Interview | Virologe Martin Stürmer - "Wer auf Omikron-Impfstoff wartet, riskiert eine Delta-Infektion mit allen Konsequenzen"

Mi 08.12.21 | 18:43 Uhr
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Symbolbild: Sequenzierung in einem Virus-labor. (Quelle: dpa/Keystone)
Video: Abendschau | 08.12.2021 | Max Kell | Bild: dpa/Keystone

Die Verbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus besorgt Experten und Laien. Was weiß man über Omikron? Und was ist jetzt mit den Impfungen? Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer äußert sich im rbb-Interview zum aktuellen Stand.

rbb: Herr Stürmer, kann man nach zwei Wochen schon gesicherte Erkenntnisse über diese neue Virusvariante haben?

Martin Stürmer: Man kann in vielen Fragen sicherlich nicht gesicherte Erkenntnisse erwarten. Wir wissen schon einiges, und das bestätigt sich jetzt zum Teil auch in neueren Studien. Es handelt sich um ein hochgradig mutiertes Virus mit sehr vielen Veränderungen im Oberflächenprotein, die natürlich hellhörig werden lassen, weil dieses Oberflächenprotein auch im Impfstoff verwendet wird. Die Befürchtungen haben sich jetzt ein bisschen bewahrheitet, dass Omikron durchaus in der Lage sein dürfte, dem Impfstoff relativ gut zu entfleuchen - wobei er natürlich immer noch Wirkung zeigt. Insofern sind die Hoffnungen natürlich immer noch da, dass wir mit unseren Impfungen jetzt noch ganz gut geschützt sind.

Wir sind ja gerade in einer Phase, wo ganz heftig darüber diskutiert wird, wie man noch viel mehr Menschen bewegen kann, sich impfen zu lassen. Wie soll man die Leute trotzdem motivieren?

Zur Person

Archivbild: Virologe Martin Stürmer steht in seinem Labor. (Quelle: dpa/Stürmer)
dpa/Stürmer

Martin Stürmer ist Leiter eines Medizinlabors. An der Goethe-Universität Frankfurt ist er Lehrbeauftragter für Virologie.

Omikron hat sich in Deutschland noch nicht flächendeckend ausgebreitet. Das heißt, das Virus, mit dem wir uns jetzt auseinandersetzen, ist Delta. Und das wird sicherlich auch noch ein bisschen so bleiben. Jeder, der jetzt argumentiert: ich warte auf einen Omikron-Impfstoff und lasse mich nicht impfen, der riskiert eine Delta-Infektion mit allen Konsequenzen. Die Daten, die wir jetzt gesehen haben, zeigen übereinstimmend, dass die Booster-Impfung immer noch einen Grad an Abwehr bedeutet gegenüber dieser Variante. Das heißt, man ist nicht komplett ungeschützt. Wir können uns ganz sicher sein, dass die Impfstoffe immer noch gegen schwere Verläufe und gegen Todesfolge helfen. Auch gegenüber Omikron.

Viele haben seit Monaten vorausgesagt, dass sich neue Varianten herausbilden, die vielleicht nicht mehr so gefährlich sind - das Virus will ja seinen Wirt nicht töten, sondern eigentlich weiterleben. Ist das eine Bestätigung dieser These?

Evolutionär gesehen ist es das Optimum für das Virus, dass es sich hochgradig verbreiten kann, den Wirt aber in keinster Form irgendwie beeinträchtigt. Es kann immer mal eine Variante geben, die sich effektiv verbreitet und den Wirt etwas mehr schädigt. Das kann bei Omikron der Fall sein, wir wissen es einfach nicht. Die beschriebenen milden Verläufe stammen aus Südafrika. Mit einer ganz anderen Alters- und Bevölkerungsstruktur als bei uns. Man muss erstmal abwarten, wie eine Omikron-Infektion bei einem nicht geimpften älteren Menschen oder bei einem mit Vorerkrankungen wirklich ausprägt. Da sind wir noch zu früh dran.

Aktuell schlagen wir uns mit Delta rum, Omikron macht sich gerade breit - müssen wir mit weiteren Wellen rechnen?

Wir werden damit auf jeden Fall leben lernen. Wir haben es bei der Influenza auch mit einem Virus zu tun, das sich variabel gestaltet und müssen jedes Jahr einen neu angepassten Vierfach-Impfstoff nehmen. Ich gehe davon aus, dass wir mit Omikron und anderen Sars-Cov-2-Varianten leben lernen und entsprechend reagieren können, das ist eine Frage der Zeit und wir sind noch relativ am Anfang, was das Impfen angeht. Ich bin guter Hoffnung, dass das nicht ewig so weitergeht mit Lockdowns, Maske tragen und so weiter.

