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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 30.09.2022 | R. Schwaß / C. Hölscher | Quelle: imago/Christian Thiel

Abschlussbericht zu Umweltkatastrophe

Algenblüte ist laut Experten die Hauptursache für Fischsterben in der Oder

Die deutsche Seite hat ihren Expertenbericht zum Fischsterben in der Oder vorgelegt. Demnach gilt als wahrscheinlichste Ursache, dass sich durch hohe Salzkonzentration eine giftige Alge massiv ausbreitete. Doch der Bericht lässt Fragen offen.

Deutsche Experten halten die massive Ausbreitung einer giftigen Alge für die wahrscheinlichste Ursache des massenhaften Fischsterben in der Oder. Das geht aus einem Bericht einer Nationalen Expertengruppe unter Leitung des Umweltbundesamtes hervor, den das Bundesumweltministerium an diesem Freitag veröffentlicht hat. Damit bestätigen die Forscher die bislang vermuteten Annahmen zu den Ursachen der Umweltkatastrophe aus diesem Sommer.

Nach Wasser- und Bodenproben

Greenpeace macht Bergbauindustrie für Fischsterben in der Oder verantwortlich

Besonders hohe Salzkonzentration förderte besondere Alge

Laut Bericht führte eine hohe Salzkonzentration zur Massenvermehrung der Brackwasseralge "Prymnesium parvum". Diese Alge habe wiederum eine giftige Substanz erzeugt, die zum Tod von Fischen sowie anderer Organismen wie Schnecken und Muscheln geführt habe.

Unklar sei jedoch zum einen, wie die Brackwasseralge, die normalerweise in Küstengewässern vorkommt, ins Binnenland geraten sei. Zum anderen sei "mangels verfügbarer Informationen" nicht geklärt, wer oder was genau die ungewöhnlich hohe Salzkonzentration im Wasser verursacht habe. Das deutsche Umweltministerium geht von der Einleitung von Salz aus, dem Bericht zufolge konnten die Forscher aber den Verursacher der Salzeinleitung nicht ausmachen. Die genaue Quelle der Salze, anderer Elemente und Chemikalien sei unklar, heißt es. Bei dem eingeleiteten Salz handelt es sich laut Bericht um das als Kochsalz bekannte Natriumchlorid.

Insgesamt deuteten die Analysen auf "multikausale Wirkmechanismen" hin, die zum massiven Verenden der Tiere geführt hätten. Das bedeutet, dass es wohl mehr als eine einzige Ursache für die Katastrophe gab. Hohe Temperaturen und eine geringe Niederschlagsmenge hätten die Lage verschärft, weil die Konzentration der schädlichen Stoffe dadurch gestiegen sei.

Experten stellten auch Herbizide fest

Die deutschen Experten stellten auch Herbizide – also Pflanzenbekämpfungsmittel – im Fluss fest, bei denen es sich "mit hoher Wahrscheinlichkeit um industrielle Einleitungen" handele. Die akuten Vergiftungen seien aber daraus nicht ableitbar, hieß es in dem Bericht des Umweltministeriums.

Die Experten hätten mehr als 1.200 bekannte Stoffe und Elemente analysiert. Laut ihnen stammten die nachgewiesene Stoffe stammten "typischerweise aus Einleitungen von industriellen oder kommunalen Kläranlagen". Nähere Details dazu nennt der Bericht nicht. Woher die Stoffe herkommen, bleibt also weiterhin unklar.

Das Sterben der Fische wurde am 9. August auf deutscher Seite des Grenzflusses entdeckt. Polnische Behörden hatten nach Regierungsangaben schon Ende Juli erste Hinweise darauf. Deutschland warf Polen vor, die Ereignisse nicht frühzeitig gemeldet zu haben. Die ursprüngliche Absicht, einen gemeinsamen deutsch-polnischen Abschlussbericht zum Fischsterben vorzustellen, scheiterte. Stattdessen wurden zwei separate Analysen veröffentlicht.

