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Quelle: dpa/Robert Kneschke

In Südafrika entdeckte Corona-Mutation

Was wir bislang über die Omikron-Variante wissen

Seit dem Aufkommen von Delta hat keine neue Variante des Coronavirus so große Sorge ausgelöst wie das nun in Südafrika entdeckte Omikron. Bislang ist noch nicht eindeutig geklärt, ob die Mutante B.1.1.529 tatsächlich gefährlicher als Delta ist.

Was unterscheidet Omikron von bisher bekannten Corona-Varianten?

Omikron trägt nach bisherigen Erkenntnissen mehr Mutationen als jede andere bekannte Variante des Coronavirus: Rund 80 sollen es sein, davon allein mehr als 30 beim Spike-Protein. Zum Vergleich: Die Delta-Variante hatte nur vier Mutationen in dieser wichtigen Struktur.

Über das Spike-Protein dockt das Virus an menschliche Zellen an und gegen dieses Protein bildet der Körper bei einer Ansteckung Antikörper. Auch viele der Impfstoffe regen das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein an.

Ein verändertes Spike-Protein könnte bei Omikron dazu führen, dass es "dem Immunsystem von Geimpften und Genesenen eher entkommt", erklärte Dr. Julia Fischer am Samstag in der rbb Abendschau. Durch die Mutationen sei denkbar, dass Omikron ansteckender ist - das bestätigte auch der Berliner Virologe Christian Drosten. Er sprach von möglicherweise "erhöhter Übertragbarkeit". Sicher nachgewiesen ist das bisher aber nicht.

Interview | Omikron-Variante aus Südafrika

"Man muss erstmal genau die Daten analysieren, bevor man Panik macht"

In Südafrika ist eine neue Corona-Variante entdeckt worden, die ansteckender sein könnte als die Delta-Variante. Kanzleramtsminister Braun sagte, sie mache ihm "sehr große Sorgen". Die Cottbuser Mikrobiologin Heidrun Peltroche warnt jedoch vor Panikmache.

Wird sich die Omikron-Variante auch bei uns ausbreiten?

Sie ist bereits da. Die Berliner Senatsverwaltung bestätigte am Donnerstag (2.12.) den ersten Fall einer Infektion mit der neuen Omikron-Variante. Zudem gebe es weitere Verdachtsfälle, hieß es. Allerdings hatten dies die Behörden auch erwartet, ohne dabei genaue Zeiträume zu nennen, in denen mit einem Nachweis auch in Berlin oder Brandenburg zu rechnen sein könnte.

In der südafrikanischen Provinz Gauteng war B.1.1.529 am 12. November erstmals nachgewiesen worden. Dort steigt die Zahl der Omikron-Infektionsfälle seitdem sehr rasch. In Reaktion auf diese Meldung hatte die EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde ECDC erklärt, sie halte das Risiko einer Ausbreitung auch in der Union für "hoch bis sehr hoch".

Allein in Amsterdam waren dann am Sonntag (28.11.) mindestens 13 Omikron-Infektionen bei Reiserückkehrern aus Südafrika nachgewiesen worden. Wenig später war die Variante dann auch in Deutschland angekommen: Zunächst war in Hessen ein Fall bestätigt worden und dann auch in Bayern und Nordrhein-Westfalen.

Viele Länder haben wegen der neuen Virus-Variante Reisebeschränkungen eingeführt. Was bringen diese Maßnahmen?

Experten bewerten die Reisebeschränkungen unterschiedlich. Charité-Virologe Christian Drosten hält sie für sinnvoll: "Eine Kontrolle der Verbreitung durch Unterbindung von Flugverbindungen nach Deutschland ist in der Frühphase der Einschleppung von Infektionen wirksam und damit zum aktuellen Zeitpunkt gerechtfertigt."

Andere Experten kritisieren die Einschränkungen des Flugverkehrs als stigmatisierend und warnen, dass andere Länder künftig das Auftreten neuer Corona-Varianten geheimhalten könnten. So beklagte Südafrika eine "Bestrafung" des Landes durch die Reiseverbote. Im rbb-Interview bewertete die Cottbuser Mikrobiologin Heidrun Peltroche Flugverbote als "übertrieben". Sie betonte: "Die Südafrikaner haben es extra der Welt kundgetan und es offiziell gemacht." Auch dafür verdienten sie jetzt Unterstützung.

Steigende Corona-Zahlen

Berliner Gesundheitssenatorin Kalayci fordert neuen Lockdown

Eine "Bundesnotbremse" brauche es gegen die weiter steigenden Corona-Zahlen: Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci plädiert für einen neuen Lockdown. Die Menschen in der Hauptstadt fordert sie auf, Großveranstaltungen zu meiden.

