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Video: rbb24 | 01.11.2022 | Torsten Michels | Quelle: imago images/RHR-Foto

Interview | Hertha-Präsident Kay Bernstein

"Wir können mit der Strahlkraft und unserer Verantwortung gute Dinge tun"

Seit gut vier Monaten ist Kay Bernstein Präsident von Hertha BSC. Ein frischer Wind ist bei den Berlinern bereits spürbar. Wie er die ersten Wochen erlebt hat, was Hertha für Berlin bedeutet und wo er mit dem Klub hin will, erzählt Bernstein im Interview. Das rbb Fernsehen sendet am Dienstag um 20:15 Uhr den Film "Unser Verein: 'Ha, Ho, He! Hertha BSC!'"

rbb|24: Herr Bernstein, wie ist es so als Präsident von Hertha BSC?

Kay Bernstein: Neu und ungewohnt. Werner Gegenbauer hat mir kein Handbuch übergeben. Von daher geht es ein bisschen um Menschenverstand. Es ist aufregend und ein neues Fahrwasser. Ich habe viele neue Menschen kennengelernt. Es macht Spaß und ist herausfordernd.

Unser Verein: "Ha, Ho, He! Hertha BSC!"

Mehr als 130 Jahre gehört Hertha BSC schon zu Berlin - doch einige der schwersten Jahre hat die „Alte Dame“ gerade hinter sich. Nach Abgängen, Skandalen und Niederlagen, geht es nun weiter – in der Zweiten Liga. Die Dokumentation „Ha, Ho, He! Hertha BSC!“ erzählt die Geschichte des Vereins und derjenigen, die sich ihm verschrieben haben: Auf der Tribüne, in der Fankneipe oder auf dem Platz.

Warum wollten Sie denn Präsident werden?

Ich würde nicht sagen, dass ich Präsident werden wollte. Ich würde sagen, dass ich meinem Verein helfen wollte. Die Position des Präsidenten war dann vakant oder wurde vakant und es hat sich eine Möglichkeit aufgetan, dem Verein bestmöglich zu helfen. Dem sind die Mitglieder gefolgt, indem sie mich gewählt haben.

Warum wollten Sie dem Verein helfen?

Naja, weil der Verein nicht alles richtig gemacht hat, weil in dem Verein nicht alle Positionen richtig besetzt wurden, weil der Verein nicht richtig geführt wurde. Wenn man das jetzt sagt, klingt das rückwärts gedacht als Vorwurf. Es ist aber gar nicht so zu verstehen, sondern ich würde schon sagen, dass alle handelnden Personen nach bestem Wissen und Gewissen agiert haben, aber den Blick aufs große Ganze, auf das aktuelle Zeitgeschehen, auf die aktuelle Organisationsstruktur etwas verloren haben. Da wurde durchaus Optimierungsbedarf offengelassen.

Die Entscheidungen, die die Mitglieder getroffen haben - im Sinne von: Wir brauchen einen inhaltlichen Neustart, wir brauchen eine Ausrichtung, wir brauchen eine Kursänderung im Umgang mit unserem Verein – hat dazu geführt, dass wir jetzt als ältester Verein den jüngsten Präsidenten der Liga haben (schmunzelt).

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Wenn Sie sich etwas wünschen dürften: Wo würde die Hertha in zehn Jahren stehen?

Wirtschaftlich stabilisiert. In der Stadt noch mehr Verantwortung zu übernehmen und bei den Mitgliederzahlen deutlich vor Köpenick zu liegen. Wir wollen aber auch ruhig, sachlich und demütig agieren. Das würde ich mir wünschen, dass wir unsere Aufgaben annehmen, dass wir sie gewissenhaft umsetzen und dann Schritt für Schritt besser werden. Und ob wir dann in zehn Jahren europäisch oder in der ersten oder in der zweiten Liga spielen, das wird von unserem Machen abhängig sein. Wir müssen erstmal das Fundament hinbekommen.

Demut und Hertha sind ein Wortpaar, das man zuletzt nicht so oft gehört hat.

