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Quelle: dpa/S. Stache

Krise in der Brandenburger Landesregierung

Gemeinsam einsam

Erst Kabinettssitzung, dann Pressekonferenz - und alles ganz schnell: SPD, Grüne und CDU hatten die neuen Corona-Schutzmaßnahmen beraten. Die Essenz aber war, dass sie sich nicht einig sind - und dass die Zukunft der Gesundheitsministerin auf dem Spiel steht. Von Hanno Christ

Manchmal sagen Pausen mehr als Worte. So gesehen hatte Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis90/Grüne) auf der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung viel gesagt. Es war ein Moment, in dem Zuhörer aufhorchten und der oder die ein oder andere den Atem angehalten haben mag.

Ein Journalist hatte kurz zuvor gefragt, ob die Ministerin auch einen Rücktritt erwäge, wenn die Maskenpflicht an Grundschulen nicht wieder eingeführt werden würde, so wie es ihr Haus empfiehlt. Üblich ist an solchen Stellen ein rasches Kopfschütteln oder eine andere Geste der Verneinung, die dann verbal mit einem klaren Nein unterfüttert wird. Schweigen sät eben Zweifel. Dann doch lieber reden? Stattdessen aber schwieg Nonnemacher einen kurzen Moment und ließ erahnen, wie heftig die Auseinandersetzungen im Kabinett gewesen sein müssen.

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Die Spuren der Krise und die Folgen für die Zusammenarbeit

Auseinandersetzungen - und zwar die zwischen dem SPD-geführten Bildungsministerium von Britta Ernst und eben ihrem Haus. Ernst hatte sich stets gegen die Masken für Grundschüler gewehrt, Nonnemacher mit Verweis auf hohe Inzidenzen unter den 5- bis 14-Jährigen vehement dafür votiert. In der Pressemitteilung, die die Staatskanzlei parallel zur Pressekonferenz versenden ließ, steht bereits eine Maskenpflicht drin. Es ist also wahrscheinlich, dass sie neben etlichen anderen Verschärfungen am Donnerstag auf einer Sondersitzung auch beschlossen werden wird.

Umso erstaunlicher daher die Reaktion der Ministerin, einer studierten Medizinerin: "Ich komme in große Probleme, das muss ich sagen, was ich mit meinem ärztlichen Gewissen noch vereinbaren kann und das geht ganz klar in eine Empfehlung Maskenpflicht auch wieder an den Grundschulen."

Da spielte es auch fast keine Rolle mehr, dass sie auf die anschließenden Fragen der Journalisten den Eindruck wieder zerstreuen wollte, den sie soeben noch erweckt hatte: Dass eine Schlüsselfigur der Brandenburger Regierung soeben ihre Zukunft an der Landesspitze in Frage gestellt hatte und zugleich das gesamte Corona-Management im Land. Eineinhalb Jahre Corona-Krise haben offenbar Spuren hinterlassen.

Hatte die Landesregierung einst ihr gemeinsames Krisenmanagement in der Frühphase auch mal als gelungene Feuertaufe bezeichnet, die die Koalition aus SPD, CDU und Bündnisgrünen zusammenschweißt, wirkt es nun, als werfe man sich neue Einschnitte wie heiße Kartoffeln zu. Der symbolhaft geschlossene Auftritt der Koalitionäre zu Beginn der Pandemie scheint dem Einzelkampf gewichen.

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Ablauf der Pressekonferenz verstärken Zweifel

Innenminister Stübgen ließ sich auf der Pressekonferenz durch seinen Staatssekretär vertreten, weil er zur Zeit der Pressekonferenz zu einem Interview zur Flüchtlingssituation verabredet war, und Bildungsministerin Ernst trat gar nicht erst vor die Mikrofone.

Fragen der Journalisten zu geplanten Einschränkungen im Sport konnte Nonnemacher dann nicht beantworten und verwies auf das Bildungsministerium, von wo dann später schriftliche Anfragen achselzuckend zurückwiesen werden.

Und Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD)? - Er verlässt die Pressekonferenz vorzeitig, um zu den Ampel- Koalitionsverhandlungen nach Berlin zu eilen, ohne aber zuvor deutlich zu werden, was die Landesregierung eigentlich genau plant. Woidke spricht von Sorgen angesichts der steigenden Infektionszahlen, aber bei der Maskenfrage müsse man am Ende eine Entscheidung treffen, die "sowohl die Interessen der Kinder berücksichtigt, aber am Ende auch die Pandemiebekämpfung". Was nun genau am Donnerstag in der Verordnung stehen wird, bleibt offen. Am Ende blieb Nonnemacher als Letzte vor den Mikrofonen, um den Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Oder um einfach nur kurz zu schweigen.

Sendung: Inforadio, 10.11.2021, 07:25 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

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