Parteitag in Templin - Brandenburgs Linke kämpfen um Kandidaturen

Am Wochenende entscheidet Brandenburgs Linkspartei über die Landtagskandidaturen. Auf dem Parteitag wird es auch Kampfkandidaturen geben. Für die Linke geht es bei der Wahl um existenzielle Fragen. Von Thomas Bittner
- Landeschef Sebastian Walter soll Spitzenkandidat werden
- Ab Listenplatz drei beginnen die Kampfkandidaturen
- Über Wahlprogramm wird im Juni entschieden
Es ist ein Zufall, aber es ist auch symbolisch. Ausgerechnet an dem Tag, an dem Brandenburgs Linke in Templin (Uckermark) auf einer Vertreterversammlung ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die Landtagswahl bestimmen will, findet in Berlin der erste Parteitag der Sahra-Wagenknecht-Partei statt. Wieder stiehlt die charismatische Ex-Linke ihrer Ex-Partei die Show.
Noch weiß man nicht, wer Wagenknechts Gesichter auf den Wahlplakaten sein werden. Es scheint aber eher unwahrscheinlich, dass prominente Brandenburger Genossinnen oder Genossen die Seite wechseln: Ob Bürgermeister, Landtagsabgeordnete oder Oberbürgermeister - anders als etwa in Thüringen gab es hierzulande bislang keine Abgänge Richtung Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
In Umfragen zu den Landtagswahlen in Ostdeutschland liegt das Wagenknecht-Bündnis vor der Linken, obwohl es noch nicht einmal Landesverbände gibt. Die Linke hat Tuchfühlung zur Fünf-Prozent-Hürde. Für die Linkspartei in Brandenburg, die vor 20 Jahren noch Landtagswahlergebnisse knapp unter 28 Prozent holte, die zehn Jahre lang mitregierte, Minister stellte, auch Bundesvorsitzende, wird es im September existenziell.
Hoffnung auf Volksinitiative für kostenloses Schulessen
Auf dem Templiner Parteitreffen in einem Familienhotel am Lübbesee werden 112 Vertreterinnen und Vertreter die Landesliste beschließen. Als sicher gilt, dass Landesparteivorsitzender und Landtags-Fraktionschef Sebastian Walter auf Platz 1 landet. Der 33-Jährige - geboren, als die Vorgängerpartei SED bereits die Macht verloren hatte - steht für eine neue Generation von Linkspolitikern.
Er verordnete im letzten Jahr seinem Landesverband einen "neuen demokratischen Aufbruch" mit mehr Nähe zu den Bürgern auf Augenhöhe. Dass diese Offensive bisher wenig gezündet hat, liegt zum einen an den Querelen in der Bundespartei, aber auch an fehlenden Ressourcen in einer alternden und schrumpfenden Partei.
Walter und die Strategen um ihn herum hoffen, mit einer Volksinitiative für ein kostenloses Mittagessen in der Schule wieder wahrnehmbarer zu werden. Zum Unterschriftensammeln muss man nämlich auf Straßen, Plätze und an Versammlungsorte. Symbolischer als die eigentliche Forderung, 100 Millionen Euro für Gratis-Essen in den Schulkantinen auszugeben, ist der Fakt, dass für die Initiative auch Bündnispartner wie Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und Elterninitiativen ins Boot geholt werden konnten.
Auf Platz zwei kandidiert Kathrin Dannenberg. Die Lehrerin aus Calau ist schon zehn Jahre im Landtag, gilt als ausgewiesene Bildungsexpertin. Kaum einer zweifelt, dass sie zusammen mit Walter die Doppelspitze im Landtagswahlkampf bilden wird.
Verwaltungskompetenz oder Eigentumsfrage
Doch beim dritten Listenplatz beginnen wahrscheinlich die Kampfkandidaturen. Da die Landtagsfraktion - wenn es die Linke in den Landtag schafft - wahrscheinlich deutlich kleiner sein wird als derzeit, mit zehn Abgeordneten, sind vordere Listenplätze begehrt. Ute Hustig, seit 2010 hauptamtliche Bürgermeisterin der Gemeinde Nuthetal (Potsdam-Mittelmark), will Verwaltungskompetenz und kommunale Erfahrungen in die Landtagsfraktion bringen.
Doch auch die Landtagsabgeordnete Isabell Vandre will auf Platz drei landen. Diese Konstellation steht quasi symbolisch für zwei Strömungen in der Landespartei. Auf der einen Seite stehen die kommunal Erfahrenen, die auf Pragmatismus und aufs "Kümmern" setzen, gerade in ländlichen Regionen. Die andere Seite, für die Vandre steht, setzt als "Bewegungslinke" eher auf ein junges, urbanes, linkes Profil.
In Vandres Kreisverband Potsdam hat das bereits zu Verwerfungen und Austritten geführt. Sie will kandidieren, "damit es wenigstens eine Partei gibt, die die Eigentumsfrage stellt und nicht davor zurückschreckt, sich mit den Reichen und Mächtigen in diesem Land anzulegen", schreibt sie zu ihrer Kandidatur an die Genossinnen und Genossen.
Landtagsabgeordnete müssen um Listenplätze kämpfen
Wie die Kräfteverhältnisse in der Partei liegen, wird das Abstimmungsergebnis zeigen. Die Unterlegene könnte dann beim Kampf um Platz fünf gegen Andrea Johlige antreten. Die 46-Jährige mit den auffälligen, rotgefärbten Haaren aus dem Havelland steht als migrationspolitische Sprecherin der Fraktion für die Flüchtlingspolitik der Landespartei. In Ausschusssitzungen und im Landtagsplenum erlebt man sie oft als Gegenpart von CDU-Innenminister Michael Stübgen. Das geplante Ein- und Ausreisezentrum am Flughafen BER nennt sie "Abschiebedrehkreuz". Sie will auch die ausscheidende Innenpolitikerin Marlen Block beerben.
Gegen den Sozialpolitiker Ronny Kretschmer, gelernter Krankenpfleger und seit 2019 Landtagsabgeordneter, tritt Fritz Viertel aus Schöneiche (Oder-Spree) an, der als Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland auch über die Linkspartei hinaus bekannt ist. Er war einer der Koordinatoren der Volksinitiative "Verkehrswende Brandenburg jetzt!", die erst in der letzten Woche in ein Mobilitätsgesetz mündete.
Ob die Kampfabstimmungen das Klima im Landesverband vergiften, wird der Ablauf des Treffens zeigen müssen. Wohin die Partei wirklich inhaltlich will, wird sie an den zwei Tagen in Templin noch nicht festlegen. Erst Ende Juni soll ein Parteitag über das Wahlprogramm debattieren.
Sendung: Antenne Brandenburg, 27.01.2024, 09:30 Uhr