rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
Audio: Inforadio | 14.12.2021 | Hannah Grünewald | Quelle: dpa/P. Hennessy

Kritik an Kommunikation

Berliner Bezirke fürchten Orga-Wirrwarr bei Kinder-Impfungen

Ab Mittwoch sollen in Berlin Kinder zwischen fünf und elf Jahren geimpft werden, so der Plan von Gesundheitssenatorin Kalayci. Doch es drohen Organisationschaos und Ärger bei Eltern. Von Tobias Schmutzler, Hannah Grünewald und Agnes Sundermeyer

Zwölf Schulen, jeweils eine pro Bezirk: Als wir am Montagnachmittag auf der Berliner Impf-Hotline anrufen, sind wir überrascht. Bereitwillig liest uns der hilfsbereite Mitarbeiter am anderen Ende der Leitung eine Liste an Grundschulen vor, die ihm offenbar schriftlich vorliegt. An den zwölf Standorten, die er nennt, sollen ab Mittwoch Fünf- bis Elfjährige in Berlin geimpft werden. Für Mittwoch, 12:30 Uhr, bietet uns der Hotline-Mitarbeiter auch direkt einen Erstimpfungstermin in Wilmersdorf an.

Wir legen auf, bevor der Termin wirklich gebucht wird. Am Telefon haben wir uns nur für ein Elternteil ausgegeben, das einen Impftermin für sein Kind möchte. Warum greifen wir zu dieser Recherchemethode? Weil uns die Berliner Senatsverwaltungen für Gesundheit und Bildung - auch auf mehrmalige Nachfragen über Tage hinweg - die Schulnamen nicht selbst nennen wollten.

Stiko-Entscheidung steht noch aus

Kinder-Impfungen in Berlin sollen am 15. Dezember beginnen

Noch gibt es keine offizielle Empfehlung der Ständigen Impfkommission für eine Corona-Impfung für Kinder unter zwölf Jahren - doch die Vorbereitungen laufen bereits. Nun hat der Berliner Senat erste Details für die geplante Offensive bekanntgegeben.

Ein Pressesprecher der Gesundheitsverwaltung erklärt dazu, man wolle verhindern, dass Impfgegner impfwillige Eltern vor den ausgewählten Schulen unter Druck setzen könnten. Wir verzichten darauf, die Schulen zu nennen, um zu verhindern, dass Eltern die Hotline umgehen und die Schulen mit Terminanfragen überwältigen.

"Der Weg bisher war holprig"

"Sobald der Impfstoff da ist, impfen wir." Mit diesem Satz hat die Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) vor gut einer Woche die Maschine in Gang gesetzt. Eine wichtige Rolle spielen dabei die für Bildung zuständigen Stadträte in den Bezirken – eigentlich. Doch auch sie fühlen sich oft nicht gut informiert und in die Entscheidungen des Senats eingebunden. "Der Weg bisher war holprig", sagt die Linken-Politikerin Dominique Krössin im Gespräch mit dem rbb. Sie ist Schulstadträtin im Bezirk Pankow. Wie ihre Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bezirken hat auch sie am Montag, Stichzeit 14 Uhr, vier Vorschläge für Impfstandorte an Schulen an den Senat gemeldet.

An je einer dieser Schulen sollen am Mittwoch die Impfungen starten. So hat es auch Dominique Krössin geplant. Die Hotline nennt uns dann aber eine ganz andere Schule als Start für die Impfkampagne, als Pankows Stadträtin vorgesehen hatte. Als wir Krössin darauf hinweisen, lacht sie: "Nicht schlecht." Womöglich haben sich die Senatsverwaltungen bereits für einen anderen Startstandort entschieden - ohne die Schulstadträtin zu informieren.

Bei "individuellem Wunsch" für alle möglich

Stiko empfiehlt Corona-Impfung für Kinder mit Vorerkrankungen

Die Ständige Impfkommission hat sich zum Thema Kinder-Impfungen geäußert und eine Empfehlung ausgesprochen: Kinder von fünf bis elf Jahren mit Vorerkrankungen sollen geimpft werden können - gesunde Kinder auf Wunsch aber auch.

"Kein gutes Gefühl für Mittwoch"

Welche Information nun stimmt - ihre eigene oder die, die man bei der Hotline bekommt - das könne auch die Linken-Politikerin nicht sicher sagen. "Ich gehe bisher nicht mit einem guten Gefühl in den Mittwoch. Ich wünsche mir engere Abstimmung und klarere Kommunikation", sagt Pankows Schulstadträtin dem rbb. "Wo läuft was zusammen? Wie fallen die Entscheidungen? Da haben wir in der letzten Woche gesehen: Die Abstimmung über solche Fragen muss besser werden", so Krössins Fazit nach einer Woche Kinderimpfplanung.

