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Video: Abendschau | 21.12.2016 | Kerstin Breinig/Norbert Siegmund | Zu Gast im Studio: Jo Goll | Quelle: Bundeskriminalamt/dpa

Nach Anschlag am Berliner Breitscheidplatz

Berliner Justiz observierte Verdächtigen ein halbes Jahr

Der nach dem Anschlag gesuchte Anis A. wurde von der Berliner Justiz bis September observiert - danach wurde die Überwachung beendet. Die Suche nach dem Tunesier läuft weiter. Medienberichten zufolge hat er ein langes Vorstrafenregister.

Die Berliner Justiz hat den zur Fahndung ausgeschriebenen Tunesier Anis A. von März bis September observieren lassen. Bei den Ermittlungen sei es um Informationen gegangen, wonach A. einen Einbruch plane, um sich dabei Mittel für den Kauf automatischer Waffen zu beschaffen - "möglicherweise, um damit später mit noch zu gewinnenden Mittätern einen Anschlag zu begehen", erklärte die Generalstaatsanwaltschaft am Mittwoch. Der Verdacht habe sich aber nicht erhärtet.

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Observation ergab keine Hinweise auf möglichen Anschlag

Die verdeckte Überwachung habe lediglich Hinweise geliefert, dass Anis A. als Kleindealer im Görlitzer Park tätig sein könnte, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft weiter. Es habe auch Hinweise auf eine körperliche Auseinandersetzung in einer Bar gegeben.

Diese Erkenntnisse wurden den Angaben zufolge zur Strafverfolgung den zuständigen Dienststellen weitergeleitet. Für den ursprünglichen Verdacht, dass er sich mit einem Einbruch Geld für einen möglichen Anschlag beschaffen wollte, habe es aber keine Hinweise gegeben - trotz Verlängerung der Überwachung. Deshalb musste die Observation den Angaben zufolge im September beendet werden.

Öffentliche Fahndung nach Verdächtigem

Seit Mittwochnachmittag sucht die Generalbundesanwaltschaft öffentlich nach dem Tatverdächtigen - dazu stellte sie Bilder und persönliche Angaben ins Internet. Die Behörden baten die Bevölkerung um Mithilfe, warnten aber zugleich, der Gesuchte "könnte gewalttätig und bewaffnet sein". Für Hinweise wurden bis zu 100.000 Euro Belohnung ausgeschrieben. A. ist demnach als islamistischer "Gefährder" bekannt. Das Schreiben dazu wurde auch auf Arabisch, Dari, Farsi und Urdu veröffentlicht.

Nach dpa-Angaben überprüfte ein Spezialeinsatzkommando am Mittwochabend im Berliner Stadtteil Kreuzberg einen Mann, bei dem es sich aber nicht um A. handelte. Die "Welt" hatte dagegen berichtet, die Polizei habe zwei Wohnungen gestürmt. Das dementierte die Berliner Polizei auf Twitter mit den Worten "Das stimmt nicht".

Die Papiere von Anis A. sollen in dem Tatfahrzeug des Anschlags gefunden worden sein. Der Lastwagen war am Montagabend in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gefahren und hatte dabei zwölf Menschen getötet. Fast 50 Menschen wurden verletzt. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat inzwischen den Angriff auf den Weihnachtsmarkt in Berlin für sich in Anspruch genommen.  Ob sie tatsächlich hinter dem Anschlag steckt, ist aber unklar. Die "New York Times" berichtet unter Berufung auf Aussagen nicht näher genannter amerikanischer Offizieller, Anis A. solle direkten Kontakt zum IS gehabt haben. Demnach soll er sich auch im Internet über den Bau von Sprengsätzen informiert haben. Unklar blieb zunächst, auf welchen Zeitraum sich diese Angaben beziehen.

Geldbörse mit Papieren gefunden

Nach rbb-Informationen wurde im Fußraum des Führerhauses des LKW eine Geldbörse gefunden, in der sich Personalien befanden. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen befand sich darin eine Duldungsbescheinigung aus Nordrhein-Westfalen.

Warum sich Ausweisdokumente im Tatfahrzeug befunden haben sollen, ist bislang unklar. Es wird spekuliert, dass der Verdächtige sich mit dem polnischen Fahrer einen Kampf lieferte und dabei möglicherweise die Börse verlor. Das Dokument könnte aber auch mit Absicht plaziert worden sein.

Nach rbb-Informationen suchte die Polizei am Mittwoch sämtliche Krankenhäuser in Berlin und Brandenburg ab. Hintergrund ist demnach, dass der Täter verletzt sein soll - möglicherweise durch einen Kampf.

Mann war als "Gefährder" bekannt

Bereits am Mittwochmittag hatte der NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) mitgeteilt, dass gegen den Verdächtigen ermittelt wurde. "Diese Person ist verschiedenen Sicherheitsbehörden in Deutschland durch Kontakt zu einer radikalislamistischen Szene aufgefallen", so Jäger.

