Wahlmarathon 2024 - Die Brandenburger steuern mit Volldampf auf ein Superwahljahr zu
Viel Zeit zum Durchatmen gibt es nicht. Die Parteien bereiten sich auf die Wahltermine des Jahres vor. Es geht nicht nur um den Landtag, sondern auch um Kommunalpolitik und Europa. Es kann also spannend werden. Von Thomas Bittner
- Über 400 Kommunalparlamente werden am 9. Juni gewählt
- Brandenburg wählt drei Wochen nach Sachsen und Thüringen neuen Landtag
- Wagenknecht-Partei müsste bis 17. Juni Wahlbeteiligung anzeigen
Brandenburgs Politiklandschaft könnte am Ende des Jahres deutlich anders aussehen als zu Beginn. Eine neue Regierung? Ein anderer Regierungschef? Neue Parteien im Parlament und auf den Straßen? Für das Land wird 2024 ein Superwahljahr. Die Wahlurnen werden in diesem Jahr keinen Staub ansetzen.
Erster Höhepunkt: 9 Juni
Schon im März gibt es erste Bürgermeisterwahlen, etwa in Lübbenau, Wittenberge oder Stahnsdorf. Im Mai entscheiden die Bürgerinnen und Bürger des Havellands über ihren zukünftigen Landrat. Eine mögliche Landrats-Stichwahl wurde für den 9. Juni festgelegt. Genau dieser Juni-Sonntag wird der erste Höhepunkt im Wahlkalender. Über 27.000 Helferinnen und Helfer werden in den Wahllokalen gebraucht. Denn neben der Europawahl stehen an diesem Tag die Kommunalwahlen im Kalender. Die 14 Kreistage und die Stadtverordnetenversammlungen der vier kreisfreien Städte werden gewählt. Dazu kommen die Kommunalparlamente von 409 Städten und Gemeinden sowie Hunderte ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Ortsvorsteher und Ortsbeiräte.
Nach den Sommerferien konzentriert sich alles auf die Parlamente in drei ostdeutschen Ländern. Am 1. September wählen Sachsen und Thüringen. Drei Wochen später ist Landtagswahl in Brandenburg. Diese drei Wochen unmittelbar nach Brandenburgs Sommerferien dürften die heißesten Wahlkampfwochen werden.
Programme und Kandidatenlisten bis zum Sommer
Vor der Sommerpause werden Programme und Kandidatenlisten beschlossen. Die SPD lässt sich dabei Zeit, sie wird erst im April über Personal und Wahlprogramm entscheiden. Doch die Vorbereitungen laufen längst. Das Programm heißt: Woidke. Der Ministerpräsident war erst im November mit über 90 Prozent zum Landesvorsitzenden wiedergewählt worden. Dietmar Woidke wird als erfahrener Regierungschef von den Sozialdemokraten ins Rennen geschickt. Der denkbar schlechte Auftritt der Ampelregierung im Bund und das Umfragehoch der AfD verdüstern allerdings die Aussichten. Es ist zu erwarten, dass sich Woidke im Verlauf des Jahres als Stimme des Ostens weiter gegen die von der eigenen Partei geführte Bundesregierung positioniert.
Die CDU hofft darauf, vom Unmut der Brandenburger gegenüber der Bundespolitik zu profitieren. Die Christdemokraten haben über ihre Kandidaten und Landesliste bereits entschieden, um Raum für inhaltliche Auseinandersetzungen zu haben. Fraktions- und Landeschef Jan Redmann will der erste CDU-Ministerpräsident Brandenburgs werden. Auf den ersten elf Plätzen der Landesliste stehen Namen von Politikerinnen und Politikern, die heute schon in Fraktion und Regierung sitzen. Danach folgen unter anderem die Pflegeexpertin Ellen Fährmann, der Landwirt Jens Schreinicke und Brandenburgs Elternsprecherin Ulrike Mauersberger. Mehr Bodenhaftung und mehr Pragmatismus verspricht die Union.
Der kleinste Kenia-Koalitionspartner hat es besonders schwer, sich zu behaupten. Die Bündnisgrünen wollen bis Anfang März Klarheit über Programm und Kandidaten haben. Es gilt als sicher, dass Verbraucherschutz-Staatssekretärin Antje Töpfer und Ko-Fraktionschef Benjamin Raschke die Partei Bündnis90/Grüne im Wahlkampf führen werden. Für Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher und Umweltminister Axel Vogel ist 2024 das Jahres ihres Abschieds von der aktiven Politik, sie wollen nicht wieder antreten. Ein Generationswechsel steht bevor.
AfD und Linke: Opposition mit unterschiedlichen Perspektiven
Die Oppositionsparteien stehen am Anfang des Superwahljahres unterschiedlich da. Die AfD kann mit einem Plus an Stimmen bei der Wahl rechnen, umso begehrter sind die sicheren Plätze auf der Bewerberliste. Die Rechtsaußen-Partei wird an zwei Februar-Wochenenden in Jüterbog auf Mitgliederparteitagen über ihre Landtagskandidaten entscheiden. Bisher war offen, ob die Landesvorsitzende Birgit Bessin oder Fraktionschef Hans-Christoph Berndt die Liste anführen werden. Hinter den Kulissen tobte zwischen den zwei Lagern ein Machtkampf um Parteitagsstimmen und Einfluss. Da die AfD mit deutlich mehr Direktmandaten rechnet, sind aber auch die Kandidatenplätze in den 44 Wahlkreisen von Bedeutung.
