Antrag der Linken abgelehnt - Schulessen muss in Brandenburg weiterhin bezahlt werden

Fr 24.03.23 | 18:58 Uhr | Von Michael Schon
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Symbolbild: Eine Grundschülerin nimmt einen Teller mit Schnitzel und Kartoffeln in einer Schulmensa (Quelle: dpa/Philipp von Ditfurth)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 24.03.2023 | Katrin Neumann | Bild: dpa/Philipp von Ditfurth

Ein kostenloses Mittagessen für alle in Kita, Hort und Schule: Ginge es nach der Linksfraktion im Landtag, sollte das in Brandenburg möglich sein. Doch der Antrag scheiterte. Mit der Begründung tat sich die Koalition schwer. Von Michael Schon

  • Viele Eltern melden ihre Kinder vom Essen in Schule und Kita ab
  • Die Linke scheitert mit einem Antrag auf kostenloses Kita- und Schulessen
  • SPD, CDU und Grüne setzen stattdessen auf Kindergrundsicherung

Was Kathrin Dannenberg zu Beginn der Debatte schilderte, dürfte niemanden im Plenarsaal des Potsdamer Landtags kalt gelassen haben: Immer mehr Kinder würden in den Kitas von ihren Eltern vom gemeinsamen Essen abgemeldet, erzählte die bildungspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion. Es klang verstörend: "Diese Kinder müssen beim Essen dabeisitzen und den anderen Kindern beim Essen zuschauen", sagte Dannenberg am Freitag im Parlament. Eine pädagogische und menschliche Katastrophe sei das. Hungernde Kinder - offenbar Alltag in Brandenburg im Jahr 2023.

Aus Sicht der Linken wäre das Problem einfach abzustellen: Das Mittagessen in Kita, Hort und Schule müsste kostenlos sein, finanziert vom Land, das die Einnahmeausfälle bei den Kita-, Hort- und Schulträgern pauschal ausgleicht. So forderte es die Fraktion.

Schulessen: Für manche Familien unerschwinglich

Damit soll die Landesregierung nach dem Willen der Linken eine Entwicklung ausgleichen, die sich mit dem Preisanstieg im vergangenen Herbst und Winter verschärft hat: Familien mit geringem Einkommen können ihren Alltag immer schwerer finanzieren. Nahrungsmittelpreise machen einen Großteil der Inflation aus, das trifft nach Einschätzung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vor allem einkommensschwache Haushalte - und Familien mit vielen Kindern [boeckler.de].

Zwar haben Familien, die staatliche Hilfe wie Bürger- oder Wohngeld erhalten, einen Anspruch auf kostenloses Mittagessen in Kindergärten und Schulen. Allerdings sind für viele Betroffene die Hürden offenbar zu hoch.

Das zeigen Erfahrungen aus dem Potsdamer Stadtteil Am Schlaatz, einer Gegend, in der besonders viele Menschen wenig Geld zur Verfügung haben. In einem am Donnerstag veröffentlichten Brief mehrerer Potsdamer Sozialverbände an Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) werden Gründe dafür genannt: Familien müssten das kostenlose Mittagessen erst beantragen.

Manche scheiterten an sprachlichen Hürden oder seien beim Ausfüllen aus anderen Gründen auf die Hilfe von Sozialarbeitern angewiesen. Wenn sie das geschafft hätten, warteten sie oft bis zu einem halben Jahr auf den Bewilligungsbescheid. In dieser Zeit müssten sie die Kosten vorstrecken. Pro Kind könnten das in Potsdam bis zu 120 Euro sein.

Für Familien, die auf Transferleistungen angewiesen sind, ist das eine Ansage. Die Folge: An der Gesamtschule "Am Schilfhof" nehmen nach Angaben der Sozialverbände nur zehn Prozent der Jugendlichen das angebotene Mittagessen an. Die Bildungspolitikerin Dannenberg fasste es so zusammen: "Die gut gemeinten Entlastungsprogramme zeigen keine ausreichende Wirkung und kommen einfach nicht ausreichend bei den Familien an."

Der Potsdamer Stadtteil Schlaatz (Quelle: rbb/Ivo Ziemann)Der Potsdamer Stadtteil Schlaatz: Hier können sich überdurchschnittlich viele Familien das Schulessen für ihre Kinder nicht leisten.

