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Quelle: rbb

Interview | Landrat Oder-Spree Rolf Lindemann

"Der Tesla-Zeitplan ist nicht unrealistisch"

Im Landkreis Oder-Spree gibt es zu wenig Ärzte. Gleichzeitig plant Tesla eine Gigafabrik mit tausenden Arbeitsplätzen. Im Interview spricht Landrat Rolf Lindemann über die Herausforderungen für 2020.

rbb: Herr Lindemann, wie sehen Sie die ärztliche Versorgung in Ihrem Landkreis? Es fehlen ja Hausärzte und Hebammen.

Rolf Lindemann: Die Situation spitzt sich zu. Das haben wir auf dem Schirm. Wir haben ja nicht umsonst extra ein Dezernat ausgeprägt, was sich mit der Zukunft des ländlichen Raums beschäftigt. Das heißt, wir werden die ärztliche Versorgung und die Versorgung im Pflegebereich dort mit entsprechender Aufmerksamkeit versehen und wir haben auch schon ganz konkrete Maßnahmen ergriffen, um Ärztenachwuchs zu gewinnen.n Wir reichen ein Stipendium aus zusätzlich zum Landestipendium und versuchen konkrete Ansätze zu finden, um junge Ärzte und Medizinstudenten an unsere Region zu binden.

Im November ist bekannt geworden, dass Tesla sich in Grünheide ansiedeln will. Was hat sich in dieser Zeit für den Landkreis verändert?

Auf den Landkreis wird sicherlich einiges an administrativer Herausforderung zukommen. Das Ereignis an sich ist erst einmal fast ein Weihnachtsgeschenk und so betrachten wir das auch. Aber wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Wir sind in die Task-Force einbezogen und werden uns täglich mit neuen Fragen und Herausforderungen beschäftigen müssen. Das hängt im Moment davon ab, welche Planungen uns Tesla auf den Tisch legt. Das Genehmigungsverfahren wird ja federführend vom Landesumweltamt geführt. Wir sind aber mit unseren unteren Behörden dort einbezogen und müssen uns auch personell so aufstellen, dass wir zügigst liefern können.

Wie oft haben Sie Kontakt zu Tesla?

Ich persönlich bin nicht im Kontakt mit Tesla. Ich bin ja wie gesagt in die Task-Force einbezogen. Aber unterhalb der vom Ministerpräsidenten persönlich geleiteten Taskforce gibt es natürlich Arbeitsgruppen und dort ist mein erster Stellvertreter einbezogen. Die Details im Genehmigungsverfahren, die dort zur Sprache kommen, werden von ihm bearbeitet und wir haben spiegelbildlich in unserer Verwaltung eine entsprechende Arbeitsgruppe ausgebildet, sodass wir immer auf der Höhe der Zeit sind und uns mit den Fragen beschäftigen, die gerade diskutiert werden. In der nächsten Woche werden wir zudem mit den berührten Gemeinden an einen Tisch kommen und werden klären inwieweit wir jetzt auch Forderungen erheben müssen nach der Ausweisung von Bauflächen. Das ist uns im Moment aufgrund der gemeinsamen Landesplanung noch etwas restriktiv vorgegeben. Wir wollen da eine Öffnungsklausel haben, denn da stehen zwei Dinge im Widerspruch: Tesla wird um die 4000 Mitarbeiter im Drei-Schicht-Betrieb beschäftigen und das führt dazu dass wir verkehrliche Infrastrukturprobleme kriegen.

Was muss den infrastrukturell getan werden, wenn Tesla kommt?

Es muss einiges getan werden, denn wir kommen in ein Zeitfenster, in dem auf der einen Seite der BER ans Netz geht und auf der anderen Seite das Baugeschehen in Grünheide bei Tesla seinen Höhepunkt hat. Die Dinge hängen einfach zusammen. 4000 Bedienstete jeden Tag zu drei verschiedenen Zeiten ein- und auspendeln zu lassen - Das verlangt Enormes an verkehrlicher Infrastruktur. Wir sind im Raum Erkner und Neu Zittau ohnehin schon sehr belastet, sodass wir hier Lösungen schaffen müssen, die sich verkehrsentlastend auswirken. Man kann auch von einer anderen Seite an das Problem herangehen, nämlich durch die Ausweisung weiterer Wohnbauflächen und die Schaffung von Wohnungen.

Wie weit geht dieser Radius, in dem sich infrastrukturell etwas ändern muss? Betrifft das auch andere Landkreise?

Das ist richtig. Insofern werden wir uns mit den Kollegen in Märkisch-Oderland, etwa Landrat Gernot Schmidt, über diese Entwicklung unterhalten. Diese Ausstrahlung wird nicht an den Landkreisgrenzen haltmachen, sondern sich wahrscheinlich bis nach Polen ausweiten. Je nachdem wie die Infrastruktur aufgestellt wird, werden wir erleben, dass die Verkehrsströme sich entsprechend entwickeln. Und ich gehe davon aus, dass gerade Frankfurt (Oder) ein bevorzugter Wohnstandort sein wird und man hier ja auch die entsprechenden Flächen zur Verfügung hat, sodass auch diese Stadt enorm von der Tesla-Ansiedlung profitieren wird.

Gehen Sie davon aus, dass diese angepeilten anderthalb Jahre für den Fabrikbau zu schaffen sind?

Das ist ja nicht unrealistisch und ist in den Vorgesprächen schon durchdekliniert worden. Das funktioniert. Aber dazu ist es notwendig, dass alle sich so verhalten wie das vorgezeichnet ist, damit wir die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen können. Dieses Verfahren wird sehr penibel anhand des Gesetzes durchgeführt werden müssen. Niemand kann das Risiko eingehen hier irgendwelche formalen Fehler zu begehen.

Was sind Ihre Wünsche und Erwartungen für das Jahr 2020?

Ich erwarte, dass der Tesla-Prozess uns in ganz neue Diskussionen verwickeln wird, dass wir daran auch mental wachsen werden, dass wir sehen, wie eng die Verbindung zwischen der kulturellen Ausgestaltung unseres Landstrichs und dem wirtschaftlichen Fundament ist, dass wir wieder den Zusammenhang zwischen Wertschöpfung und Wohlstand sehen. All diese Dinge sind natürlich auch irgendwie Eingriffe und da müssen wir diskutieren: Welchen Aufwand und welchen Eingriff muten wir uns zu und welchen gesellschaftlichen Nutzen haben wir auf der anderen Seite? Ich bin dafür, dass man das mit den Bürgern offen diskutiert, dass man da Transparenz schafft, damit sich niemand übergangen fühlt sondern alle sich mitgenommen fühlen.

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