Medienberichten zufolge hat der Verdächtige ein langes Vorstrafenregister: Er soll bereits in Italien und Tunesien zu langen Haftstrafen verurteilt worden sein. In Tunesien verhörten Ermittler nach einem Bericht der Zeitung "Al-Chourouk" die Familie des möglichen Attentäters in der nordöstlichen Provinz Kairouan, einer Salafisten-Hochburg. Die Familie habe ausgesagt, dass sie keinen steten Kontakt mit A. hatte, seitdem er das Haus Ende 2010 verlassen habe. Sein Vater sagte dem tunesischen Sender Mosaique FM, Anis A. habe Tunesien vor rund sieben Jahren verlassen. Dem Bericht zufolge wurde er in Abwesenheit wegen Raubes zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Nach dem Anschlag in Berlin führten die tunesischen Behörden laut "Welt" Ermittlungen zu A. und seiner Familie durch. Ersten Erkenntnissen zufolge habe er 2010 einen Lastwagen gestohlen und sei daraufhin zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.

Verdächtiger war laut italienischer Nachrichtenagentur in Palermo inhaftiert

2011 kam er als Flüchtling nach Italien, wie die dortige Nachrichtenagentur Ansa berichtete, und wurde in einem Auffanglager auf Sizilien untergebracht. Weil er Sachbeschädigungen und "diverse Straftaten" beging, kam er demnach in Palermo vier Jahre ins Gefängnis. Nach Informationen der "Welt" wurde er wegen Gewalttaten, Brandstiftung, Körperverletzung und Diebstahls verurteilt. Mithäftlinge hätten ihn als gewalttätig beschrieben.

Im Frühjahr 2015 wurde A. laut Ansa entlassen, konnte wegen Problemen mit den tunesischen Behörden aber nicht ausgewiesen werden. Er sei dann nach Deutschland weitergereist.

Der Mann soll in einer Asylunterkunft im nordrhein-westfälischen Emmerich gemeldet gewesen sein. Nach Informationen von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR unterhielt der Verdächtige Kontakte zum Netzwerk des unlängst verhafteten Predigers Abu Walaa, der auch als die Nummer Eins des IS in Deutschland bezeichnet wird.

Die Ermittlungen dazu seien in Berlin geführt worden, sagte Jäger. Dort habe der Verdächtige seit Februar 2016 seinen Lebensmittelpunkt gehabt und sei nach heutigem Kenntnisstand zuletzt nur kurz in Nordrhein-Westfalen gewesen. Die Sicherheitsbehörden hätten ihre Erkenntnisse über ihn im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum ausgetauscht, zuletzt im November 2016.

Abschiebung verzögerte sich

Nach Angaben von NRW-Innenminister Jäger reiste der Mann wohl im Juli 2015 nach Deutschland ein. Schon im Sommer habe der abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden sollen, doch fehlten die dafür notwendigen Pass-Ersatzpapiere der tunesischen Behörden. Er habe verschiedene Alias-Identitäten benutzt.

Die Pass-Ersatzdokumente seien nun am Mittwoch eingetroffen. Jäger ergänzte: "Ich will diesen Umstand nicht weiter kommentieren." Tunesien habe lange Zeit bestritten, dass es sich bei dem Mann um einen Tunesier handele.

Quelle: rbb

Erster Verdächtiger nach einem Tag freigelassen

Am Dienstag war bereits der kurz nach dem LKW-Anschlag festgenommene Verdächtige - ein 23-jähriger Pakistaner - wieder freigelassen worden. Laut Generalbundesanwalt hätten die bisherigen Ermittlungsergebnisse keinen dringenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten ergeben. Der Mann habe zwar umfangreiche Angaben gemacht, eine Beteiligung an der Tat aber bestritten. Der Mann war am Montagabend in der Nähe der Siegessäule festgenommen worden.

Ein Augenzeuge hatte angegeben, gesehen zu haben, wie der Verdächtige aus dem LKW gestiegen war. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft war es dem Augenzeugen auch nicht möglich gewesen, den Verdächtigen auf seinem Weg durch den Tiergarten lückenlos zu verfolgen. Die kriminaltechnischen Untersuchungen hätten zudem nicht belegen können, dass der Beschuldigte während der Fahrt im Führerhaus des LKW anwesend gewesen ist.

Ermittler gehen von terroristischem Anschlag aus

Die Ermittler gehen davon aus, dass der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz einen terroristischen Hintergrund hatte. Das sagte Generalbundesanwalt Peter Frank am Dienstag. Vermutet wird, dass ein bisher Unbekannter den polnischen Sattelschlepper in seine Gewalt gebracht, und dann den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin-Charlottenburg verübt hat.

Der dunkle Lastwagen mit polnischem Kennzeichen fuhr laut Polizei gegen 20 Uhr auf einer Strecke von 50 bis 80 Metern über den Markt, zerstörte dabei mehrere Buden und überfuhr dutzende Menschen.

Ein Toter befand sich auf dem Beifahrersitz des LKW. Er ist polnischer Staatsbürger und wurde nach Erkenntnissen der Ermittler erschossen. Den Erkenntnissen zufolge ist er der ursprüngliche Fahrer des LKW. Sein Cousin, der Besitzer des Speditionsunternehmens, identifizierte den Toten.

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