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Quelle: imago images/S. Zeitz

Geplante Fabrik in Oder-Spree

Wie Tesla gleichzeitig Hürden nimmt und Hindernisse schafft

Tempo, Tempo, Tempo - mit diesem Motto scheint Tesla seine Fabrik in Grünheide bauen zu wollen. Übergeht das Unternehmen dabei Regeln und Gepflogenheiten vor Ort? Oder gelingt die Anpassung im Vollsprint? Von Philip Barnstorf

Tesla baut eigentlich keine Autos, sondern Computer auf Rädern. So beschreiben immer mehr Experten das kalifornische Unternehmen. Das Herz eines Teslas ist nicht - wie noch bei vielen deutschen Herstellern - ein leistungsfähiger Motor oder ein fein abgestimmter Antriebsstrang, sondern seine Software. Auch in den Arbeitsprozessen ähnele Tesla einem IT-Unternehmen, sagt Stefan Bratzel, Professor am Center for Automotive Management in Bergisch-Gladbach: "Das ist wie ein Sprint bei der Software-Entwicklung. Man setzt sich ganz kurzfristige Ziele und danach verbessert man das Produkt schrittweise."

Dieser Ablauf lässt sich auch beim Fabrikbau in Brandenburg erkennen. Ein Produktionsstart im Jahr 2021, weniger als zwei Jahre nach der Ankündigung, ist ein extrem ambitioniertes Ziel. Zum Vergleich: Beim BMW-Werk in Leipzig vergingen von der Ankündigung bis zur Eröffnung fast vier Jahre.

Tesla hat in Grünheide dann im Sprint - innerhalb weniger Monate nach der offiziellen Verkündung - tausende Seiten mit Genehmigungsunterlagen für das Projekt eingereicht, Bäume gerodet, den Boden planiert. Inzwischen gießen die Baumaschinen schon Teile des Fundaments.

Anpassung im Verlauf

Aber der Sprint kostet: Die ersten im Dezember 2019 eingereichten Genehmigungsunterlagen waren laut Experten hastig zusammengestellt. Aber wie Tesla seine Autos nach dem Verkauf über "Over the air"-Software-Updates verbessert, so überarbeitet das Unternehmen auch die Dokumente im Nachhinein: Nach Kritik am maximalen Wasserverbrauch sollen Plastikteile jetzt woanders gebaut werden, so dass die Grünheider Fabrik mit rund einem Drittel weniger Wasser in der Spitze auskommen soll. Auch dass das Fabrikfundament unterirdische Pfähle brauchen würde, hatte Tesla erst gemerkt, nachdem die ersten Genehmigungsunterlagen schon eingereicht waren. Inzwischen wartet ein angepasstes Fabrikdesign, das auch 2.000 unterirdische Pfähle enthält, auf die Genehmigung des Landesumweltamtes.

Auch abseits der breit diskutierten Themen ist ein emsiger Entwicklungswille beim Grünheider Projekt erkennbar: Als die Walzen schon den Boden planierten, kündigte Elon Musk - imagegerecht auf Twitter - eine neue Lackiererei für das Werk an. Davon sollen selbst die Tesla-Verantwortlichen in Brandenburg überrascht gewesen sein. "Tesla kann unheimlich schnell auf neue Bedingungen reagieren", sagt Autoexperte Stefan Bratzel. Das liege auch daran, dass das Unternehmen noch recht klein sei und außerdem zentral von Elon Musk gesteuert werde.

Herausforderung für deutsche Behörden

Aber mit ihrer Tempo-Tempo-Tempo-Strategie schießt die Firma auch manchmal übers Ziel hinaus. "Indem das Unternehmen das Fahrerassistenz-System in seinen Autos als Autopilot bezeichnet, insinuiert es, dass seine Autos autonom fahren könnten. Das ist aber nur ein Fahrerassistenz-System", erzählt Stefan Bratzel. "Das veranlasst einige Kunden, zu leichtsinnig zu sein und die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht zu beachten." In Grünheide zeigt sich diese Eile auch auf der Baustelle: Da haben die Maschinen zwei Pfähle in den Boden gerammt, als der Landkreis das noch nicht genehmigt hatte. Immerhin hat Tesla das Vergehen wohl selbst angezeigt. Jetzt steht ihnen ein Bußgeldverfahren ins Haus.

Auch die deutschen Behörden sind herausgefordert nicht nur vom Tempo der US-Amerikaner. Ein Beispiel: Bei einem möglichen Brand darf das Löschwasser nicht im Boden versickern, weil es durch Schadstoffe belastet sein könnte. Angeblich will Tesla es deshalb in den Regenablaufrinnen der Fabrik auffangen. Das wiederum hieße, dass die Regenrinnen schadstofffest sein müssen. Weil es so eine Lösung bisher nicht gibt, müssten sich auch die Behörden bei der Abnahme neu einlassen.

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Solarpanele und insektenfreundliche Lampen

Auch beim Thema Umwelt hat die US-Firma Verantwortliche in der Region überrascht. Nur Tage nachdem Elon Musk die Fabrikpläne am 12. November 2019 offiziell verkündet hatte, riefen Tesla-Vertreter bei Umweltverbänden, darunter Nabu, BUND und Grüne Liga, an. Man wolle über Umweltschutzmaßnahmen rund um die geplante Fabrik reden. Bei den dann folgenden Telefonkonferenzen und Treffen in Hangelsberg und Potsdam ging es neben dem Wasserverbrauch auch um Ausgleich für den gerodeten Wald. "Da hat Tesla uns aufgefordert, sie auf Ausgleichsflächen hinzuweisen", heißt es von Umweltschützern. Die begrüßen, dass Tesla über das gesetzliche Soll hinaus Wald im Verhältnis von 3:1 ersetzen will. Außerdem regten Verbandsvertreter Solaranlagen auf dem Dach der Fabrik an. Und tatsächlich sind blaue Solarpanele auf neuesten Fabrikplänen zu sehen. Auch die Idee Außenlampen zu montieren, die nachtaktiven Insekten möglichst wenig schaden, hätten die rund fünf Tesla-Vertreter bei den Konferenzen wohlwollend aufgenommen. "Wir würden uns wünschen, dass mehr Unternehmen so offen und transparent an uns herantreten", sagt einer der Umweltschützer.

Alle Sorgen konnten die Unternehmensvertreter aber nicht ausräumen. "Statt generell weniger zu fahren, steht Tesla für mehr Autos, wenn auch elektrische", kritisieren einige Umweltschützer. Andere bemängeln, der Wald sei vorzeitig gerodet worden. Und vor Ort sehen einige Anwohner nach wie vor Gefahren fürs Trinkwasser in der Region.

Elon Musk, Hauptgeschäftsführer von Tesla | Quelle: dpa/P. Hennessy

Ein-Mann-Marketingabteilung

Schließlich ist da noch die öffentliche Kommunikation, mit der Tesla in Brandenburg für Irritation sorgt. "Bei denen redet nur der Chef. Und wenn der was zu sagen hat, twittert er", heißt es aus Insiderkreisen der Baustelle in Grünheide. Tatsächlich mischte sich Elon Musk per Twitter in die Diskussion um Wald und Wasser in Brandenburg ein [twitter.de]. Auch die neue Lackiererei kündigte er auf über den Nachrichtendienst an [twitter.de].

"Teslas Marketing-Abteilung kann fast auf eine Person reduziert werden, nämlich Elon Musk", erklärt Autofachmann Stefan Bratzel, "Dadurch spart Tesla Kosten und kann unheimlich schnell auf Kundenrückmeldungen auf Twitter reagieren." So ähnlich kam es auch schon in Grünheide: Per Tweet bat ein junger Tesla-Enthusiast aus der Region Elon Musk darum, mit seiner Drohne für Fotoaufnahmen über die Baustelle fliegen zu dürfen [twitter.de]. Gut eine Woche später antwortete Musk "fine by me" - "Für mich in Ordnung". Seitdem fliegen gleich mehrere Tesla-Fans regelmäßig mit ihren Drohnen über das Gelände.

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Landesregierung als unfreiwilliger Pressesprecher?

Aber während Tesla hinter verschlossenen Türen mit Behörden und Umweltverbänden kooperiert, nimmt das Unternehmen abgesehen von Musks Tweets kaum an der öffentlichen Debatte in Brandenburg teil. Gleichzeitig treten einige Tesla-Kritiker, etwa von der Bürgerinitiative gegen Gigafactory, regelmäßig öffentlich auf, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Dadurch landen viele Fragen bei der Landesregierung. Die sieht sich dadurch manchmal in die Rolle des unfreiwilligen Pressesprechers gedrängt - eine Position, die der Politik eigentlich nicht zusteht.

Tesla legt in Brandenburg in Brandenburg ein Tempo vor, das Behörden, Verbände und Bürger vor Ort nicht gewöhnt sind. Durch die Flexibilität des Unternehmens und weil sich die Verwaltungsbeamten ordentlich ins Zeug legen, konnten aber alle bisherigen Hindernisse wie der Wasserverbrauch bewältigt werden. Auch die nächsten Hürden, wie unterirdische Pfähle, scheinen überwindbar. Ein Produktionsstart im kommenden Jahr ist nach wie vor realistisch. Tesla könnte aber Kritik vorwegnehmen und Wohlwollen gewinnen, indem sie mehr öffentlich erklären.

Beitrag von Philip Barnstorf

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