intensivmediziner. Hinzu kämen aber immer öfter auch Ältere über 60 Jahren und chronisch Kranke sowie Menschen mit geschwächtem Immunsystem. "Hier beobachten wir auch Impfdurchbrüche und schwere Verläufe. Auffrischungsimpfungen nach fünf bis sechs Monaten hätten hier geholfen", so Karagiannidis.

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Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte?

Am Wichtigsten seien nun deutliche politische Entscheidungen, die auch Kontaktbeschränkungen für Geimpfte vorsehen sollten, so Karagiannidis weiter. "Egal was wir tun, wird sich frühestens sieben bis zehn Tage später auf den Intensivstationen zeigen. Wir müssen also extrem schnell und schon Anfang der Woche handeln." Helfen könnten Auflagen auch für Geimpfte, fordert er: "Kontaktbeschränkungen, wo immer es geht, sind hilfreich. Jeder muss sich gut überlegen, ob er jetzt wirklich ins Stadion oder auf eine Party mit 50 Leuten gehen muss."

Zu einem Lockdown nur für Ungeimpfte, wie er jetzt in Österreich praktiziert wird, äußerte er sich derweil zurückhaltend: "Klar ist, dass auch in Deutschland die Inzidenz unter Ungeimpften um Faktor zehn über dem der Geimpften liegt. In Österreich stehen die Kollegen mit dem Rücken zur Wand", so Karagiannidis. In Österreich liegt die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit bei 849,2, in Deutschland bei 303.

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Booster-Impfungen wichtig für Anfang nächsten Jahres

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Auf das derzeitige Infektionsgeschehen hätten Booster-Impfungen aber nur verzögert Auswirkungen: "In den nächsten drei bis vier Wochen würde es durch das Boostern keinen großen Effekt geben, wohl aber auf den R-Wert", so Karagiannidis. Mit Boostern könne verhindert werden, dass Jüngere, die nicht schwer erkranken, das Virus weitergeben. "Und das ist das, was wir im Januar, Februar, März brauchen. Denn die jetzige vierte Welle wird, egal was passiert, nicht beendet sein nach Weihnachten. […] Und dafür reicht mir die Impfgeschwindigkeit bei Weitem nicht aus."

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Vivantes-Chef: "Das wird heftig für uns"

Derweil füllen sich auch die Intensivstationen in der Region weiter. In den acht Berliner Vivantes-Kliniken, wo fast ein Drittel aller stationären Patienten der Stadt versorgt werden, liegen derzeit 100 Covid-Patienten. Davon liegen 20 auf der Intensivstation, von ihnen sind zwei Drittel nicht geimpft, die Hälfte wird beatmet, sagte Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Vivantes-Geschäftsführung, am Montag Radioeins vom rbb. Es hätten auch schon einige Operationen abgesagt werden müssen. Die Vivantes-Kliniken müssten sich in den kommenden Wochen wohl noch stärker auf dringliche und Notfall-OPs konzentrieren müssen, kündigte Danckert an.

Unter den Beschäftigten sei die Frustration "sehr groß, denn diese Situation hätte ja verhindert werden können, die Impfstoffe sind da. Niemand bei uns versteht, warum man sich nicht impfen lässt", so Danckert. Er geht in den kommenden Wochen von einer weiteren Zuspitzung der Lage in den Intensivstationen aus: "In zwei bis drei Wochen werden wir das aktuelle Inzidenzgeschehen in unseren Krankenhäusern sehen, das wird heftig werden für uns."

Sendung: Radioeins, 15.11.2021, 9:10 Uhr

 

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