Linke fordert kostenloses Schulessen für alle

Deshalb zielte der Antrag der Linken darauf ab, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen - indem das Mittagessen in Schule und Kita für alle Kinder kostenlos wird. Umständliche Anträge und finanzielle Vorleistungen fielen so für alle Familien in Brandenburg weg. Auch müsse sich niemand mehr dafür schämen, um Geld für das Mittagessen seiner Kinder zu bitten, argumentiert die Linke.

Vom kostenlosen Essen würden aus Sicht der Linken und der Sozialverbände auch Familien profitieren, für die das Geld trotz Erwerbsarbeit nicht reicht. Bei einem Preis von 6,23 Euro für eine warme Mahlzeit an weiterführenden Schulen in Potsdam seien das nicht wenige, heißt es im Brief der Sozialverbände an den Oberbürgermeister. Genauere Zahlen zu Betroffenen aber nannten sie nicht.

Kathrin Dannenberg fasst sich bei einer Rede im Brandenburgre Landtag an die Brille. (Quelle: dpa/S. Stache)
"Entlastungsprogramme ohne ausreichende Wirkung": Die Linken-Bildungspolitikerin Kathrin Dannenberg. | Bild: dpa/S. Stache

SPD: Gratisverpflegung könne sich als "Zuschuss für überteuerte Caterer" herausstellen

Beim Ziel zeigten sich die Abgeordneten in der Landtagsdebatte einig: Kein Kind soll in Brandenburg hungern müssen. Dem Weg der Linken dorthin wollte allerdings nur die Fraktion von BVB/Freie Wähler folgen. Die Koalition aus SPD, CDU und Grünen begründete ihre Ablehnung mit unterschiedlichen Argumenten, ohne dabei einen schnellen Ausweg zu zeigen.

Die SPD-Bildungspolitikern Elske Hildebrandt verwies darauf, dass es bereits jetzt zahlreiche Maßnahmen zur finanziellen Entlastung gebe, zum Beispiel der Wegfall von Kitabeiträgen für Familien mit einem Haushaltsnettoeinkommen bis 35.000 Euro. "Es ist eine ganz unmittelbar erfahrbare Entlastung, gerade für Familien mit geringerem Einkommen", sagte Hildebrandt. Bei den Hilfsprogrammen gebe es ein "Umsetzungsproblem", gestand sie ein. Sie warnte davor, dass die Kosten für eine Gratisverpflegung sich als Zuschuss für überteuerte Caterer herausstellten und die Preise womöglich weiter in die Höhe trieben.

Kristy Augustin, bildungspolitische Sprecherin der CDU, verwies auf die geplante Kindergrundsicherung, die parteiübergreifend auf Bundesebene erarbeitet wird und Familien mehr Geld zur Verfügung stellen soll - was sich allerdings noch zieht. "Angesichts hungernder Kinder geht warten natürlich nicht. Aber diesem Aufschlag nicht vorzugreifen, finde ich wichtig", sagte Augustin.

Bildungsministerin verweist auf Zuständigkeit der Schulträger

Auch Grünen-Bildungspolitikerin Karla Kniestedt argumentierte mit einem "Ja, aber". "Sicher wäre das im Prinzip gut", sagte sie zu kostenlosem Schulessen. Allerdings müsse dies auch gesund, fair und regional sein. Außerdem finde sie den Gedanken merkwürdig, die Hürden bei der Beantragung von Hilfen mit Steuergeldern aus dem Weg zu räumen: "Dass wir diese Malaisen, die amtlich existieren, kompensieren sollen durch Geld, was jetzt ins System reingeht, das ist nicht die Lösung. Wir müssen dafür sorgen, dass alle diesen Anspruch auch bekommen", sagte Kniestedt.

Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) verwies darauf, dass ihr Haus für die Lösung des Problems nicht zuständig sei: "Beim Schulessen haben wir eine Zuständigkeit des Schulträgers", sagte sie - also meist die Kommunen. "Wir können da gar nicht einfach eingreifen."

Der Antrag der Linken wurde am Ende mit den Stimmen der Koalition abgelehnt. Auch die AfD votierte dagegen. Schnelle Unterstützung vom Land ist für die betroffenen Familien also erst einmal nicht in Sicht.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 24.03.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Michael Schon

97 Kommentare

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  1. 97.