Die Linkspartei wählt Ende Januar in Templin ihre Liste. Sebastian Walter, Landesvorsitzender und Fraktionschef, will Spitzenkandidat werden. Auch um Platz zwei und drei scheint es keinen Streit zu geben. Der Vorstand hatte die Landtagsabgeordneten Kathrin Dannenberg und Isabelle Vandre vorgeschlagen. Doch konfliktfrei wird die Nominierung nicht ablaufen. Die langjährigen Landtagsabgeordneten Andrea Johlige und Ronny Kretschmer müssen in Kampfkandidaturen ihre vorderen Listenplätze verteidigen. Inhaltlich hat der Dauerstreit um die Person Sahra Wagenknecht und die Schwäche der Bundespartei den Linken bisher wenig Auftrieb in Brandenburg verschafft.
Hürden für Wagenknecht-Partei
Die große Unbekannte im Brandenburger Parteienspektrum ist das Wagenknecht-Bündnis. Zwar hat Sahra Wagenknecht das Ziel, mit ihrer eigenen Partei bei der Europawahl am 9. Juni anzutreten. Und sie hat wohl auch vor, bei den drei Landtagswahlen im Osten im September mitzumischen. Doch für eine Teilnahme an der Brandenburger Landtagswahl müsste sie einige Hürden nehmen. Die Partei bräuchte einen eigenen Landesverband, sie müsste 2.000 Unterstützerunterschriften einreichen. Für jeden Kreiswahlvorschlag sind jeweils noch einmal 100 Unterschriften vorzulegen. Bis zum 17. Juni, knapp eine Woche nach der Europawahl, müsste die Partei ihre Beteiligung an der Landtagswahl beim Landeswahlleiter ankündigen. Bis zum 5. August sollten dann die Kandidatenlisten vorgelegt werden. Die Kandidierenden müssen alle einen Wohnsitz in Brandenburg haben und auf einem speziellen Landesparteitag gewählt werden. Noch zeichnet sich nicht ab, wer das in Brandenburg sein könnte.
Schwierige Ausgangslage für Freie Wähler und FDP
Für Brandenburgs Vereinigte Bürgerbewegungen, die sich zusätzlich Freie Wähler nennen, dürfte es ein schwieriges Jahr werden. Péter Vida, Landesvorsitzender und bisher Fraktionschef im Landtag, steht an der Spitze der Landesliste zur Wahl. Nach dem Wechsel des Abgeordneten Philip Zeschmann zur AfD-Fraktion verloren die vier verbliebenen Landtagsabgeordneten den Fraktionsstatus und können nun bis zur Wahl nur als parlamentarische Gruppe weiter agieren. Den kleiner werdenden Spielraum im Landtag gleichen BVB/Freie Wähler mit außerparlamentarischen Initiativen aus. Gerade läuft eine Volksinitiative zur Rettung von Krankenhäusern und Praxen. Bis Ende Januar werden Unterschriften für einen Krankenhaus-Rettungsfonds, Landärzte-Stipendien oder Unterstützungen für Arztpraxen gesammelt. In Umfragen liegen BVB/FW zwischen drei und sechs Prozent.
Ähnlich steht die die FDP da. Beim letzten Mal war sie mit 4,1 Prozent am Einzug in den Landtag gescheitert, jetzt will sie wieder antreten, diesmal mit ihrem Landesvorsitzenden Zyon Braun.
Noch unklar ist es, wie viele Parteien sich insgesamt zur Wahl stellen. Drei Kleinparteien haben sich bereits zu einem Bündnis “Plus Brandenburg” zusammengeschlossen. Piraten, ÖDP und VOLT hoffen, dadurch wahrnehmbarer im Wahlkampf zu sein. Bei der letzten Landtagswahl war VOLT nicht angetreten, Piraten und ÖDP hatten zusammengerechnet nur 1,3 Prozent der Stimmen gewonnen.
Politik bis zur Sommerpause: Klimaplan, Mobilitätsgesetz ...
Doch bis zum Wahltag vergehen noch fast neun Monate. Wird es in dieser Zeit auch politische Entscheidungen geben? Bis zur Sommerpause wird der Landtag noch fünf Plenarsitzungswochen haben, erst am 21. Juni steht die allerletzte reguläre Parlamentssitzung der Wahlperiode im Kalender. Manches aus dem Koalitionsvertrag der rot-schwarz-grünen Koalition ist noch nicht umgesetzt. Ein Klimaplan steht aus, gerade hat Dietmar Woidke wegen angeblich unklarer Finanzierung die Verabschiedung nach hinten verschoben. Das Agrarstrukturgesetz für eine gerechtere Verteilung von Ackerflächen liegt auf Eis. Ob das Jagdgesetz kommt, ist offen, weil man sich über die Bejagung des Wolfes streitet. Immerhin: auf einen Verfassungstreuecheck für die Landesbediensteten hat sich die Koalition geeinigt, er ist gerade im parlamentarischen Verfahren. Und auch das Mobilitätsgesetz für mehr Busse, Bahnen und einen verbesserten Radverkehr soll noch vor der Wahl im Frühjahr kommen, wenn auch abgespeckt.
... und ein neuer Haushalt
Die wichtigste Entscheidung des Landtags steht gleich am Anfang des Jahres. Ein neuer Haushalt für das Jahr 2024 muss aufgestellt werden. Das ist die Konsequenz aus den Korrekturen am Zwei-Milliarden-Euro-Brandenburg-Paket.
Und so wie das Jahr beginnt, wird es wohl auch enden. Die erste Aufgabe einer neuen Koalition dürfte es Ende 2024 sein, nach der Verabschiedung eines Koalitionsvertrags die Finanzen für das Jahr 2025 zu regeln.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 02.01.2024, 19:30 Uhr