Das Interview führte Dietmar Ringel, Inforadio

Beim Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung

 

 

 

Sendung: Inforadio, 08.12.2021, 15:45 Uhr

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57 Kommentare

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  1. 57.

    Und leider geht es mit den Unwahrheiten weiter. Wenn genügend Impfstoff für alle vorhanden wäre, müssten sich die Menschen nicht wie ein Cocktail Mix spritzen lassen.

  2. 56.

    Irgendwie hat sich jetzt was überschnitten. Wenn sie schlussfolgern , dass Afrika erst bekommen soll wenn Europa durchgeimpft ist haben sie meinen Kommentar völlig falsch verstanden. Das wurde nie gesagt, aber man muss trotzdem die Schwerpunkte definieren. Sie können nicht 8 Milliarden Menschen individuell bewerten und behandeln. Schwerpunkte werden deshalb auch nach der demografischen Struktur von Ländern und Regionen gesetzt. Alles andere ist nicht umsetzbar.
    Es geht deshalb nur so wie von mir beschrieben. Ausserdem bekommen die afrikanischen Staaten doch auch Impfstoff, dessen Verteilung sie in eigener Zuständigkeit vornehmen müssen und dabei sicherlich ihre vorhandenen vulnerablen Gruppen, die lt. den Studien aber deutlich kleiner als in den USA und Europa sind, berücksichtigen werden.
    Alles andere ist nicht umsetzbar. Wollen sie etwa mobile Impfteams um den Globus kreisen lassen, die bei Bedarf landen und impfen?

  3. 55.

    Tut mir leid, ist nicht böse gemeint und mag auch sein, dass Sie es anders meinen, aber für mich liest sich das immer noch so, als wären Sie dafür, erst mal bei uns alle komplett durchzuimpfen, weil wir den größeren Anteil an vulnerablen Gruppen haben, bevor in Afrika überhaupt jemand geimpft werden sollte … Und falls Sie das tatsächlich so sehen sollten, bin ich da grundsätzlich anderer Meinung – ob Ihnen das nun gefällt, oder auch nicht ; )

  4. 54.

    Es geht nur so wie von mir beschrieben. Ausserdem bekommen die afrikanischen Staaten doch auch Impfstoff, dessen Verteilung sie in eigener Zuständigkeit vornehmen müssen und dabei sicherlich ihre vorhandenen vulnerablen Gruppen, die lt. den Studien aber deutlich kleiner als in den USA und Europa sind, berücksichtigen werden.
    Alles andere ist nicht umsetzbar. Wollen sie etwa mobile Impfteams um den Globus kreisen lassen, die bei Bedarf landen und impfen?

  5. 53.

    "...Wie schon geschrieben, wäre mein Schluss eher, dass vulnerable Gruppen – in anderen Teilen der Welt genauso wie bei uns – generell vor allen anderen durch eine Impfung geschützt werden sollten....."

    Sorry, aber irgendwie kommt mir das jetzt langsam albern vor. Genau das hatte ich doch geschrieben.
    "Daraus leite ich ab, dass dort (zuerst) geimpft werden muss, wo die vulnerablen Gruppen (die empfindlichsten bei einer Coronainfektion) am stärksten sind, in meinem Beispiel die USA und auch Europa."

    Ob ihnen das jetzt nicht gefällt oder nicht, es ist so. Das Thema hatten wir jetzt ausführlich besprochen. Es hat mit der demografischen Zusammensetzung zu tun, können sie sich noch erinnern? Stichwort Zusammenhang?
    ".....gibt es aber einen ursächlichen Zusammenhang zwischen hohem Altersdurchschnitt und hohem Anteil an vulnerablen Gruppen, in Bezug auf die Gesamtbevölkerung eines Landes."


  6. 52.

    Vielen Dank :-) Der neue Titel "Wer auf Omikron-Impfstoff wartet, riskiert eine Delta-Infektion mit allen Konsequenzen" ist viel deutlicher!

  7. 50.

    „Daraus leite ich ab, dass dort (zuerst) geimpft werden muss, wo die vulnerablen Gruppen (die empfindlichsten bei einer Coronainfektion) am stärksten sind, in meinem Beispiel die USA und auch Europa.“

    Wie schon geschrieben, wäre mein Schluss eher, dass vulnerable Gruppen – in anderen Teilen der Welt genauso wie bei uns – generell vor allen anderen durch eine Impfung geschützt werden sollten.

