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Video: Abendschau | 08.12.2021 | Max Kell | Quelle: dpa/Keystone

Interview | Virologe Martin Stürmer

"Wer auf Omikron-Impfstoff wartet, riskiert eine Delta-Infektion mit allen Konsequenzen"

Die Verbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus besorgt Experten und Laien. Was weiß man über Omikron? Und was ist jetzt mit den Impfungen? Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer äußert sich im rbb-Interview zum aktuellen Stand.

rbb: Herr Stürmer, kann man nach zwei Wochen schon gesicherte Erkenntnisse über diese neue Virusvariante haben?

Martin Stürmer: Man kann in vielen Fragen sicherlich nicht gesicherte Erkenntnisse erwarten. Wir wissen schon einiges, und das bestätigt sich jetzt zum Teil auch in neueren Studien. Es handelt sich um ein hochgradig mutiertes Virus mit sehr vielen Veränderungen im Oberflächenprotein, die natürlich hellhörig werden lassen, weil dieses Oberflächenprotein auch im Impfstoff verwendet wird. Die Befürchtungen haben sich jetzt ein bisschen bewahrheitet, dass Omikron durchaus in der Lage sein dürfte, dem Impfstoff relativ gut zu entfleuchen - wobei er natürlich immer noch Wirkung zeigt. Insofern sind die Hoffnungen natürlich immer noch da, dass wir mit unseren Impfungen jetzt noch ganz gut geschützt sind.

Wir sind ja gerade in einer Phase, wo ganz heftig darüber diskutiert wird, wie man noch viel mehr Menschen bewegen kann, sich impfen zu lassen. Wie soll man die Leute trotzdem motivieren?

Zur Person

Omikron hat sich in Deutschland noch nicht flächendeckend ausgebreitet. Das heißt, das Virus, mit dem wir uns jetzt auseinandersetzen, ist Delta. Und das wird sicherlich auch noch ein bisschen so bleiben. Jeder, der jetzt argumentiert: ich warte auf einen Omikron-Impfstoff und lasse mich nicht impfen, der riskiert eine Delta-Infektion mit allen Konsequenzen. Die Daten, die wir jetzt gesehen haben, zeigen übereinstimmend, dass die Booster-Impfung immer noch einen Grad an Abwehr bedeutet gegenüber dieser Variante. Das heißt, man ist nicht komplett ungeschützt. Wir können uns ganz sicher sein, dass die Impfstoffe immer noch gegen schwere Verläufe und gegen Todesfolge helfen. Auch gegenüber Omikron.

Viele haben seit Monaten vorausgesagt, dass sich neue Varianten herausbilden, die vielleicht nicht mehr so gefährlich sind - das Virus will ja seinen Wirt nicht töten, sondern eigentlich weiterleben. Ist das eine Bestätigung dieser These?

Evolutionär gesehen ist es das Optimum für das Virus, dass es sich hochgradig verbreiten kann, den Wirt aber in keinster Form irgendwie beeinträchtigt. Es kann immer mal eine Variante geben, die sich effektiv verbreitet und den Wirt etwas mehr schädigt. Das kann bei Omikron der Fall sein, wir wissen es einfach nicht. Die beschriebenen milden Verläufe stammen aus Südafrika. Mit einer ganz anderen Alters- und Bevölkerungsstruktur als bei uns. Man muss erstmal abwarten, wie eine Omikron-Infektion bei einem nicht geimpften älteren Menschen oder bei einem mit Vorerkrankungen wirklich ausprägt. Da sind wir noch zu früh dran.

Aktuell schlagen wir uns mit Delta rum, Omikron macht sich gerade breit - müssen wir mit weiteren Wellen rechnen?

Wir werden damit auf jeden Fall leben lernen. Wir haben es bei der Influenza auch mit einem Virus zu tun, das sich variabel gestaltet und müssen jedes Jahr einen neu angepassten Vierfach-Impfstoff nehmen. Ich gehe davon aus, dass wir mit Omikron und anderen Sars-Cov-2-Varianten leben lernen und entsprechend reagieren können, das ist eine Frage der Zeit und wir sind noch relativ am Anfang, was das Impfen angeht. Ich bin guter Hoffnung, dass das nicht ewig so weitergeht mit Lockdowns, Maske tragen und so weiter.

Das Interview führte Dietmar Ringel, Inforadio

Beim Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung

 

 

 

Sendung: Inforadio, 08.12.2021, 15:45 Uhr

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