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Audio: rbb24 Inforadio | 02.10.2022 | Heiko Oldörp | Quelle: ASSOCIATED PRESS | Michael Dwyer

Eishockey-Profi Kai Wissmann in der NHL

Der deutsche Braunbär mit dem berühmten Vorgänger

Zehn Jahre lang war Kai Wissmann in Berlin ein Eisbär. Nun hat der Verteidiger den Schritt nach Nordamerika gewagt und will in Boston ein Braunbär werden. Bei den Bruins kämpft der 25-Jährige um einen Platz im NHL-Kader. Von Heiko Oldörp

Im Trainingscamp der Boston Bruins ist Kai Wissmann einer von vielen. Einer, der täglich auf dem Eis alles gibt und der hofft, durch seine Leistungen die Trainer zu überzeugen. So ist das immer um diese Jahreszeit bei den 32 Vereinen von Nordamerikas Profiliga NHL. Talentierte Nachwuchsspieler oder auch etwas ältere Akteure wie der 25-jährige Wissmann bekommen in der Saisonvorbereitung ihre Chance. In den nächsten Tagen wird dann entschieden, wer bleiben darf, wer ins Farmteam geschickt wird und wer gar nicht mehr wiederkommen braucht.

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NHL in Boston oder AHL in Providence?

Wissmann, so viel steht bereits fest, darf bleiben. Der Verteidiger hat einen Ein-Jahres-Vertrag unterschrieben. Allerdings gilt dieser Kontrakt sowohl für die Boston Bruins in der NHL, als auch die Providence-Bruins aus der zweitklassigen American Hockey League, AHL. Ob nun NHL oder AHL - daran denke er gar nicht, meint Wissmann zum Gespräch mit rbb|24. Er schaue vielmehr von "Tag zu Tag und Training zu Training." Und sollte es nicht gleich mit einem Platz im Oberhaus klappen, dann werde "ich nicht verzweifeln, sondern weiter hart arbeiten und auf meine Chance hoffen."

In Berlin war Wissmann Stammspieler, gehörte in der vergangenen Meistersaison zu den Verteidigern mit der meisten Eiszeit. In Boston garantiert ihm all das gar nichts. Dennoch hat Wissmann eine Chance. Denn mit Charlie McAvoy und Matt Grzelcyk werden zu Saisonbeginn zwei gesetzte Verteidiger fehlen. Beide befinden sich nach Operationen noch in der Reha. Somit werden Akteure aus der eigentlichen zweiten Reihe zum ersten Defensivpaar - und Verteidiger der dritten Reihe rücken in zweite Linie vor.

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Gleiche Heimatstadt wie Dennis Seidenberg

Und eben deshalb werden im Trainingscamp zwei Spieler für die dritte Reihe gesucht. "Es gibt sehr viele, die diese Plätze haben wollen, dementsprechend hoch ist die Intensität", sagt Wissmann. Für ihn ist "sehr vieles neu", aber natürlich mache ihm das alles auch "sehr viel Spaß." Und insgesamt "freue ich mich einfach, dass ich hier sein kann", betont Wissmann.

Was kaum einer seiner Mitspieler weiß: der Neue aus "Germany" hat eine gemeinsame Vergangenheit mit Demjenigen, der als bislang letzter Deutscher bei den Bruins unter Vertrag stand. Der ein ganz wichtiges Puzzleteil war, als Boston 2011 nach 39 Jahren wieder Meister wurde. Und der in seinen sechs Jahren im Verein mit seiner harten und kompromisslosen Spielweise die Bruins-DNA perfekt verkörperte: Dennis Seidenberg. Wie er kommt auch Wissmann aus Villingen-Schwenningen. Und wie Seidenberg hat auch er beim dortigen SERC einst mit dem Eishockey begonnen.