  8. 49.

    „Also ich habe kein Problem auf den Omikron-Booster zu warten. Warum muss ich mich nach wenigen Wochen Omikron jetzt sofort panikartig boostern? Leuchtet mir nicht ein.“

    Der Booster war und ist eigentlich dazu gedacht, bestmöglich gegen Delta geschützt zu sein; bietet aber hoffentlich auch noch einen gewissen Schutz gegen Omikron. Wie schnell Omikron sich durchsetzen wird, ob es erst nach der aktuellen Delta-Welle eine eigene fünfte Welle bilden wird, oder die aktuelle Welle einfach noch mal höher schwappen lässt und damit die Situation in den Krankenhäusern weiter verschärfen wird, ist noch völlig offen. Mit welcher der beiden Varianten Sie evtl. zuerst in Kontakt kommen, ebenfalls. Da die vulnerablen Gruppen den Omikron-Impfstoff wohl zuerst bekommen dürften, könnte es vielleicht auch noch etwas länger dauern, bis Sie und ich dann an der Reihe sind. Um bis dahin bestmöglich geschützt und auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, ist es sinnvoll, sich boostern zu lassen.

  9. 48.

    Warten ?
    Habe heute mal nachgefragt beim Hausarzt wie es mit Boostern aussieht.
    Nächstes Jahr wahrscheinlich.
    Nichts gegen meinen Hausarzt, aber wo bleiben denn die Impfstoffe - dafür sind ja noch Merkel und Spahn zuständig.
    Und ich bleibe dabei- die Regierung Merkel hat völlig versagt.

  10. 47.

    Deswegen hatte ich ja auch geschrieben "Das geringere Duchschnittsalter und ein geringerer Anteil an vulnerablen Vorerkrankungen (teilweise auch altersbedingt) spielten dabei eine wesentliche Schlussfolgerung."
    Mit "dabei" waren die Untersuchungen gemeint, auf die ich mich bezog.
    Was die vulnerablen Gruppen anbelangt war in den Studien auch vermerkt, dass die dort (Afrika) zahlenmäßig nicht so stark ausgeprägt sind.
    Von HIV abgesehen, da haben sie Recht, obwohl auch in Afrika die Zahlen rückläufig sind, gibt es aber einen ursächlichen Zusammenhang zwischen hohem Altersdurchschnitt und hohem Anteil an vulnerablen Gruppen, in Bezug auf die Gesamtbevölkerung eines Landes. Daraus leite ich ab, dass dort (zuerst) geimpft werden muss, wo die vulnerablen Gruppen (die empfindlichsten bei einer Coronainfektion) am stärksten sind, in meinem Beispiel die USA und auch Europa.

  11. 46.

    Wer sich bewußt nicht impfen läßt, weil einem das Risiko einer Impfnebenwirkung bzw. Spätfolge zu hoch ist, sollte einer sich infizieren und im Krankenhaus auf die Intensiv verlegt werden müßen weil schwerer Verlauf, vorab den Pflegern Bescheid geben, dass einer nicht auf ITS verlegt werden will bzw eine Behandlung ablehnt, da einer sich bewußt entschieden hat ggf. Corona krank zu werden ohne eine mögliche Schutzwirkung einer Impfung in Anspruch genommen zu haben und dann damit selbst das Risiko erhöht hat an Corona zu erkranken und ggf. zu steben. Das sollte jeder auch Bedenken bei einer bewußten Entscheidung sich nicht impfen zu lassen wegen möglichen Nebenwirkungen und/oder Spätfolgen durch die Coronaschutzimpfung ....??

  12. 45.