Hat eine Infektion mit der Omikron-Variante schwerere Krankheitsverläufe zur Folge?

"Für eine veränderte Krankheitsschwere gibt es derzeit keine Hinweise", betont Christian Drosten. Nach Angaben der Mediziner-Vereinigung SAMA in Südafrika erkrankten die dort Infizierten bisher nicht schwerwiegender. Der südafrikanischen Ärztin Angelique Coetzee zufolge gibt es sogar Anzeichen, dass eine Omikron-Infektion nur zu leichten Symptomen führt. Bei der Untersuchung von rund 30 Patienten in Pretoria habe sie nur milde Symptome festgestellt, sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Die meisten Infizierten seien Männer unter 40 Jahren gewesen. Sie hätten vor allem unter "extremer Müdigkeit" gelitten. Alle hätten sich wieder erholt, ohne ins Krankenhaus zu müssen.

Allerdings stehen die Analysen zu den Omikron-Verläufen noch am Anfang. Südafrika hat zudem andere Grundvoraussetzungen - etwa eine andere Altersstruktur - als Länder wie Deutschland. Hinzu kommt, dass sich in Südafrika großteils Menschen infizierten, die schon von einer anderen Corona-Variante genesen waren, also schon einen gewissen Immunschutz haben. Wie eine Omikron-Infektion sich bei älteren Menschen auswirkt - und bei solchen, die noch nie mit Corona infiziert waren - ist noch nicht bekannt.

Kommentar | Chaos beim Impfen und Testen

Gefährliche Ignoranz

Die vierte Corona-Welle und der Bedarf an Booster-Impfungen haben die Berliner Politik anscheinend überraschend getroffen. Das ist ein peinliches und gefährliches Versäumnis. Denn die Politiker hätten es besser wissen müssen, kommentiert Jonas Pospesch.

Wie wirksam sind die Corona-Impfstoffe gegen Omikron?

"Impfschutz ist nicht schwarz-weiß", betont rbb-Medizin-Expertin Julia Fischer. Die Wirksamkeit gegen Virus-Varianten sei nie null oder 100 Prozent. Durch die Mutationen am Spike-Protein könnte der Impfschutz "ein kleines bisschen vermindert sein", so Fischer über die aktuellen Befürchtungen internationaler Virologen. Christian Drosten geht aber davon aus, dass die verfügbaren Impfstoffe grundsätzlich auch gegen die neue Variante schützen, insbesondere gegen schwere Krankheitsverläufe.

Es sei auch angesichts der neuen Variante wichtig, sich boostern zu lassen - also eine Auffrischungsimpfung gegen Corona zu haben, sagte Fischer: "Je höher der Antikörper-Spiegel in unserem Organismus ist, desto eher kommt das Immunsystem auch gegen Varianten an." Besorgt äußerte sich der Epidemiologe Timo Ulrichs von der Akkon-Hochschule Berlin: Die Mutationen im Vergleich zum ursprünglichen Virus "könnten das Potential haben, die bestehende Immunisierung der bisher verwendeten Impfstoffe zu umgehen", sagte er dem News-Portal Watson.de.

Alle Impfstoff-Hersteller untersuchen gerade, wie wirksam ihre Vakzine gegen die neu entdeckte Variante sind. Mit Ergebnissen wird in etwa zwei Wochen gerechnet. Gegebenenfalls können die Corona-Impfstoffe auf die Omikron-Variante angepasst werden, um gezielter gegen diese Mutante zu schützen. Die Entwicklung einer solchen Auffrischungsimpfung hat das US-Unternehmen Moderna bereits angekündigt.

Vierte Corona-Welle

Online-Portal registriert Rekord an Impf-Buchungen in Berlin

Hätte die Omikron-Variante nicht eigentlich nach einem anderen griechischen Buchstaben benannt werden müssen?

Die letzte vor Omikron entdeckte Corona-Variante heißt My. In Kolumbien hatte sie im Sommer andere Varianten verdrängt. Auf den Buchstaben My folgt im griechischen Alphabet - nach dem die Weltgesundheitsorganisation auffällige Varianten von Sars-CoV-2 benennt - eigentlich Ny. Doch die WHO ließ diesen und auch gleich den folgenden Buchstaben Xi aus.

Ny, das auf Englisch Nu heißt, klinge zu sehr nach "new" (deutsch: "neu") und wäre daher missverständlich gewesen, hieß es dazu von der WHO. "Xi wurde nicht verwendet, weil es ein verbreiteter Nachname ist." Virus-Bezeichnungen sollten keine ethnischen oder regionalen Gruppen verletzen.

Sendung: Inforadio, Nachrichten, 28.11.2021, 18 Uhr

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