    Da inzwischen Urban Farming angesagt ist, ist zu hoffen, dass es vielleicht auch bals wieder Schulgärten in den Städten gibt. Aber dafür muss Platz geschaffen und Geld bereitgestellt werden. Eine Gesellschaft, die gesunde Menschen fordert, die nicht das Gesundheitswesen belasten, und nachhaltige Lebensmittelproduktion, die nicht das Klima belastet, muss eben auch in diese Ziele investieren. Eine kostenlose Schulspeisung gehört meiner Ansicht nach dazu. In Großbritannien waren übrigens entsprechende Versuche recht erfolgreich und das gesunde Schulessen wirkte sich auch auf die Gesundheit der Schüler aus.

  2. 96.

    Sie vergessen, dass Kinder von Beziehern von Bürgergeld ebenfalls zu den Anspruchsberechtigten Familienmitgliedern zählen.

  3. 95.

    Sie scheinen keine eigenen Kinder zu haben? Das Kindergeld ist u.a. für Kleidung, Nahrung, Teilhabe an Freizeitgestaltung, ÖPNV etc.

  4. 94.

    Der Anteil des Lohns an der einzelnen Mahlzeit ist sehr gering. Die größten Kosten sind frische Zutaten (wenn sie den verwendet werden), die Energiekosten und dann die Transportkosten!

  5. 93.

    Für Essen kein Geld, aber für Chips etc immer, welches sich die Schüler in den Freistunden im Supermarkt kaufen.
    Irgendwie widersprüchlich.
    Bevor jemand sich wieder aufregt wegen eines Beweises.
    Ich bin Lehrerin und bei uns kostet ein Mittagessen rund 3 Euro. Es kann zwischen zwei Essen gewählt werden.
    Also wenn sich über die Qualität beschwert wird, dann Anbieter wechseln. Funktioniert doch.

  6. 92.

    Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Man findet gute Zutaten auch für kleines Geld. Nur eines muss können, die Qualität der Zutaten einschätzen können.

  7. 91.

    6,00 Euro für ein Mittagessen?
    Bei uns an der Schule kostet es ca 3,00 Euro.
    Vielleicht mal den Anbieter wechseln?!
    Im Übrigen bin ich der Meinung, dass für Kinder immer ein Mittagessen enthalten sein sollte, egal was ich verdiene.
    Es kann doch nicht alles vom Staat bezahlt werden.

  8. 90.

    Wir wollen, dass unsere Kinder sich in der Schule auf das Lernen konzentrieren. Wie soll das gehen, wenn wir Kinder deren Familien es nicht hinbekommen das Essen zu bezahlen, ausgrenzen? Wenn man mit den anderen am Tisch sitzt und nicht mitessen kann ist das Ausgrenzung!!! Was das mit Kindern macht kann sich jeder vorstellen.

  9. 89.

    "Aber viele Schulen verfügen weder über einen Schulgarten" Ja, leider nicht mehr. Zur DDR-Zeit hatten viele Schulen einen Schulgarten und es gab sogar Schulgartenunterricht in den unteren Klassen. Einen Garten hatten auch viele, wegen der manchmal schwierigen Versorgung mit frischem Obst und Gemüse. Ansonsten ist das Problem wahrscheinlich vorrangig bei Stadtkindern anzutreffen und weniger bei den "Landeiern" von den Dörfern, welche Landwirtschaft und Tierzucht täglich erleben, auch ohne eigenen Hof.

  10. 88.

    "Schulkinder sind in der Regel nicht für den Anbau für Kartoffeln zuständig." Also früher gab es durchaus regelmäßige Einsätze von Schülern in der Landwirtschaft in begrenzterem Umfang auf dem Land bei eigener Wirtschaft immer noch, und der Ferientermine in BW und BY werden noch heute mit Einsätzen in der Landwirtschaft begründet.

  11. 87.

    Schulkinder sind in der Regel nicht für den Anbau für Kartoffeln zuständig. Aber ich bin schon lange dafür, in der Schule ein Fach Ernährungskunde einzuführen, in dem die Kinder u.a. den gesunden und verantwortungsbewussten Umgang mit Lebensmitteln lernen. Wenn eine Schule über einen Schulgarten verfügt, können die Kinder auch etwas über den Anbau von Lebensmitteln lernen und diese könnten dann ja auch für die Schulspeisung verwendet werden. Aber viele Schulen verfügen weder über einen Schulgarten noch über die Möglichkeit, Essen in der Schule zuzubereiten. Es bedarf hierfür eben langfristiger und meiner Ansicht nach bundesweiter Planung. Dafür reicht es eben nicht, wenn unser Ernährungsminister einen veganen Tag pro Woche vorschlägt. Natürlich wird das nicht einfach, denn viele Menschen lehnen es ab, sich die Ernährung ihrer Kinder vorschreiben zu lassen. Andererseits geht es hier nur um eine einzige Mahlzeit pro Tag und dafür um ein gesamtgesellschaftliches Anliegen.