Beide kennen sich nicht persönlich, aber dass sie aus der selben deutschen Kleinstadt im Schwarzwald stammen, sei schon "ne coole Story", so Wissmann. Seidenberg findet es, wie er gegenüber rbb|24 betont, "schön, dass noch mal ein Deutscher und auch noch ein aus Villingen-Schwenningen kommender Spieler wieder bei den Bruins spielt."

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Gemeinsame Vorbereitung mit MacKinnon und Crosby

Als er am 15. Juni 2011 Boston durch einen 4:0-Sieg im siebten und entscheidenden Spiel der Stanley Cup-Finalserie bei den Vancouver Canucks Meister wurde, saß der damals 14-jährige Wissmann in Villingen-Schwenningen nachts vor dem Fernseher. Denn es war das erste deutsche Finalduell der Stanley Cup-Geschichte. Dennis Seidenberg gegen Christian Ehrhoff. "Ich kann mich noch gut daran erinnern, da war ich ein Kind - und jetzt bin ich hier", sagt Wissmann und lächelt.

Seidenberg, der 451 Spiele im Bruins-Trikot bestritt, empfiehlt seinem Landsmann, sich "auf seine Stärken zu fokussieren, in seinem Bereich zu bleiben und nicht versuchen, zu viel zu machen." Konstanz, so Seidenberg sei "das A und O." Im lokalen TV-Sender "NESN", der die Bruins-Spiele überträgt, lobten die Kommentatoren, dass sich "Wissmann im Training ziemlich schnell an das Tempo auf der kleineren Eisfläche gewöhnt" habe.

Das führt der Berliner auf sein Vorbereitungscamp zurück. In den fünf Wochen, bevor er zu den Bruins kam, war Wissmann in Halifax. James Sheppard, mit dem er von 2017 bis 2020 bei den Eisbären zusammenspielte, wohnt seit seinem Karriere-Ende in der Stadt an der kanadischen Atlantikküste und hatte seinen ehemaligen Teamkollegen bei einer dortigen Trainingsgruppe ins Gespräch gebracht.

Kai Wissmann wurde 2022 mit den Eisbären Berlin Deutscher Meister. | Quelle: imago images/Passion2Press

Tag der Entscheidung rückt näher

Eine Gruppe mit NHL-Superstars. Unter anderem standen Nathan MacKinnon von Meister Colorado Avalanche und Sydney Crosby auf dem Eis. "James meinte, wenn sie noch einen Verteidiger bräuchten, hätte er jemanden, der kommen und auch das Niveau mitgehen könnte. Denn die wollen natürlich keinen, der ihnen die Übungen kaputt macht", sagt Wissmann.

Auch sein Berater hatte ihm empfohlen, sich durch extra Schichten in Halifax an das kleinere NHL-Eis zu gewöhnen. Denn bislang hatte Wissmann nur bei der Junioren-Weltmeisterschaft 2015 in Kanada Erfahrungen auf Nordamerikanischem Eis gemacht. Und so gab es neben der Praxis auch jede Menge Theorie. "Ich habe mit einem Trainer zusammengearbeitet, der speziell für Verteidiger da war und mir, vor allem per Video, die Unterschiede von europäischem zu nordamerikanischen Eishockey erklärt hat", sagt Wissmann. Insgesamt, resümiert er, habe ihm die Zeit in Halifax "auf jeden Fall geholfen."

Ob es sich auch bezahlt macht, wird er in den kommenden Tagen erfahren. Dann gibt Bruins-Trainer Jim Montgomery seinen vorläufigen NHL-Kader bekannt. Eine Tendenz lässt sich, wohin es für Wissmann geht, vielleicht daraus ablesen, dass er beim 4:0-Heimsieg am Sonnabend gegen die Philadelphia Flyers gespielt hat, als das Gros des Stammteams auch auf dem Eis war. Für die Testpartie am Sonntag bei den New Jersey Devils hingegen wurde er nicht nominiert. Doch dort spielten vor allem Nachwuchsakteure.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.10.2022, 9:15 Uhr

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