    Absolute Zahlen sind immer krasser anzuschauen wie Zahlen in Prozent. Mal eine Bsp an der aktuellen Inzidenz in Berlin und BRB. Das RKI meldet als aktuelle Sieben-Tage-Inzidenzen (Stand: 09.12.2021, 8:15 Uhr)
    Berlin: 352,8 und Brandenburg: 601,8 (Infizierte auf 100.000 Einwohner gerechnet)das sind in Berlin auf absolute Einwohnerzahl von 3.7 Mio hochgerechnet: 13.053 Infizierte die erfasst sind (ohne Dunkelziffer)
    das sind in BRB auf absolute Einwohnerzahl von 2.5 Mio hochgerechnet: 15.045 Infizierte die erfasst sind (ohne Dunkelziffer)Das sind dann Prozentual in Berlin "nur" ca 0.3 % der Berliner und "nur" 0.6% der Brandenburger Bevölkerung. Liest sich wenig und lies sich eben besser als die absoluten Zahlen. Jetzt kann man auch sagen, warum dann so einen Aufriß wegen Zahlen weit unter 1%, ist ja wenig auf die Bevölkerung gesehen und davon landen ja auch nur ganz wenige im Krankenhaus und auf Intensiv. Ja, man kann es sich auch schön rechnen mit Prozentzahlen.....Ironie off.

  13. 44.

    Nun sind Wir ja jetzt in Deutschland.
    Impfen hilft den meisten Erkrankenden.
    Welcher Impfstoff, wann, wem, das
    Überleben leichter macht, kann eigentlich
    Niemand wissen. - Ob Ich, wenn Ich
    genesen sein werde, die Haltungsnote
    2,9 statt 3,1 bekomme ist so dermaßen
    sch...egal.

  14. 43.

    Ja, schauen Sie nach Portugal! Impfmeister Portugal und Spanien verschärfen COVID-Maßnahmen. Die Sieben-Tage-Inzidenz klettert schon seit zwei Wochen wieder langsam hoch und liegt derzeit bei rund 160 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Nach den Festtagen tritt dann eine Art „Lockdown light“ in Kraft. Eine Woche lang wird es ab dem 1. Januar obligatorisches Homeoffice geben. Schulen, Universitäten, Bars und Diskotheken bleiben landesweit geschlossen.

  15. 42.

    Wie wäre es denn, wenn endlich mal der auf delta angepasste Impfstoff verimpft werden würde, statt weiterhin nur gegen den wildtyp zu impfen und dadurch einen lückenhaften Schutz zu riskieren?
    Seltsam ist, dass man dem Impfstoff auch gegen Omikron Wirksamkeit vorab bestätigt, obwohl bei der Impfung nur mit dem Spike-Protein immunisiert wird, welches sich verändert hat? Interessante These, ich bin auf die Studien dazu gespannt!
    Ich drücke uns die Daumen, das es gutgeht! Krank trotz Booster wäre sonst die Folge, also vorsichtig bleiben, liebe Mitmenschen! Und ne frohe Adventszeit!

  16. 41.

    Ich möchte Ansteckungszentren anregen. In einer kontrollierten Umgebung bekomme ich meine Covid Ansteckung. Dabei können gezielt Mutationen ausgewählt werden, für die die wenigsten Komplikationen ermittelt wurden.
    So kann ich mit meiner doppelten Impfung, mit einer geringen Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf, eine gezielte Ansteckung und Genesung erwirken und gehe dann nicht nur mit Antikörpern aus der Geschichte, sondern auch mit einer Immunantwort von T und B Zellen, die nicht nur an bestimmten Spike Protein-Eigenschaften festmacht, sondern die ganze Natur des Virus in Betracht zieht. Powered bei Evolution der zehntausenden Generationenen vor mir. Ansonsten sehe ich mich in einer Endlosboosterschleife.

  17. 40.

    Danke für den Link, sehr interessant.
    Während man dort immer mehr feststellt, bei der jungen Bevölkerung passiert nicht wirklich was, will man hier am besten jeden boostern und das mit der Omikron Begründung.
    Tja wer die Mittel hat … sicher ist eben sicher… ob das bei einem 20jährigen doppelt geimpften einen Nutzen bringt …

  18. 39.

    Aufgrund der dortigen Alterstruktur werden es in Afrika vermutlich nicht ganz so viele ältere Menschen sein wie hier, Menschen mit Vorerkrankungen wird es dort aber ebenfalls geben; auch viele HIV-Infizierte mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf. Genauso wie bei uns sollten zumindest diese Teile der Bevölkerung dann auch möglichst zeitnah geimpft werden. Afrika mit Impfstoff zu versorgen, ist also durchaus sinnvoll.

  19. 38.

    Tja dann liebe Medien hört endlich auf immer wieder Panik und Angst zu schüren !
    Eine sachliche Berichterstattung hätte diese Auswüchse nicht begünstigt.
    Z.b. das weltweit in zwei Jahren Corona ca 0,0047% Menschen tatsächlich an Corona gestorben sind und nicht die absolute Zahl von 5 Millionen, die deutlich mehr Angst macht.

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