  12. 86.

    Würde ein Kind Kartoffeln wegschmeißen wenn es diese geschält hat?
    Vom Anbau will ich gar nicht erst reden.
    Kostenlos suggeriert genau das Falsche.

  13. 85.

    „Es recht zu machen jedermann, ist eine Kunst, die niemand kann.“ Es wird immer Kinder geben, denen dieses oder jenes Gericht nicht schmeckt. Und wer dem Essen gar nichts abgewinnen kann, muss ja auch nicht daran teilnehmen und kann sich mittags weiterhin seine Rosinenschnecke beim Bäcker holen. Aber wenn schon ein kostenloses Essen angeboten wird, dann muss es eben auch altersgerecht, gesund und nachhaltig sein. Nur so bekommt die Gesellschaft, die dafür aufkommt, auch wieder etwas zurück, nämlich gesunde Menschen, die nicht durch Zivilisationskrankheiten das System belasten. Aber vielleicht denke ich da schon zu groß und zu weit.

  14. 84.

    Das Essen muss einen Wert (!) haben, damit man es achtet und nicht wegschmeißt, wenn es nicht schmeckt. Sollte die Qualität nicht stimmen, für die bezahlte Leistung, bleibt die Abstimmung mit den Füßen: Man boykottiert. Dann aber alle.

  15. 83.

    Bitte machen Sie uns nicht finanziell haftbar für Ihre ganz persönliche Partnerwahl. Sie wollen doch auch nicht, dass wir Kindergeldzahlenden Ihnen vorschreiben, welche Turnschuhe die Kinder tragen dürfen. Und Sie dürfen für gleiche Bezahlung fast alle Jobs machen. Wenn nicht, sagen Sie hier bescheid. Es wäre verboten.

  16. 82.

    Warum kein kostenfreies Schulessen? Das gibt es doch auch z.B. in Finnland, Schweden, Indien oder Brasilien. Dann aber bitte nach konkreten Vorgaben altersgerecht, gesund und nachhaltig. Schmecken sollte es natürlich auch. Aber ist das nicht auch das Arbeitsgebiet von Cem Özdemir? Was hat der bisher für das Schulessen getan? Ich finde, dass man hierfür deutschlandweite Regelungen haben sollte.

  17. 81.

    Kinder wollen keine Alleinerziehenden...
    Tipp: Sie wählen gut aus. Einen Partner, der auch nach einer Trennung sich sorgt. Gibt es. Ich bin so Einer. Unter ganz Vielen.

  18. 80.

    Wenn Alleinerziehende in arbeiten gehen, bedeutet das nicht automatisch, dass das Einkommen zum Leben inkl. Miete für den Lebensunterhalt der Familie ausreicht. Besonders da Frauen durchschnittlich viel weniger verdienen als Männer.
    Die Preise steigen stetig, anders als das Einkommen
    Haben Sie Kinder? Sehr schön, dass Sie als Vater nie Ihre Frau mit den minderjährigen Kindern verlassen werden und auch keinen Anlass zur Trennung geben.

  19. 79.

    Kindergeld ist nur ein Zuschuss

    Vielleicht sollte man sich vorher überlegen ob man sich Kinder wirklich leisten kann

  20. 78.

    Das Kindergeld wird auf das Bürgergeld 348€/Kind angerechnet. Das bedeutet, vom Gesamtbetrag abgezogen.
    Da bleibt pro Kind 348€/Mo.(6-13 Jahre)

    Kinder wachsen und brauchen neue Schuhe und Kleider.
    Manchmal Ausflug mit Familie, Limo, Eintritt.
    Evt. Sport Verein.
    Bastel/Malzeug, Bücher, Spielzeug
    Schulranzen.
    Geburtstag, Ostern, Weihnachten
    1 Kugel Eis kostet 1 € oder mehr.

    An den Kindern spart der Staat
    Es gibt zu wenig Unterstützung.
    Die armen Kinder

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