Umweltkatastrophe an der Oder

Deutschland und Polen veröffentlichen keinen gemeinsamen Bericht zum Fischsterben

Polnische Auswertung am Donnerstag präsentiert

Polnische Wissenschaftler hatten schon am Donnerstag ihre Ergebnisse präsentiert. Sie nannten ebenso eine giftige Alge als Grund für das Fischsterben. "Der Grund für das Fischsterben war höchstwahrscheinlich die toxische Wirkung einer Algenblüte", konkretisierte die Wasserbiologin Agnieszka Kolada vom Institut für Umweltschutz.

Vonseiten der polnischen Experten begünstigte eine Reihe von Faktoren die Algenblüte, wobei das Thema Salzeinleitung nur am Rande erwähnt wurde. So sei die Wasserqualität der Oder schon in den vergangenen Jahren schlecht gewesen und habe einen hohen Salzgehalt aufgewiesen, hieß es. "Die Oder ist ein Fluss, der weit vom natürlichen Zustand entfernt ist", betonte Wasserbiologin Kolada. Durch die starke Regulierung des Flusses sei er nicht so gut mit Belastungen durch geringe Regenfälle und hohe Temperaturen klargekommen.

Der niedrige Wasserstand führte laut dem polnischen Bericht dazu, dass die Salzkonzentration zunahm. "So hat die Alge Bedingungen gefunden, die es ihr ermöglichten, sich zu entwickeln." Die massenhafte Blüte von Prymnesium parvum in der Oder und anderen Flüssen in Polen könne sich in den kommenden Jahren wiederholen, warnen die Wissenschaftler. In der Forschung gebe es bislang keine Erkenntnisse dazu, wie sich eine solche Blüte verhindern lasse.

Das polnische Umweltministerium hatte eine Gruppe von 49 Experten aus 14 Forschungsinstituten damit beauftragt, den Ursachen der Umweltkatastrophe auf den Grund zu gehen. In Polen seien in der Zeit vom 12. August bis 8. September insgesamt 221 Wasserproben aus verschiedenen Abschnitten der Oder entnommen worden, sagte Kolada.

Annalena Baerbock an der Oder

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Annalena Baerbock hat sich Donnerstag über die Situation an der Oder nach dem Fischsterben informiert. Reitwein ist ein besonderer Ort: Dort gab es nicht nur auf polnischer, sondern auch auf deutscher Seit Eingriffe in den Fluss. Von Fred Pilarski

Experten raten zu besseren Vorkehrungen

Um künftigen Katastrophen dieser Art vorzubeugen, empfehlen die Wissenschaftler des deutschen unter anderem, weiter zur Ausbreitung der Brackwasseralge zu forschen und das grenzüberschreitende Warn- und Meldesystem zu verbessern. Auch vorhandene Genehmigungen für Einleitungen von Stoffen in Gewässer sollten überprüft werden.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sprach am Freitag von einer "gravierenden Umweltkatastrophe" und einer "verheerenden Wirkungskette" aus hohem Salzgehalt und weiteren Faktoren. Das Fischsterben sei jedoch nicht nur ein Problem der Oder, betonte sie: "Angesichts der Klimakrise ist ernsthaft zu prüfen, was wir unseren Flüssen in Zukunft noch zumuten können." Einleitungen von Stoffen, darunter auch aus Kläranlegen, müssten überprüft und reduziert werden.

Brandenburg will Meldeketten überprüfen

Brandenburg hat bereits erste Konsequenzen beschlossen. "Auch wenn dieses Fischsterben-Ereignis so nicht vorhersehbar war, überprüft Brandenburg, ob und wie das Messsystem und die Meldeketten optimiert werden können", kündigte Umweltminister Axel Vogel (Grüne) an. Sein Ministerium will betroffene Fischereibetriebe finanziell unterstützen. Fünf Betriebe, die zu 80 Prozent von der Fischerei leben, seien sehr stark von den Folgen des Fischsterbens betroffen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 30.09.2022, 19:45 Uhr

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