In den letzten Jahren hat man es nicht so oft gehört. Es gehört für mich aber dazu - im Handeln, im Wirken, im Auftreten, im Umgang mit den Menschen, mit der Stadt, mit den täglichen Herausforderungen. Wir müssen uns der Verantwortung mehr bewusst sein und wir müssen es mehr vorleben. Wir müssen demütig agieren. Indem wir die Dinge nachweislich besser machen.

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Was meinen Sie mit "Verantwortung für die Stadt"?

Wir sind nicht ganz der älteste Verein der Stadt, da gibt es den einen oder anderen, der deutlich älter ist. Wir können aber mit der Strahlkraft und mit unserer Verantwortung durchaus auch gute Dinge tun. Wenn ich von Verantwortung für die Stadt spreche, meine ich schon auch, dass wir das Zugpferd für den Breitensport sind. Der Breitensport gerät in der Gesellschaft immer mehr nach hinten, obwohl er der Kitt in unserer Gesellschaft ist und wir über den Fußball, über das Miteinander gewisse Themen wie Krieg, Klimawandel, gesellschaftliche Zerstrittenheit kompensieren können. Da sehe ich uns in der Verantwortung voranzugehen und die Gesellschaft in der Stadt auch wieder ein bisschen mehr zusammenzuführen, mit einer demütigen vernünftigen Art und Weise der Kommunikation und dem Erreichen unserer Ziele.

Wie kann das konkret gelingen?

Es gibt zum Beispiel eine Hertha-BSC-Stiftung, die von den Eintrittsgeldern partizipiert und die sich auf die Fahne geschrieben hat, Gutes zu tun. Wir müssen gucken, wo können wir bestmöglich Gutes tun? Wo können wir die Basis des Breitensports und des Fußballs stärken, wie können wir sie unterstützen, wie können wir für die Trainer, die teilweise ihre Ausbildungsteile bei uns im Olympiapark vollziehen, ein besseres Bindeglied sein?

Wieviel Berlin steckt in Hertha BSC?

Ich würde sagen ganz viel. Aber natürlich hat sich Berlin durch die Historie mit der geteilten Stadt, mit den Kriegsjahren auch immer ein bisschen neu erfunden. Manche sagen, entweder liebst du die Stadt oder sie frisst dich auf - mit all der Hektik, mit dem Wachstum und der stetigen Veränderung. Das gehört auch zu Hertha BSC dazu und wir sind ein Berliner Verein.

Wir haben durch die neue Situation, dass erstmalig ein Präsident aus dem Ostteil der Stadt kommt, vielleicht auch ein bisschen die Brücke ins gesamte Berlin geschlagen - das ist eine Chance. Ich bin nicht nur ein Kind der Kurve, sondern komme auch aus dem anderen Teil der Stadt. Ich bin ein Kind der Wende. Vielleicht wird das auch ein bisschen dazu führen, dass wir weg von diesem Ost-West-Prinzip kommen, hin zu einem Verein für ganz Berlin.

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Wenn man sich die Mitgliederverteilung anschaut, sieht man allerdings nach wie vor deutlich, dass die Union-Fans aus dem Osten und die Hertha-Fans aus dem Westen der Stadt kommen. Woran könnte das liegen?

Das liegt zum einen Teil daran, dass die Freunde aus Köpenick in den letzten Jahren relativ viel richtig gemacht haben. Das liegt aber auch daran, dass wir in den letzten Jahren alles bis zum Wald vergessen haben. Also das, was im Ostteil der Stadt los ist. Wir hatten vor zehn Jahren gelebte Partnerstädte von Bernau bis Strausberg und das merken wir heute noch. Wenn wir jetzt nach Strausberg gucken, ist das Verhältnis wiederum pari pari zwischen Köpenick und Hertha BSC.

Wenn Sie drei Schlagworte nennen müssten, um Hertha BSC zu beschreiben, welche wären das?

Tradition. Der älteste Verein der Bundesliga. Die beste Kurve der Stadt. (schmunzelt)

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Peter Scholl. Es ist ein Ausschnitt aus einem Interview, das für den Film "Unser Verein: 'Ha, Ho, He! Hertha BSC!'" geführt wurde.

Sendung: Unser Verein: "Ha, Ho, He! Hertha BSC!", 01.11.22, 20:15 Uhr

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