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Video: Abendschau | 06.01.2022 | Arndt Breitfeld | Quelle: Paul Zinken/dpa

Probleme bei Corona-Bürgertests

Wenn ein negatives Ergebnis eingeht - ganz ohne Test

Mehr als 830 zertifizierte Teststationen weist die Senatsverwaltung für Gesundheit aus. Aber wie zuverlässig sind die eigentlich? Und wie kann es sein, dass auch ohne Abstrich auf einmal ein Testergebnis verschickt wird? Von Oda Tischewski

Es sollte ein Familienausflug werden: Gemeinsam mit Mann und Sohn wollte Sabine Hermann* aus Berlin-Schöneberg zwischen den Jahren Schlittschuhlaufen gehen. Doch weil Schülerinnen und Schüler in den Ferien nicht wie sonst regelmäßig getestet werden, mussten die Drei vorher einen Schnelltest machen. Dafür vereinbarte Sabine Hermann drei Abstrich-Termine - wie immer in der Teststation um die Ecke. Doch dann änderten sich die Pläne: Der Besuch auf der Eisbahn wurde abgeblasen, die Tests waren nun nicht mehr nötig - die Familie ließ die drei Termine verfallen.

Die große Überraschung kam zwei Stunden später: Sowohl Sabine Hermann als auch ihr Mann und ihr Sohn erhielten Post von der Teststation. Drei E-Mails, drei negative Testzertifikate - und das, obwohl sie nie zum Test gegangen waren. "Ich hab zuerst an ein Versehen geglaubt, aber als dann eine Mail nach der anderen kam, immer schön mit negativem Testergebnis, da hab ich gedacht, das kann doch nicht wahr sein."

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Statt Testtermin gleich Testergebnis

Auch Gaby Klein machte eine ähnlich merkwürdige Erfahrung mit einem anderen Testzentrum. Zu Heiligabend ließ sie sich testen und erhielt kurz darauf ihr Ergebnis. Einige Tage später bekam sie eine zweite E-Mail mit einem QR-Code: Diesen könne sie nutzen, um ihre Daten zu hinterlegen und künftig leichter Termine vereinbaren zu können, hieß es.

Gaby Klein scannte den QR-Code ein, füllte das Datenformular aus - und erhielt gleich darauf wieder eine E-Mail, diesmal mit einem tagesaktuellen negativen Testergebnis. "Ich habe das Testzertifikat von Heiligabend mit dem zweiten Testergebnis verglichen, die waren absolut identisch, aber eben mit unterschiedlichem Datum. Ich habe also ein aktuelles negatives Test-Zertifikat bekommen, obwohl ich gar nicht aus dem Haus gegangen war."

Fehlerhafte Schnelltests werden "häufiger gemeldet"

Nach der Einführung der flächendeckenden Schnelltests im Frühjahr 2021 waren die gewerblichen Teststationen wie Pilze aus dem Boden geschossen. Wo immer Platz ist für ein großes Banner und ein paar Abstrichkabinen war - ob in Apotheken oder Kosmetikstudios, in Spätis oder einfach in leerstehenden Ladengeschäften - stehen seither zumeist junge Menschen in Schutzkleidung nehmen Abstriche ab.

Die Qualität dabei, das merken oft auch die Kunden, ist sehr unterschiedlich: Mal mehr, mal weniger gründlich wird abgestrichen - und manchmal eben auch gar nicht. Auch die zuständige Senatsverwaltung hat von dem Phänomen "Testergebnis ohne Abstrich" bereits Notiz genommen. Schriftlich teilt sie mit: "Dieses Vorgehen ist der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung bereits bekannt und wird häufiger gemeldet. Wir reichen jeden Verdacht auf eine Straftat an das LKA weiter."

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Abrechnungsbetrug in der Schnelltestbranche

Auf Nachfrage können sich die Testzentren – so die Aussagen – nicht erklären, wie es zu den fehlerhaften Tests gekommen ist. Für die Verwaltung der Testergebnisse nutzen die Stationen unterschiedliche Softwarelösungen – längst nicht alle arbeiten mit dem "Corona-Warn-App Schnelltest-Portal" des Robert-Koch-Instituts. Wenn die zum Einsatz kommt, sei das Versenden eines falschen Ergebnisses nicht mit einem einfachen Klick möglich, versichert die Mitarbeiterin einer Teststation, die die RKI-Software benutzt.

Schon im Sommer gab es bundesweit erste Verdachtsfälle, dass im lukrativen Schnelltest-Geschäft auch Abrechnungsbetrug vorkommt – es folgten neue gesetzliche Regelungen. Seit Anfang Juli hat die Kassenärztliche Vereinigung sogenannte Plausibilitätsprüfungen eingeführt, dank derer allzu plumpe Ungereimtheiten auffallen sollten. Zudem werden die Teststationen "stichprobenartig" kontrolliert, sagt Bettina Gaber vom Vorstand der KV: "Es ist jetzt deutlich mehr Prüfung möglich als vor dem 1. Juli. Wenn es Auffälligkeiten gibt, leiten wir die weiter an eine Firma, die dann in die Tiefenprüfung geht. Verdachtsfällen gehen wir weiter nach."

Schwankende Qualität bei Teststationen

Schnelltests sind ohnehin fehleranfällig: Wie gründlich wird abgestrichen, wie akribisch der Test ausgeführt, wie gut läuft die Testverwaltung - all das beeinflusst die Ergebnisse, die für den einzelnen erhebliche Konsequenzen haben können. Die gemeldeten Fehler stellen der derzeit so dringend benötigten Infrastruktur kein gutes Zeugnis aus.

Info: Bürgerinnen und Bürger können sich bei Fragen, Beschwerden, o.ä. zu Teststationen an die Hotline des Senats wenden: 0800 - 266 8363 (Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag von 9 bis 18 Uhr)

* Name von der Redaktion geändert

Sendung: Inforadio, 06.01.2022, 8:00 Uhr

Beitrag von Oda Tischewski

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