Auch in Neukölln hätte die zuständige Stadträtin gern mehr Informationen, so kurz bevor es losgehen soll. Die SPD-Politikerin Karin Korte hat ebenfalls vier mögliche Schulstandorte an den Senat gemeldet. Wo es losgehen soll, da sind sich Senatshotline und Bezirk zumindest schon mal einig. Doch wann die mobilen Impfteams die anderen Schulen ansteuern sollen, sei unklar, so Korte: "Da brauch ich noch Informationen." Sie hat mittlerweile einen ihrer Mitarbeiter extra dafür abgestellt, in Sachen Kinderimpfen den Kontakt mit Schulen und Senatsverwaltungen zu halten.

Bezirksstadträte wünschen sich klarere Absprache

Klarere Informationen wären für die Stadträte wichtig, damit sie ihren Teil der Organisation erledigen können. Zum Beispiel, wenn es um Reinigungskräfte und anderes Personal an den Schulen geht. Manche Hausmeister beenden normalerweise um 14 Uhr ihren Dienst an den Schulen, erklärt Korte. Wenn aber das Impfen an den ausgewählten Grundschulen beispielsweise bis 18 Uhr dauert, dann müsste die Bildungsstadträtin das so bald wie möglich sicher wissen. "Das müssen wir organisieren - denn dafür muss auch der Personalrat zustimmen und das braucht genug zeitlichen Vorlauf", sagt Korte.

Neben der Ungewissheit über Detailfragen erreichen die SPD-Politikerin immer wieder neue Informationen, die bisher nicht einkalkuliert waren. So habe sie zuletzt gehört, dass an den Schulen doch nicht nur ein großer Raum benötigt werde, um zu impfen - sondern auch Nebenräume, etwa um dort Spritzen aufzuziehen oder für Pausenzeiten des Impfpersonals. Noch bleibt Korte optimistisch. Das Kinderimpfen sei "eine Herausforderung, der wir uns alle stellen". Aber sie macht auch klar: "Es bedarf einer guten Zusammenarbeit mit klaren Absprachen."

Impfungen in Berlin ab Mittwoch geplant

Auslieferung von Corona-Impfstoffen für Kinder startet

Fünf- bis Elfjährige können ab Mittwoch in Berlin geimpft werden - auch an je einer Schule pro Bezirk. Mediziner kritisieren den Plan ebenso wie der Landeselternrat Brandenburg. Dort sollen am Dienstag zumindest die Impforte benannt werden.

Welche Kinder werden an Grundschulen geimpft?

Währenddessen wissen in Berlin längst nicht alle Eltern, wie sie überhaupt einen Impftermin für ihr Kind bekommen können. In Kürze sollen nun zumindest die Erziehungsberechtigten der Kinder an den zwölf Start-Grundschulen ein Schreiben erhalten; das geht aus einer Mail der Bildungsverwaltung hervor, die dem rbb vorliegt.

Allerdings bleibt damit eine der größten offenen Fragen, welche Kinder dann wirklich Termine an den ausgewählten Standorten bekommen werden: Vorrangig die, die auch selbst auf die Schule gehen, an der geimpft wird, oder alle Kinder der näheren Umgebung, gar der ganzen Stadt? Im Gespräch mit dem rbb äußern zwei Bezirksstadträte die Vermutung, die Impfungen könnten vor allem, wenn nicht sogar ausschließlich für Kinder der jeweiligen Schule reserviert sein. Das sorgt bei einigen Stadträten schon jetzt für große Bauchschmerzen. Denn Konflikte mit Eltern wären so vorprogrammiert: Impfwillige dürften dann den Vorwurf erheben, die Kinder der ausgewählten Schule würden ungerechterweise bevorzugt.

Die Impfhotline des Senats wiederum macht da keinen Unterschied: Wer jetzt dort anruft, kann einen Termin für sein Kind an allen zwölf Impf-Schulen bekommen. Das dürfte für weitere Verwirrung sorgen.

Konflikte mit Eltern wären vorprogrammiert

Dass die Impftermine für Fünf- bis Elfjährige in den drei ebenfalls für die Impfkampagne ausgewählten Impfzentren Messe, ICC und Flughafen Tegel derweil längst komplett ausgebucht sind, dürfte zusätzlich für Ärger sorgen. Denn diese Termine konnten schon seit Donnerstag vergangener Woche gebucht werden; eine offizielle Ankündigung dafür gab es allerdings erst vier Tage später, als die allermeisten Termine längst vergeben waren.

Die vielen offenen Fragen zum Kinderimpfen könnten sich - zumindest für die Stadträte - am Dienstagnachmittag klären. Dann hat die Senatsverwaltung für Gesundheit und zur nächsten Videoschalte eingeladen. Und dann erfahren vielleicht auch alle Stadträtinnen und Stadträte endgültig, an welchen Schulen in ihrem Bezirk das Impfen am Mittwoch starten soll.

Sendung: rbb24, 13.12.2021, 21:45 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen