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Audio: rbb24 Inforadio | 06.09.2022 | Stephan Ozsváth | Quelle: rbb/Stephan Ozsvath

Energiekrise

In kleinen Handwerksunternehmen geht wegen steigender Kosten die Angst um

Gestiegene Energiekosten müssen an Kunden weitergegeben werden. Aber wie lange können die das Mittragen? Kleine Handwerksunternehmen bangen um ihre Zukunft. Stephan Ozsváth hat im Berliner Stadtteil Moabit ein Stimmungsbild eingeholt.

Dirk Martens steht vor dem Trockner namens "Marta", in ihm dreht sich Wäsche. 1,20 Euro kostet das Trocknen in "Freddy Leck sein Waschsalon“ in der Moabiter Gotzkowskystraße. Ehemalige Mitarbeiter:innen haben den Maschinen Namen gegeben: "Marta" heißt eine, "Marion" eine andere. Mit jeder Drehung verbrauchen sie Kilowatt-Stunden. Inhaber Martens, der eigentlich Schauspieler ist, blickt deshalb sorgenvoll in die Zukunft ab dem 1. Oktober, wenn die Energiepreise explodieren. "Der Gaspreis wird sich versechsfachen, der Strompreis fast verdoppeln", rechnet Martens vor. "Wir werden Energiepreise von fast 4.500 Euro im Monat haben". Ein Schlag ins Kontor.

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Die Preisspirale: Höhere Kosten machen höhere Preise

Im Waschsalon beschäftigt Martens acht Angestellte, fünf in Vollzeit. Die will er auch behalten. "Ich kann ja nicht die Angestellten entlassen, das möchte ich nicht", sagt er. Wie also die Energiekosten auffangen? "Das geht nur über Preiserhöhungen", ist Martens sicher. Aber die Margen sind klein. Ein Waschgang mit vier Kilo Wäsche kostet im Moment vier Euro, plus 55 Cent für das Waschpulver.

Große Preissprünge kann aber er nicht machen, denn "in einen Waschsalon kommen ja auch Leute, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens spazieren gehen". Kunden wie Angela, die von Grundsicherung lebt und zum ersten Mal im Waschsalon ist, in dem Schwarz-Weiß-Fotos von Filmstars und der Queen hängen. "Ich habe Angst vor dem Herbst", sagt sie. "Ich komme gerade mal so über den Monat".

Wie es mit seinem Waschsalon weiter geht, weiß auch Dirk Martens nicht, da die Energieversorger keine langfristigen Preise garantieren können. "Bis jetzt geht es auf, aber mit Mehrkosten von 4.500 Euro im Monat ist es grenzwertig", rechnet der Inhaber vor. "Es ist einfach alles nur Mathematik."

Quelle: rbb/Stephan Ozsvath

Teurere Brötchen und Pleiten am Horizont

Wenige Hundert Meter weiter backt Andreas Zandonai seit 23 Jahren Brot und süße Teilchen. Jeden Morgen um vier Uhr steht er in der Backstube hinter dem Verkaufsladen. Doch seine Arbeit lohnt sich immer weniger. "Es ist momentan schon beängstigend", fasst der 53-Jährige seine Sorgen zusammen.

Bisher hat er 4.500 Euro im Monat für Energie bezahlt. Die Öfen verbrauchen eine Menge Energie, obwohl er den Öl-Ofen schon vor Jahren durch einen ersetzt hat, der mit Strom beheizt wird.

Die Rohstoff-Preise für seine Backwaren sind auch gestiegen. "Öl verdoppelt, Butter teurer geworden“, zählt er auf, "wenn man in der Woche 60 Kilo Butter kauft", mache sich das bemerkbar.

Kosten senken? Preise rauf? Wie reagiert Zandonai auf die explodierenden Kosten? "Wir haben die Preise erhöhen müssen", erklärt er sein Rezept, "die Schrippen um 5 Cent". Sie kosten jetzt 40 Cent. Auf manches Brot müssen die Kunden jetzt 50 Cent Aufschlag bezahlen. "Lange Backzeiten, 60 bis 80 Minuten, das muss ja alles mit berechnet werden", erklärt der Kiezbäcker. Die Kunden kauften gezielter, nähmen weniger mit als früher, sagt Zandonai. "Auch die anderen haben ja weniger, weil auch deren Energiekosten steigen".

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Teufelskreis ist schwer zu entrinnen

Etwa 500 Bäcker gibt es in der Region Berlin-Brandenburg, so die Bäcker-Innung. Zwei Drittel der Betriebe heizten die Backöfen mit Gas - und das wird immer teurer. Ein Teufelskreis.

Manch einer wird die Krise nicht überstehen, glaubt Bäcker Zandonai. "Es wird manch einer Probleme kriegen, der kein Polster hat". Seine zehn Angestellten will er behalten, beteuert Zandonai, aber letztlich müsse die Kalkulation stimmen. "Es soll natürlich auch was übrigbleiben. Ich arbeite ja nicht umsonst und ich möchte auch nicht von zu Hause Geld mitbringen."

Die meisten kleinen Betriebe in Deutschland haben die Größe von Martens Waschsalon oder Zandonais Bäckerei, rechnet die Berliner Handwerkskammer vor. Das sind auch die Branchen, die viel Energie verbrauchen, auch wenn sie wie die beiden Unternehmer aus Moabit in effizientere Maschinen investieren. "Dort geht die Angst um", bringt Sprecher Daniel Jander die Stimmung in den kleinen Unternehmern auf den Punkt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.09.2022, Stephan Ozsváth

Beitrag von Stephan Ozsváth

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